Wir suchen uns unsere Namen nicht aus. Schade eigentlich, denn sie sind viel mehr als nur die Aneinanderreihung von Buchstaben – sie beeinflussen unsere Karriere, unser Umfeld, unser Leben.
Vornamen: Einfluss auf Schule, Job und Umfeld?
Die einzige Frage, die ich mir bisher bezüglich meines Namens gestellt habe, war die Tatsache, wie es passieren konnte, dass meine Schwester Helena und ich Lena heiße (Helena ohne He-). Irgendwie lustig, wie ich finde. Drehen kann ich daran nichts und will ich auch nicht. Ich bin nun mal Lena – kurz und knackig, einfach auszusprechen, ohne Schreibfehler-Fallen, ein typischer Generationen-Name. Ernsthafte Gedanken über meinen Namen mache ich mir erst dann, wenn mir mein Gegenüber sagt: „Ja, Lena passt. Du bist so eine richtige Lena“. Aus Neugierde will ich dann natürlich den Grund wissen, was denn so eine „richtige Lena“ ausmacht. Die Antwort: „Ich weiß es nicht, du bist es einfach“.
Es gibt meiner Meinung nach zwei Optionen, wie es dazu gekommen ist, dass ich mich zu einer „richtigen Lena“ entwickelt habe. Entweder es war purer Zufall, oder aber: Mein Name hat mein Leben mitbestimmt und dafür gesorgt, dass ich zu der Lena werde, die ich bin.
Laut BBC ist es genau das: Unser Name ist weit mehr als nur eine Aneinanderreihung von Buchstaben und beeinflusst unser Verhalten in der Schule, unsere Popularität sowie unsere Jobaussichten. Wie und warum? Dafür gibt es verschiedene Gründe:
1. Unausgesprochener Egoismus
Unausgesprochen und unbewusst fühlen wir uns zu den Wörtern und Namen hingezogen, die uns an uns selbst erinnern. Deswegen ist es laut BBC durchaus kein Zufall, dass es viele Zahnärzte („dentists“) gibt, die Dennis heißen.
2. Was assoziiert unser Umfeld mit unserem Namen?
Wenn wir an die RTL 2-Familie „Die Wollnys“ denken, mit Sylvana, Estefania, Sarafina, Loredana, Calantha und Co., können wir es leider nicht leugnen: Bestimmte Namen sind vorbelastet. Um den Ursprung für diese Vorurteile herauszufinden und den Zusammenhang zwischen Namen und sozioökonomischer Herkunft zu untersuchen, führte der Forscher David Figlio eine Studie durch. Er untersuchte Geschwisterpaare mit je einem Namen, der mit der Unterschicht in Verbindung gebracht wird (zum Beispiel mit der Silbe -isha oder mit Apostroph wie Du’Quan), sowie einem Namen, der nach Mittelklasse klingt. Die Kinder mit dem Namen, der nach Arbeiterklasse klingt, schnitten in der Schule deutlich schlechter ab als ihre Geschwister, mit Mittelklasse-Name. Figlio führte das darauf zurück, dass manche Namen nun mal mit bestimmten Eigenschaften assoziiert werden, diese sozusagen schon einen Rahmen vorgeben und die Kinder allein es nicht schaffen, dem entgegenzuwirken.
Viele Vornamen werden leider noch immer mit einem bestimmten gesellschaftlichen Status verbunden. Quelle: Unsplash | Ben White
Das Problem bezieht sich jedoch nicht nur auf Schulen. Von 2008 bis 2013 untersuchte Gregory Clark die Namen der 14.000 Studenten an der Oxford Universität und verglich sie mit den Namen der restlichen Bevölkerung außerhalb der Universität. Namen, die besonders häufig unter den Studenten auftauchten? Eleanor (sogar drei mal so häufig im Vergleich), Peter, Simon, Anna und Katherine. Weniger vertreten waren hingegen die Namen Shane, Shannon, Paige und Jade.
3. Aussprache der Namen
Je einfacher der Name auszusprechen und zu betonen ist, desto schneller kann sich das Kind in der Schule einleben. Macht der Lehrer bereits beim ersten Mal einen Fehler bei der Aussprache, bleibt dieser in der Klassengemeinschaft haften. Asiatische Amerikaner, die genau das erlebt haben, fühlten sich laut einer Studie einsam und isoliert. Auch nachdem die Lehrperson den Fehler wieder korrigiert hat, verschwindet diese Mikroaggression laut Figlio leider nicht:
„The fact that the name effects show up in a schooling setting, even after teachers have many opportunities for interactions with their students, suggests that this name-based judgment is slow to fade.“
4. Der Bouba-/ Kiki-Effekt
Eine Molly oder ein Leo wird anders wahrgenommen als eine Katie oder eine Tia. Warum? Weil Namen, so fanden Forscher von der Calgary Universität in Kanada heraus, bei denen man die Zunge abrollen muss, meist weicher und runder klingen und damit mit softeren Eigenschaften verbunden werden: offen, freundlich, lustig, anpassungsfähig, locker. Namen wie Ika, Karin, Kilian oder Kai, die eher scharf klingen, werden hingegen als aggressiv, wütend, reizbar und bestimmt wahrgenommen. Namen mit den Buchstaben „b“ und „u“ gelten damit als rund, Namen mit „k“ oder „i“ stehen dem mit Schärfe gegenüber.
Lernt die Person hinter dem Namen kennen! Quelle: Unsplash | Ben White
Ganz egal, welchen Nachnamen wir von unseren Eltern mitbekommen, und welcher Name auf unserem Ausweis steht: das Wichtigste ist doch, dass wir lernen, damit umzugehen. Heißt ein Mädchen etwa Luca oder Robin, was in Deutschland meistens als männlich gilt, ist es zum einem die Aufgabe des Mädchens, sich ihren Namen zu eigen zu machen und ihn so für sich zu definieren, wie sie sein will. Zum anderen ist es unsere Aufgabe, ihr dafür den nötigen Raum zu bieten, ihr unvoreingenommen gegenüber zu treten und die Person hinter dem Namen kennenzulernen – ganz ohne ein: „Ach echt?! Luca ist doch gewöhnlich ein Jungenname“.
Mehr bei EDITION F
Die leidige Namensfrage: Wie soll ich nach der Hochzeit heißen? Weiterlesen
Ich und Kinder? Die Realität klopft an. Weiterlesen
Warum die Schule uns nicht aufs Leben vorbereitet. Weiterlesen