Sarah Bray kam lange morgens kaum aus dem Bett. Das ist jetzt anders. Vor allem ist sie glücklicher. Wie ihr gelungen ist, ihre Schlafstörung abzulegen, schreibt sie in einem sehr persönlichen Text.
Warum ich immer verschlafen habe
Mein Problem morgens nicht aufzuwachen begann vor 17 Jahren. Ich wünschte, ich könnte darüber schreiben ohne unglaublich unsicher und empfindlich zu klingen, aber das kann ich nicht. Deswegen nenne ich euch einfach die Fakten:
Alles begann vor 17 Jahren, als ich in der Junior Highschool war und gerade mein erstes Auto bekommen hatte. Zu dieser Zeit war Jim Coach mein Lehrer im Geschichtsunterricht, der immer um 8 Uhr morgens begann.
Eines Tages wachte ich zu spät auf und kam auch zu spät zum Unterricht. Jim Coach war verägert und machte mich runter – vor der ganzen Klasse. Ich begann zu weinen – so, wie man zu weinen beginnt, wenn man verzweifelt versucht es nicht zu tun.
Dieser Tag änderte alles. Ab diesem Zeitpunkt war es an jedem Tag für mich ein Kampf aus dem Bett zu kommen. Ein Kampf, den ich meistens verlor.
Ich habe allein in diesem einen Schulhalbjahr 37 Tage verpasst.
Zu spät zu sein oder eine Unterrichtsstunde zu verpassen setzte eine Entschuldigung voraus und ich wollte nicht die Unterschrift meiner Eltern fälschen (auch wenn ich das ein paar Mal gemacht habe). Die meisten dieser 37 Tage habe ich mich unter den Treppen der Schule versteckt und versucht das, was ich verpasst hatte, nachzuholen.
Ich habe von meinem Problem niemandem erzählt, nicht einmal meinem Freund (mit dem ich es ernst meinte und den ich schließlich geheiratet habe; wir sind in diesem Jahr 15 Jahre verheiratet.) Seit der Grundschule hatte ich immer nur Einsen gehabt – aufgrund der Fehlzeit fiel ich dann in allen Fächern außer in einem einzigen durch.
Seither kämpfe ich damit, morgens aufzuwachen.
Ich hasse es, meine Geschichte zu erzählen. Ich kann mir kaum vorstellen, dass ich wirklich das Mädchen war, dass sich ganze 37 Tage unter den Treppen versteckte, weil ein Lehrer sie fürs Zuspätkommen angebrüllt hatte. (Meine Sorge führt aber auch heute noch so weit, dass ich Angst vor Facebook habe. Ich befürchte, dass die Leute von damals mich immer noch als das Mädchen sehen, dass sich unter den Treppen versteckte.
Warum ich euch das erzähle?
Wenn ICH morgens früh aufwachen kann, kann es jeder.
Heute ist der 17. Tag, an dem ich um sieben Uhr morgens aufgewacht bin, was für mich früh ist. Und so mache ich das:
Erstens: Ich habe mir bewusst gemacht, dass Aufstehen nicht mein eigentliches Problem ist
Vor etwas über einem Monat habe ich meiner Freundin Brooke erzählt, dass aufzuwachen für mich schon ewig ein Problem ist. (Wir haben das Gespräch als Podcast aufgenommen.) Danach habe ich kaum noch darüber nachgedacht.
Ein paar Wochen später habe ich auch mit meinem Vater darüber gesprochen, und er meinte, dass es sich danach anhörte, als sei ich depressiv. Da ich aber nicht täglich weine, und auch nicht vorhabe zu sterben, habe ich noch nie an das Label „depressiv“ gedacht. Das machte mich nachdenklich.
Ich hatte bislang jede Nacht zehn Stunden geschlafen – und ich war dennoch immer müde. So habe ich das 17 Jahre lang gemacht. Ich wollte nie aufstehen und den Tag beginnen. Ich habe es vermieden, das Haus zu verlassen. Ich habe vermieden, Freunde zu treffen. Und ich habe das am liebsten „introvertiert“ genannt. Ich habe vergessen zu essen (Ich aß für gewöhnlich Snacks, bis John nach Hause kam und uns Abendessen machte). Ich wollte nie etwas machen, dass körperliche Aktivität voraussetzte.
Also … Depression? Vielleicht.
Mit dieser neuen Offenbarung habe ich das gemacht, was ich immer tue: Ich suchte nach einem Buch zum Thema. Ich lese sehr viel und das Buch, das für mich etwas verändert hat, war dieses hier, was ich sehr empfehle, nicht nur für Menschen, die an Depressionen leiden. Ab dann bewegte sich vieles in meinem Leben.
Klar, das bedeutet nicht, dass man depressiv sein muss oder eine andere psychische Krankheit hat, wenn man nicht gut aufwachen kann. Und es bedeutet auch nicht, dass Bücher Depressionen lindern können.
Doch wir müssen uns fragen: Was ist das wirkliche Problem? Ist es morgens aufzuwachen oder etwas ganz anderes?
Zweitens: Ich habe einen festen Vorsatz für fünf aufeinander folgende Tage gefasst
Ich habe nicht angefangen früh aufzuwachen, indem ich mich dazu entschieden habe. Ich habe damit angefangen, indem ich zugesagt habe, bei einem Sommercamp zu helfen. Das Camp startete jeden Morgen um 9 Uhr, ich musste um spätestens 8.45 Uhr da sein. (Viele Menschen haben Jobs, die ihnen diese Art der Struktur geben, aber da ich selbstständig bin, habe ich diese Struktur nicht.)
Als die Woche Sommercamp zu Ende war, war es für mich immer noch nicht einfach alleine früh aus dem Bett zu kommen, deswegen habe ich in einer weiteren Woche eine Zusage an all meine Frühaufsteher-Freunde gegeben, sie zu treffen: In der Bibliothek, am Strand oder im Museum.
Nach zwei Wochen brauchte ich diese Verabredungen nicht mehr. Ich kann nun einfach aufstehen, oft sogar bevor mein Wecker klingelt.
Drittens. Ich habe mir meine iPhone-Sucht zunutze gemacht
Es gibt zwei Probleme, wenn man früh aufwacht. Das erste ist, sich daran zu erinnern wenn man völlig fertig ist und die Welt hasst (mein normaler Zustand am Morgen). Das zweite Problem ist es, wach zu bleiben.
Um beide Probleme anzugehen, habe ich mich dazu entschieden mein iPhone für etwas zu nutzen, was es eh gut kann: Mich von meinen Gefühlen ablenken und mich in die Tiefe voller Hyperlinks zu ziehen.
Um 7 Uhr morgens tippe ich den Snooze-Button an, aber anstatt ihn dafür zu nutzen, mehr Schlaf zu bekommen (was mich nur müder macht), nutze ich ihn als Stoppuhr um mir zu sagen, wann die Zeit meine Apps zu checken vorbei ist. Denn es gibt nur eine Sache, die schlimmer ist als zu verschlafen, wenn man früh aufstehen soll: Die ganze Zeit des Wachseins damit zu verbringen, in Status-Updates zu ertrinken.
Viertens. Ich machte die Sonne zu meiner besten Freundin
Wenn ich mit meinem neun Minuten App-Checking fertig bin, schließe ich die Apps und stehe endlich auf. Ich gehe aber nicht direkt duschen. Stattdessen schmeiße ich meinen Bademantel über, gehe nach draußen und schreibe.
Jeden Morgen eine halbe Stunde Sonne zu bekommen hat den entscheidenden Unterschied für mich gemacht, um meine innere Uhr von Nachteule auf Early-Bird umzustellen. Es macht mich außerdem glücklicher und gibt mir Energie – und alles, was ich dafür tun muss, ist aus der Tür zu treten.
Fünftens: Ich habe dafür gesorgt, dass der Morgen Spaß macht
Ich habe mich dazu entschlossen früh genug aufzuwachen, um dafür Zeit zu haben, den Morgen zu verbringen, von dem ich schon immer geträumt habe. Für mich bedeutet das, Zeit dafür zu haben zu lesen und zu frühstücken – und zwar bevor alle anderen aufstehen.
Zum Glück muss ich nicht zur Arbeit fahren und alle in meiner Familie schlafen gern lang. Daher ist sieben Uhr früh genug, damit ich diese Dinge tun kann.
In einer idealen Welt hätte ich auch noch Zeit für Sport in meiner Morgenroutine, aber das hat noch nicht geklappt. Jeden Schritt zu seiner Zeit, sage ich mir.
Sechstens. Ich sagte „Ja“ dazu, früh ins Bett zu gehen und „Nein“ zu Nickerchen
Ich dachte, früh ins Bett zu gehen würde die größte Herausforderung sein, aber es passierte ganz automatisch, als ich damit anfing morgens früh aufzustehen. Ich genieße es jetzt sogar allen um 22 Uhr zu sagen: „Ich gehe jetzt ins Bett!” Dann lese ich noch eine Stunde und schlafe ein. Das wirklich Schwierige für mich ist, keine Nickerchen mehr zu machen.
In der ersten Woche hat mein Körper sich so sehr nach diesen Schläfchen gesehen. Zuerst habe ich dem auch nachgegeben. Der Gedanke beschäftigte mich einfach so sehr, dass ich mir nicht anderes vorstellen konnte als um halb drei einen kleinen Mittagsschlaf zu machen. Aber wenn ich das tat, war ich den ganzen Abend müde. Und dann war ich bis ein oder zwei Uhr wach, was nur zum Resultat hatte, dass ich meinen Wecker in der früh mit bösen Blicken bestrafte. Zum besseren Verständnis: Böse Blicke sind die Momente, in denen ich wirklich fies werde.
Um mein Bedürfnis nach Nickerchen zu lösen, habe ich angefangen immer dann nach draußen in die Sonne zu gehen, wenn ich Lust hatte zu schlafen. Außerdem trank ich noch ein Glas Wasser. Wenn das nicht geholfen hat, habe ich jemanden angerufen. Nach einer Woche war das Bedürfnis nach Nickerchen vorbei.
Siebtens. Ja, ich bin sogar am Wochenende früh aufgestanden
Ich dachte, das würde wirklich schwer, aber nach 17 Tagen stellt sich sogar heraus, dass das das Beste ist! Meine Wochenenden sind nun wie eine weite, offene Fläche, und ich bin wie eine Gazelle, die durch die Felder stolziert. Oder zumindest so ähnlich.
Frühaufsteherwochenenden haben mein Leben verändert. Ich kann zum Beispiel auf den Markt gehen, bevor die Maiskolben ausverkauft sind. Toll ist aber auch: Ich wache am Montag nicht auf und bereue, dass ich das ganze Wochenende im Schlafanzug auf dem Sofa verbracht habe.
Achtens: Ich habe diese Veränderungen langsam vorgenommen
In der ersten Woche war das einzige was ich gemacht habe, um sieben Uhr nach draußen zu gehen. Sogar im Bademantel.
In der zweiten Woche habe ich damit begonnen sofort aufzuwachen und nicht noch einmal zu schlummern.
Ich bin jetzt in der dritten Woche und habe aktuell mit etwas zu tun, was mit dem Aufstehen nichts zu tun hat: meiner Angewohnheit zu grübeln.
Wenn mir auffällt, dass ich grübele, tue ich etwas um mich abzulenken, wie ein Buch zu lesen oder einen Film zu schauen. Ich lasse mich einmal am Tag grübeln und zwar morgens in meinem Tagebuch. Den Rest der Zeit mache ich mir um nichts Sorgen. Oder zumindest ist das mein Ziel, an dem ich arbeite.
Ich ziehe mich immer noch nicht direkt morgens an. Die meiste Zeit dusche ich auch erst um den Mittag herum. Diese Dinge kann ich in einer anderen Woche angehen. Momentan stehe ich jeden Tag um sieben Uhr auf. Das ist für mich schon ein echter Sieg über mich selbst.
Ich bin als Early Bird viel glücklicher.
Und das ist nicht, weil der frühe Vogel den Wurm fängt. Ich bin glücklicher, weil lange zu schlafen für mich ein tiefverwurzelter Trigger ist, der dafür sorgte, dass ich mich schlecht fühlte. Am lange Schlafen hängen all diese negativen Gefühle, die mich den Rest des Tages heruntergezogen haben.
Als ich ein kleines Mädchen war, bin ich aus dem Bett gesprungen um fröhlich in den Tag zu starten. Indem ich früh aufstehe, komme ich diesem kleinen Mädchen wieder näher. Und da das auch so ziemlich das Ziel meines Lebens als Erwachsene ist, nehme ich diese Herausforderung gern an.
Ihren Erfahrungsbericht über ihre Schlafstörung hat Sarah Bray zuerst bei Medium gebloggt. Wir haben ihn mit ihrer Erlaubnis übersetzen dürfen. Danke, Sarah!
Übersetzung: Teresa Bücker
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