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„Da müssen Sie jetzt leider so durch“ – Warum Wechseljahre kein Tabuthema sein dürfen

Die Wechseljahre sind, mit Verlaub, zum Kotzen. Sie passieren, ohne Ankündigung und Bedenkzeit. Es würde helfen, wenn das Thema weniger tabuisiert würde, findet unsere Voices-Kolumnistin Fiona Rohde.

Es ist Winter. 5 Grad. Mir ist heiß. Ausziehen. Anziehen. Ausziehen. Wie im Frühjahr, wenn die Sonne hinter den Wolken auftaucht und verschwindet, kalt und heiß. Nur halt ohne Sonne. Das muss ziemlich witzig aussehen, denke ich mir dann immer. Weil es so absurd ist.

Nachts hingegen ist das nicht so lustig. Wenn ich wieder aufwache und die Bettdecke von mir wegtrete. Und dann einfach da liege und weiß, dass das jetzt wieder für eine Stunde so sein wird. Das Wachsein. Das soll in fünf bis zwölf Jahren besser werden. Oder in sieben. So habe ich es gelesen. Und niemand, exakt niemand hat dich auf das hier vorbereitet. Die Wechseljahre sind, mit Verlaub, zum Kotzen. Sie passieren ‒ ohne Ankündigung und Bedenkzeit. Und das hier ist erst der Anfang.

­In der Werbung gießen sie hellblaue Flüssigkeit in riesige Binden und man sieht Frauen, die Angst haben, Sport zu machen oder enge Sachen zu tragen, weil man ihre Blasenschwäche bemerken könnte. “Ich habe Angst, dass gleich etwas ganz anderes fließt”, sagt die Frau in der Werbung. Das Ganze soll lustig und locker klingen. Nimm XY und alles ist wieder in perfekter Ordnung. Das ist die Lösung im Werbespot. Und im realen Leben? Wo ist da der super Tipp, wenn der Körper plötzlich aus den Fugen gerät? Und die Psyche direkt mit?

Uups-Momente und andere Ärgernisse

“Erfahren Sie, wie man Uups-Momente beim Niesen vermeidet, warum man Meerrettich essen sollte und wie man mit einer Quietscheente richtig atmet!” steht in der Mail zu einem Buch, das Frauen während der Wechseljahre helfen soll. Uups-Momente also, die man mit Gummienten und Meerrettich bekämpft. Die nächste Mail zum Thema empfiehlt Rotklee.

Der Gegner von Rotklee und Entchen hat es allerdings in sichHerz-Kreislauf-Erkrankungen. Osteoporose. Depressive Phasen. ­­Schwund von Muskeln. Antriebslosigkeit und dünner werdendes Haar. Obwohl das Thema nach wie vor in unserer Gesellschaft eher totgeschwiegen wird, hat die Industrie die derart geplagte Frau längst erspäht und erfreut sich an den Umsätzen für Cremes gegen Scheidentrockenheit, Mittelchen gegen Schweißausbrüche und erschlaffende Beckenböden. Sowieso gibt es dieses Bild der Frau in den Wechseljahren. Sie hat Hitzewallungen, dazu eine trockene Vagina und Urin im Schlüpfer. Ja, herzlichen Dank auch!

Die Wechseljahre sind für viele ein Schreckgespenst. Auch für mich gab es immer die Frauen davor und danach. Wie durch eine Schleuse gingen sie alle hindurch – und kamen am anderen Ende verändert und gealtert wieder heraus.

Was kommt nach Sex und Reproduktionsfähigkeit?

Habe ich viel darüber gelesen? Nein. Ich habe wenig gefunden. Bis auf dieses Buch, wo die drei weiblichen Hormone als Charlie’s Angels dargestellt werden. Da habe ich direkt wieder aufgehört zu lesen. Warum immer dieser leicht humorige Umgang mit einem derart einschneidenden Thema? 

Magazine empfehlen Hormone, die auf die Haut geklebt, eingecremt, geschluckt oder was auch immer werden. Aber was, wenn man genau so etwas nicht nehmen darf? “Sie müssen da leider einfach so durch”. Also ohne Hormone ‒ hat die Gynäkologin gesagt. Und seitdem muss ich das wohl.

Ich spreche mit anderen Frauen und merke, dass sich nicht jede offen outen mag. Dass viele ihre Symptome noch herunterspielen. Nur wenige sind so offen, wie eine Freundin, die erzählt, dass sie immer dachte, in den Wechseljahren würde die Periode einfach ausbleiben – und stattdessen hat sie an manchen Tagen im Monat das Gefühl zu verbluten. Das hatte ihr so auch niemand gesagt.

Fakt ist: Noch immer wird das Thema tabuisiert. Weil sich Weiblichkeit eben so gut macht, mit einem schönen Äußeren und dazu dieser beeindruckenden weiblichen Fähigkeit, fruchtbar zu sein und Leben schenken zu können. Sex und Reproduktionsfähigkeit, wie die Deutschlandfunk Nova Reporterin Fanny Kniestedt mal recht treffend gesagt hat. Sex und Reproduktionsfähigkeit ‒ das ist scheinbar die Währung, die zählt. Kein Wunder also, dass sich Schweigen um einen hüllt, wenn man aus diesem Pott rausfällt. Dem Pott der Gebärfreudigen und Jugendlichen.

„Wen also wundert es, dass die Symptome des Klimakteriums oft nicht erkannt werden, wenn Frauen zur*zum Ärzt*in gehen, dass Frauen allein vor sich hin leiden und versuchen, einfach weiter zu funktionieren?“

Fiona Rohde

Das hier ist kein Nischenthema

Mittlerweile gibt es viele, die umdenken und die Wechseljahre als Befreiung der Frau feiern. Menopositivity. Ich finde das toll und lobenswert, aber wenn ich ehrlich bin: Für mich ist es keine Befreiung, mich mit all den körperlichen und psychischen Veränderungen anzufreunden, die schneller über einen kommen, als es damals die Pubertät getan hat. Und die das Leben schon in einigen Bereichen stark beeinflussen. Während einige Frauen wenig oder kaum Beschwerden haben, hat ein Drittel der Frauen starke Symptome, die den normalen Alltag einschränken und eine medizinische Behandlung sinnvoll machen. 

Es würde helfen, wenn man mehr darüber wissen würde. Und wenn der Gedanke an die Wechseljahre und all das etwas Normales wäre, weil eben alle Frauen das irgendwann durchmachen. Das hat die stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Dorothee Bär sehr schön formuliert. Auf die Frage eines Mannes in einem Interview, warum sie sich denn mit solchen “Nischenthemen wie den Wechseljahren” beschäftigen würde, sagte sie laut MDR: “50 Prozent der Bevölkerung sind für mich keine Nische”. Zumal unsere Gesellschaft immer älter wird und wir im Jahr 2025 weltweit über eine Milliarde betroffener Frauen haben werden.

Und das Wissen zu all dem fehlt nicht nur den betroffenen Frauen. So spielt das Thema in der Ausbildung von Gynäkolog*innen nur eine untergeordnete Rolle. Im Grundstudium Medizin wird es gar nicht behandelt. Das zeigt mal wieder, als wie wenig wichtig Frauengesundheit in unserer Gesellschaft erachtet wird.

Die Autorin Miriam Stein plädiert in ihrem Buch “Die gereizte Frau” übrigens dafür, den Begriff Wechseljahre durch Klimakterium zu ersetzen, da dieser “im Gegensatz zur ‘Menopause’ oder den ‘Wechseljahre’ nicht von über 300 Jahren Mythen und Missverständnissen geprägt [sei]”.

„Kein Mann würde das ertragen“

Wen also wundert es, dass die Symptome des Klimakteriums oft nicht erkannt werden, wenn Frauen zur*zum Ärzt*in gehen, dass Frauen allein vor sich hin leiden und versuchen, einfach weiter zu funktionieren?

„Wie kann man in so einer Zeit mit solchen technischen Möglichkeiten noch Menschen, die permanent sehr beeinträchtigende Beschwerden haben, erklären, sie müssten das aushalten, weil das etwas ganz Natürliches sei? Kein Mann würde das ertragen“, sagte die Autorin Miriam Stein in einem Interview mit der taz.

Deshalb sind alle heutigen Projekte, die dem Thema mehr Sichtbarkeit geben wollen, wie das von Miriam Stein, „Wir sind 9 Millionen“, absolut wichtig. Wir alle dürfen und sollten mehr darüber reden. Weil es normal sein sollte, dass man alt wird – und kein Versagen oder Verschwinden. Und dass die Wechseljahre auch nicht eine kurze Phase sind, durch die wir mal eben durchmüssen. Wenn man daran denkt, dass diese „Phase„ bis zu zwölf Jahre (zwölf!) dauert, dann sollte klar sein: Niemand sollte zwölf Jahre lang vor sich hin leiden, ohne das Gefühl zu haben: Hey, das geht verdammt vielen so. Und wir müssen uns nicht verstellen. Und nicht neu erfinden. Und vor allem dürfen wir uns nicht unsichtbar und wertlos fühlen.

(Ich wurde übrigens von Freund*innen gefragt, ob ich ein so persönliches Thema wirklich in einem Newsletter veröffentlichen möchte. Und ich denke: Ja, genau da. Weil ich hoffe, damit alle Frauen abzuholen, denen es ähnlich geht und auch die, die das noch vor sich haben. Und weil ich dazu anregen möchte, mehr und offen darüber zu sprechen.)

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  1. Danke. Einfach nur Danke. Das Thema ist wirklich ein Tabu über das man wenig bis keine Infos erhält. Außer zu Hormonen, da bekommt man sofort Auskunft plus verharmlosen.
    Es ist manchmal wirklich nicht einfach damit zu leben und trotzdem abzuliefern. Und die verdrehten Augen wenn man das anspricht motivierten nicht überhaupt was zu sagen. Bitte sehr gerne mehr zu dem Thema.

  2. Ich bin auch eine “Betroffene”, das An- und Ausziehen kenne ich genauso wie das nächtliche Bettdecken-Wegschieben…
    Und ich habe das Buch mit den “Charlie’s Angels” fertiggelesen. Über den Vergleich lässt sich sicher diskutieren, aber nach der Lektüre verstehe ich doch um Einiges mehr als davor, vor allem dass die Einnahme von (den richtigen!) Hormonen extrem wichtig und hilfreich und für die allermeisten Fälle OHNE nachteilige Wirkungen ist. Zumindest das sollte immer für den individuellen Fall abgeklärt werden, das sollte ein Muss für alle Gynäkolog*innen sein, darüber proaktiv aufzuklären!

  3. Großartig! Genau diese Texte brauchen wir,damit wir und die Nachfolgenden, einen offenen und ehrlichen Umgang mit dieser fordernden Lebensphase finden. Vielen Dank!

  4. Ich bin jetz 63 Jahre alt und wohl durch die Wechseljahre hindurch. Was aber bleibt sind schlechter Schlaf, Gelenkprobleme und Inkontinenz. Weil ich während des Wechsels keine richtig schlimmen, einschränkenden Symptome hatte und die “alte” Hormonersatztherapie für zu gefährlich hielt, habe ich nichts eingenommen.
    Mittlerweile habe ich einiges über die “neue” bioidentische Hormontherapie gehört (in Podcasts) und gelesen und denke, dass sie Sinn macht.
    Nun gibt es auch noch die “große Bioidentische Hormontherapie” (BHT), die nichts mehr mit der bioindenitschen BHT der Gynäkologie zu tun hat. Sie setzt schon bei den jüngeren Frauen an, die gesund leben und sich dennoch nicht gut fühlen. – So ging es mir als junger Frau auch und wenn ich damals schon darüber Bescheid gewußt hätte – und vor allem aber auch die Ärzte/innen (die auch heute noch nichts darüber wissen), hätte es mir jahrzehntelang wesentlich besser gehen können…
    Ich empfehle das Kapitel “Hormone” im Buch “Nährstofftherapie” von Dr. Helena Orfanos-Boeckel. Darin erklärt sie vor allem auch sehr gut den Unterschied zwischen bioidentischen Hormonen, die identisch sind zur molekularen Struktur menschlicher Hormone und den Hormon-Derivaten, die man z.B. mit der Pille einnimmt. – Dass das gar keine körpereigenen Hormone sind, habe ich hier zum ersten Mal richtig verstanden…
    Es bleibt uns Frauen wohl – wie so oft – nichts anderes übrig, als uns selbst schlau zu machen, unsere Ärzte auf Möglichkeiten hinzuweisen und Behandlungen einzufordern (dann informieren sie sich vielleicht auch). Und das, was wir gelernt und vielleicht auch am eingenen Körper als hilfreich erfahren haben, an andere – vor allem auch an junge Frauen – weiterzugeben.

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