Auch das erleben Bewerber immer wieder: Sie sind gut vorbereitet, die potentiellen Arbeitgeber jedoch nicht. Janet hat ein Gespräch erlebt, das sie sprachlos machte.
Eingeladen – warten gelassen
Der erste Schritt ist gemacht: Ich bin eingeladen, um mich als Direktorin eines 4-Sterne-Hotels vorzustellen. Und ich bin auch überzeugt: Ich habe mich auf dieses Bewerbungsgespräch sehr gut vorbereitet. Das Interview verlief dann aber doch sehr viel anders, als ich es mir überhaupt hätte vorstellen können, davon möchte ich erzählen.
Pünktlich 16:50 Uhr meldete ich mich am Empfang. Eine kurz angebundene junge Dame sagte, sie gebe Bescheid und ich soll mich bitte dort hinsetzen.
Etwa fünf Minuten später nahm sie den Telefonhörer ab und bekam die Antwort, dass es noch einige Minuten dauern würde, was sie mir auch mitteilte. Es dauert noch einige Minuten mehr.
17:28 Uhr kam meine Gesprächspartnerin, Vorstand der beteiligten Consulting Firma, die Treppe herunter, lächelte mich an mit den Worten, dass ich ja schon eine Weile warte und sie sich entschuldigt: „Hat länger gedauert.“
Meine Gedanken auf dem Weg in den Gesprächsraum, die ich bereits davor gut sortiert hatte, behielt ich für mich. Wenn ich Bewerbungsgespräche führe, plane ich lieber weniger ein und Pausenzeiten. Wir alle wissen, Gespräche können länger dauern als geplant. Als wir nebeneinander hergingen, meinte sie kurz, es müsse jetzt schnell gehen, aber das bekämen wir sicherlich hin. Sie selbst müsse um 18 Uhr los, 20 Minuten später gehe nämlich ihr Zug.
Meine umgehende Eingebung, ob es nicht vielleicht einen späteren Zug gäbe, sprach ich natürlich nicht aus.
Die Bewerberin ist vorbereitet – die Gesprächspartner nicht
„Fangen sie doch schon mal an zu erzählen,“ meinte sie zu mir. „Wie, hier auf Treppe?“, dachte ich. Noch bevor ich darüber nachdenken konnte, was ich jetzt wohl erzählen könnte, lenkte sie die Aufmerksamkeit noch einmal auf ihren Zug und die Hoffnung, dass er vielleicht Verspätung haben könnte. Das Handy gezückt versuchte sie dies nun herauszubekommen.
Im Raum angekommen, stellte sie mir den anwesenden Herren mit Namen vor. Glücklicherweise hatte ich mich vorbereitet und erkannte am Namen, dass es der Geschäftsführer der Hotel-GmbH war. Sie forderte mich wieder auf „mal zu erzählen“ und ich erzählte – verwundert über den fehlenden klassischen Gesprächseinstieg – zum Beispiel wie ich die Stelle gefunden habe, was mir an den Anforderungen gefiel, warum ich für die Stelle sehr geeignet bin und daher die Bewerbung los schickte. Ebenso, wie ich die Homepage des Hotels erkundete und ab dann noch mehr begeistert vom dem Konzept des Hauses war. Es ist ein einzigartiges Konzept und dementsprechend habe ich mich intensiv vorbereitet, um Ideen, Ziele, Wege und anderes zu präsentieren.
Nach meinen Ausführungen gab es ein kurzes Schweigen und dann die Frage, was ich jetzt und zuvor gemacht habe. Ich erzählte, dass ich noch bis September in Elternzeit bin, dass ich Betriebswirtschaft und Psychologie studiert habe und von den unterschiedlichen Hotels, die ich als Hoteldirektorin oder Geschäftsführerin in den letzten zehn Jahren geführt habe.
„Wie machen Sie das denn mit den Kindern?”
Dann kam die Frage: „Wie alt sind denn Ihre Kinder?“ Ich antwortete, dass sie drei und neun Jahre seien und erklärte, dass mein Mann ein halbes Jahr Elternzeit zu Beginn und ich das zweite halbe Jahr jetzt genommen habe. Nicht, dass es wichtigere Themen zu besprechen gäbe, denke ich, aber es kam noch besser. Sie fragte: „Wie machen sie denn das jetzt mit zwei Kindern und einem Job als Hoteldirektor? Das ist ja schließlich ein Vollzeitjob und darüber hinaus!“
Besonnen kamen die Worte aus meinem Mund: „Das mache ich genauso, wie ich in den letzten drei Jahren Hotels und eine Familie mit zwei Kindern erfolgreich geführt habe.“ Das war ihr nicht genug. Sie setzte noch eins oben drauf und sagte: „Aber dann arbeitet ihr Mann sicher Teilzeit?“. Ich erklärte ihr, wie wir das machen, aber auch das reichte nicht. Erst nachdem ich ihrer Aussage zustimmte, dass es vor Ort Verwandte gibt, schien das Thema für sie endlich schlüssig.
Die zwei einzigen Fachfragen des Gespräches waren: „Was war für Sie die größte Herausforderung als Hoteldirektorin?“ und „Haben Sie auch Gastronomieerfahrung“. Ich versuchte die wichtigsten Informationen zu meinen Erfahrungen, Kompetenzen, Führungsverhalten etc. in meiner Antwort unterzubringen.
Keine Zeit für eigene Fragen
Der Geschäftsführer erzählte dann ein bisschen zum Stand der Bauarbeiten und sie vervollständigte zum Stand der Onlinedistribution und Social-Media-Strategie. Viele Fachbegriffe füllten den Raum in atemberaubender Zeit und versuchten den Eindruck immenser Fachkenntnis zu erwecken. Als das Thema Buchhaltung kam und ich einige konkrete Fragen stellte, ebbte das jedoch schnell wieder ab.
Dann war noch schnell Zeit für meine Fragen, naja, für eine. Nicht, dass ich dazu aufgefordert wurde, ich nutzte die kleine entstandene Pause, um sie einfach loszuwerden. Aufgrund des bisherigen Gesprächsverlaufs wusste ich, es wird nicht viele Fragemöglichkeiten geben und ich sollte mich für eine entscheiden. Die Wahl fiel auf: „Welche drei wichtigsten Erwartungen haben sie an mich als Hoteldirektorin?“ Der Geschäftsführer antwortete rasch: „24 Stunden erreichbar sein und immer einsatzbereit“, gefolgt von dem Satz „Hach, Spaß beiseite“, dem leider aber keine weitere Ausführung folgte.
Die Frau übernahm und ergänzte die Themen Vertrieb, Personaleinstellung, obwohl davon schon ein Teil erledigt sei und man hoffe, dass diese zu meiner Zufriedenheit sind; alles mitzumachen, wenn es nötig werde und noch einiges anderes. Wir kamen auf Personalgewinnung zu sprechen und wie ich das bisher gemacht habe. Für das Hotel hier, schildert man mir, wird darauf vertraut, dass man ortsgebundene Menschen und Rückkehrer erreicht und einstellt. Die seien dann sicher motiviert und werden durchziehen. Ich wollte nachfragen, wie sie diese Mitarbeiter überzeugen und für ihr Unternehmen interessieren wollten, aber es kam nicht mehr dazu. Ich wurde noch gefragt, ab wann ich anfangen könne.
Ich fragte zurück, ab wann sie denn suchen würden und wir kamen dann irgendwie bei Mitte September an. So blieb ich dem treu, was ich bereits in meinen schriftlichen Unterlagen geschrieben hatte. Leider war das Gespräch damit auch schon fast zu Ende, da sie bereits ihre Handtasche schnappte und noch schnell die Rahmenbedingungen loswerden wollte.
Verhandeln? Fehlanzeige
Sie begann mit der Frage, wie meine Gehaltsvorstellungen sind. Ich wiederholte meine Vorstellung aus den Bewerbungsunterlagen, denn dort war bereits eine Angabe dazu gefordert. Sie sagte, das Hotel zahle 500 Euro weniger. Als sie schon aufstand, fragte ich noch die für die Stelle typischen Dinge wie zum Beispiel einen Firmenwagen, was verneint wurde mit der Bemerkung, ich habe es ja nicht weit zur Arbeit. Urlaub gäbe es 26 Tage und eine Leistungsprämie könne vereinbart werden. Mit deutlichem Blick und Körpersprache wurde klar gemacht, dass dies nicht zur Verhandlung gedacht ist.
Dann standen wir auch schon auf der Treppe und sie sagte: „Ach ja, zum Bewerbungsprozess noch schnell: Wir führen die nächsten zwei Wochen weitere Gespräche und melden uns dann. Start kann also der 1.10. sein, früher werden wir nicht schaffen.“
Wir verließen das Gebäude, schüttelten uns die Hände und verabschiedeten uns mit einigen gesellschaftlichen Floskeln, betont locker und unkompliziert ihrerseits.
Die ach so professionelle Arbeitswelt
Ich setzte mich in mein Auto und schwieg mich selbst an. Etwas derartiges habe ich noch nie erlebt. Ich rief meinen Bruder an, um ihm so konsterniert wie ich war diese Geschichte zu schildern. Mit seiner Art zu denken und seiner Wortgewandtheit war er der Richtige, um meinen Schockzustand zu begreifen und schnell wieder loszuwerden. Das klappte auch, er rückte meine Gedankenwelt wieder zurecht und nun sind wir beide gespannt, ob sich noch einmal jemand meldet.
Ich schätze jedoch, dass mein Gesicht trotzt maximaler Beherrschung Bände sprach und dieses Gespräch wohl der letzte persönliche Kontakt zu diesem Unternehmen war.
Was ich daraus gelernt habe: Es gibt noch immer Unternehmen, in denen Professionalität nicht viel gilt und moderne Führung und zukunftsweisende Unternehmensstrategien nur leere Worte sind. Sie selbst nehmen sich sicher ganz anders wahr. Leider ist ihr Verhalten oft Alltag und die wenigsten Menschen haben am Ende eine echte Wahl den Job wirklich abzulehnen oder aufzugeben, so viel Alternativen stehen nicht bereit. Man nimmt lieber dieses fragwürdige Verhalten in Kauf.
So bricht der Kreislauf nur langsam auf, der uns behindert und zu unserem oft eben auch negativen Arbeitsleben führt. Ich erlebe das häufig und auch von Freunden aus anderen Branchen höre ich nicht viel Besseres. Ist also noch ein langer Weg.
Mehr bei EDITION F
Zehn Fragen, die du im nächsten Bewerbungsgespräch stellen solltest. Weiterlesen
Plötzlich Chefin – so gibst du als neue Vorgesetzte effektiv Feedback. Weiterlesen
Mit diesen sechs Schritten wird jedes Bewerbungsgespräch zum Erfolg. Weiterlesen