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„Wenn du eine Idee hast und nicht gründest, weil du es dir nicht zutraust, verschenkst du dein Potenzial“

Die deutsche Gründer*innen-Szene ist weiterhin stark männerdominiert. Seit 2008 wurden gerade mal vier Prozent der Startups von Frauen gegründet. Da geht eindeutig noch mehr. Wir haben Gründerinnen gefragt, was sie anderen Frauen raten, die darüber nachdenken, ebenfalls ein Unternehmen zu gründen.

In dem Tempo erreichen wir Parität erst im Jahr 2139

Ein Unternehmen gründen – das scheint in Deutschland leider immer noch vornehmlich Männersache zu sein.  Zu diesem Ergebnis kommt zumindest eine Studie der Strategieberatung „Boston Consulting Group“ (BCG). Hierfür wurden die Personal-, Unternehmens- und Finanzierungsdaten von über 3.000 Startups aus Deutschland ausgewertet. Das Ergebnis: Nur vier Prozent der deutschen Startups wurden von Frauen gegründet, bei zehn Prozent waren es gemischte Teams und bei ganzen 86 Prozent rein männliche Gründer-Teams. Vier Prozent Gründungen von Frauen – diese Zahl ist verschwindend gering.

Wenn man jetzt wenigstens sagen könnte, es geht bergauf … Doch die Studienautor*innen sind zu einem weiteren frustrierenden Ergebnis gekommen: Geht es in diesem Tempo weiter, erreichen wir Parität in deutschen Startups erst im Jahr 2139. „Die Veränderungsdynamik in der Geschlechtervielfalt deutscher Gründer*innen-Teams geht gegen Null. Wenn wir das nicht ändern, verschließen wir nicht nur Frauen die Tür in die Zukunft, wir verzichten auch auf ein großes unternehmerisches Potenzial“, schreibt Katharina Hefter von der BCG in der Pressemitteilung zur Studie.

Weniger Geld für Gründerinnen

Eine Erklärung dafür, dass bisher so wenige Frauen gründen, sieht die BCG darin, dass weibliche Gründerinnen weniger Förderung von Investor*innen erhalten. In der Studie wurde ermittelt, dass rein weibliche Startups eine 18 Prozent geringere Chance haben, nach der Gründung Investor*innengelder zu akquirieren. Und bei der Suche nach einem*r Hauptinvestor*in für das Unternehmen ist die Erfolgswahrscheinlichkeit sogar 25 Prozent geringer als bei männlichen Startups. Diese Ungleichbehandlung verstärkt sich in den darauffolgenden Phasen der Gründungsfinanzierung sogar.

Auch was die Höhe der Beteiligungen betrifft, sind Kapitalgeber*innen weiblichen Startups gegenüber viel zurückhaltender: Deutsche Gründerinnen erhalten nur knapp einen Drittel der Investitionsbeträge, die männliche Unternehmen im Durchschnitt akquirieren können. Die frustrierende Erklärung dafür: Laut der BCG-Studie bewerten Investor*innen weiblich geführte Unternehmen schlechter. Hinzu kommt eine systembedingte Ungerechtigkeit: Deutsche Venture-Capital-Unternehmen, die maßgeblich an der Finanzierung von Startups beteiligt sind, haben so gut wie alle eine fast ausschließlich männliche Chef*innenetage. Das Problem daran muss man wahrscheinlich nicht weiter erklären. „Männer geben Männern Geld. Diesen Mechanismus müssen wir durchbrechen. In der Konsequenz heißt das: Wir müssen das Thema Diversity auch auf die Kapitalgeber*innenseite treiben“, sagt Katharina Hefter von der BCG.

Unternehmen von Frauen sind erfolgreicher

Die geringe Anzahl von Unternehmen, die von Frauen gegründet wurden, und die ungerechte Verteilung der Investitionen frustrieren. Vor allem, weil weibliche Gründerinnen statistisch gesehen sogar erfolgreicher sind als männliche Unternehmer. Das zeigt eine weitere BCG-Studie aus dem Vorjahr. Frauen holen nämlich mehr aus dem investierten Geld heraus. Zudem würden sie sich laut dem „Female Founders Monitor“ eher an gesellschaftlichen Problemen orientieren sowie stärker auf Profit und Wachstum achten. Wir brauchen also nicht nur mehr Gründer*innen, damit die Unternehmenswelt gleichberechtigter wird, sondern auch weil wir sonst großes Potenzial brach liegen lassen.

Zeit also, zu handeln. Zeit, all den Frauen, die eine Idee, aber noch zu viele Zweifel haben, Mut zuzusprechen. Und wer könnte das besser als jene Frauen, die den Schritt zur Unternehmensgründung bereits gewagt haben? Deshalb haben wir Gründerinnen auf Instagram gefragt, weshalb die Welt noch viel mehr weibliche Unternehmerinnen braucht und was sie anderen Frauen raten, die sich überlegen zu gründen.

„Die Gesellschaft sollte nicht nur von Männern gestaltet werden, sondern von diversen, vielseitigen Persönlichkeiten, dazu gehören auch Frauen“

Verena Paul-Benz, Gründerin von Lovjoi

„Mein Rat für andere Gründerinnen: Sei mutig. Bleib dir und deinen Ansprüchen an faires Unternehmer*innentum treu. Glaube immer an dich selbst, denn das wird dir niemand abnehmen. Gerade in schwierigen Zeiten, wo es nicht so gut läuft und alle zweifeln, musst du diejenige sein, die dir selbst und deinem Team Rückhalt bietet.“

Kati Ernst und Kristine Zeller, Gründerinnen von Ooshi

„Es sollten noch viel mehr Frauen ein Unternehmen gründen, weil es so viele Produkte auf dem Markt gibt, die von Männern (für Männer) entwickelt wurden. Frauen haben nochmal ganz andere Bedürfnisse und Wünsche für ein Produkt. Die Gesellschaft sollte nicht nur von Männern gestaltet werden, sondern von diversen, vielseitigen Persönlichkeiten, dazu gehören eben auch Frauen.“

Lea-Sophie Cramer, Gründerin von Amorelie

„Mein Rat: Baut euch ein Netzwerk auf, redet mit so vielen Leuten wie möglich über eure Idee. Keine*r wird eure Idee klauen und sie selber umsetzen, denn die Leute haben andere Dinge zu tun und nicht die Passion dafür, eure Idee zu verwirklichen. Und geht unbedingt auf Pitch-Veranstaltungen, sprecht vor Investor*innen – selbst wenn ihr das Geld nicht annehmen wollt, ist das Feedback hilfreich, so könnt ihr abschätzen, ob sich euer Vorhaben lohnt, wie gut die Idee wirklich ist und was ihr anders machen müsst. Also pitcht, wo ihr nur könnt.“

Maxie Matthiessen, Co-Gründerin von FEMNA

„Frauen entwickeln tolle Produkte für Frauen und deshalb braucht es mehr Gründerinnen. Gründen ist wie Kunst: Man fängt mit einer Idee an und wenn sich diese materialisiert, hat man irgendwann das finale Kunstwerk vor sich – das ist ein unglaubliches Glücksgefühl und wenn das Produkt dann auch noch gut ankommt bei den Kund*innen, ist das das Höchste der Gefühle.“

Dr. Sophie Chung, Gründerin von Qunomedical

„Wenn du eine Idee hast und nicht gründest, weil du es dir nicht zutraust, verschenkst du Potenzial. Dein Potenzial, aber letztendlich auch für die Gesellschaft und die Wirtschaft. Deshalb müssen mehr Frauen gründen. Es kann nicht sein, dass nur so wenige Frauen geeignet sind zu gründen. Statt vier müssten 50 Prozent der Gründer*innen Frauen sein. Wir haben das vorhandene Potenzial noch lange nicht ausgeschöpft.“

Aimie-Sarah Carstensen-Henz, Co-Gründerin von Art Night

„Ich habe gleich zwei Tipps für andere Gründerinnen. Tipp 1: Ihr müsst Leidenschaft haben für das, was euer Unternehmen tut und auch eine Vision. Denn: Unternehmer*innentum ist eine Achterbahnfahrt mit ganz vielen Loopings – wenn ich nicht so viel Begeisterung für das hätte, was ich tue, dann wäre so manche Talfahrt noch schwieriger gewesen. Tipp 2: Habt immer einen Plan B und etwas Geld auf der Seite, das euch durchbringt, falls es erstmal nicht so läuft. So könnt ihr beim Gründen ins Ganze gehen, das funktioniert nämlich besser, als nebenher zu gründen.“

Lisa-Maria Reisinger, Gründerin von Femitale Label

„Gründe nicht des Geldes wegen, sondern aus dem Herzen heraus. Gründe, um die Welt ein Stückchen besser zu machen und deine Vision umzusetzen. Dadurch wirst du von einer Kraft angetrieben, die stärker ist als jeder Zweifel, jeder schlechte Tag und jede Angst. Ist dein Herz imstande, deine Vision zu fühlen, bist du dazu imstande, diese Realität werden zu lassen.“

Johanna Caspers, Gründerin der Why Akademie

„Als Gründerin kann man aktiv Dinge in dieser Welt verändern. Ich konnte mein Potenzial viel stärker ausschöpfen als in der Corporate-Welt, wo Frauen systematisch Chancen verwehrt werden. Klar war es hart und anstrengend, aber das Netzwerk an Frauen um mich herum bestärkt mich – wir Gründerinnen unterstützen uns gegenseitig.“

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