Das Onlineunternehmen Zalando strebt traurige Ziele an: Bis 2022 soll der Vorstand weiterhin eine frauenfreie Zone bleiben. Als Zielgröße für den Frauenanteil hat sich das Unternehmen eine Null gesetzt – und holt nun zwei Männer auf neu geschaffene Positionen in die Top-Etage.
Von wegen moderne Firmenkultur
Die wichtigste Zielgruppe für den Onlinehändler Zalando, der vor allem Kleidung und Schuhe vertreibt, sind: Frauen. Studien zufolge shoppen Kundinnen im Netz anders als Männer, verbringen mehr Zeit in Online-Shops, weil sie es auch als Freizeitbeschäftigung sehen, wollen sie sich inspirieren lassen und nehmen sich für ihre Kaufentscheidungen mehr Zeit. Unternehmen, die ihren Absatz steigern wollen, sind immer wieder gefordert, auf die unterschiedlichen Bedürfnisse und Nutzungsweisen ihrer Kund*innen einzugehen. Doch trotz signifikanter Unterschiede, gerade bei den Geschlechtern, domininieren in den Führungsetagen von E-Commerce-Unternehmen nach wie vor Männer – auch bei Zalando, das 2008 als junges, hippes Startup gegründet wurde, im Top-Team aber alles andere als modern wirkt, auch über zehn Jahre nach der Gründung.
Der Vorstand des Unternehmens bestand zuletzt aus drei Männern. Der Aufsichtsrat befand dann, so kann man im Geschäftsbericht 2018 nachlesen, die Zielgröße für den Frauenanteil im Vorstand auf eine ambitionierte Null zu legen. Die „schlanke Vorstandsstruktur“ aus drei Mitgliedern habe sich bewährt, heißt es dort weiter. Ganz untätig bleiben wollte der Vorstand jedoch nicht:
„Der Vorstand hat sich zum Ziel gesetzt, die Vielfalt in den Führungsebenen unterhalb des Vorstandes weiter zu erhöhen, insbesondere im Hinblick auf Berufserfahrung und Know-how, die angemessene Berücksichtigung von Frauen und Internationalität. Der Aufsichtsrat wird seine Entscheidung zum Diversitätskonzept im Rahmen seiner langfristigen Nachfolgeplanung regelmäßig überprüfen und in Zukunft ein Diversitätskonzept für den Vorstand entwickeln, wenn es sinnvoll erscheint.“
Angestrebter Frauenanteil: null
Der Aufsichtsrat, für den es in Deutschland seit 2015 eine Geschlechterquote von 30 Prozent gibt, besteht bei Zalando aktuell aus sieben Männern und zwei Frauen. Die vorgeschriebenen 30 Prozent beim Frauenanteil erreicht Zalando aktuell in diesem Gremium nicht, sondern 22 Prozent, genau die Zahl, die sich das Unternehmen als Zielgröße für den Aufsichtsrat gesetzt hat. (Wenn ihr an dieser Stelle lachen müsst … ja, wir auch.) Mit dem niedrigen Frauenanteil im Aufsichtsrat überrascht es wenig, dass der Aufsichtsrat zurückhaltend ist, sich für mehr Vielfalt im Vorstand auszusprechen.
Diese Zielgrößen setzt sich Zalando bis 2022: Quelle: Geschäftsbericht 2018.
In Deutschland sind Vorständinnen weiterhin eine Seltenheit. Unter den 160 Börsenunternehmen gab es 2018 in 110 davon keine einzige Frau im Vorstand. Der Männeranteil insgesamt lag bei 92 Prozent. 79 Firmen, die keine Frau im Vorstand haben, haben sich zudem für die kommenden Jahre (in der Regel bis 2022) entweder gar kein Ziel gesetzt oder aber das Ziel, einen Frauenanteil von 0 Prozent zu erreichen, das ergab die Auswertung der Allbright Stiftung „Die Macht der Monokultur“.
Zwei neue Vorstandsposten, zwei neue Männer
Was jedoch jetzt überrascht, sind die neuesten Personalveränderungen im Vorstand von Zalando. Ab dem 1. April 2019 soll der Vorstand von drei auf fünf Männer anwachsen. Die sich zuvor als „erfolgreich bewährt“ bezeichnete „schlanke Struktur“ darf nun dicker werden, aber nicht gleichberechtigter. So berichtet Gründerszene, dass David Schröder, der aktuell als „SVP Convenience“ angestellt ist, zum Chief Financial Officer aufsteigen wird. Jim Freeman, derzeit „SVP Engineering“, wird Chief Technology Officer.
Und ach, es stimmt ja, das Ziel, mehr Vielfalt ins Unternehmen zu bringen, hatte sich der Vorstand dem Geschäftsbericht zufolge nur für die Ebenen „unterhalb des Vorstandes“ gesetzt. Aber auch auf diesen Ebenen zeigt das Führungsteam von Zalando zu wenig Engagement, um mehr Frauen in Entscheider*innen-Positionen zu bringen. 11 und 16 Prozent weibliche Führungskräfte waren 2018 auf den beiden Ebenen unterhalb des Vorstandes zu finden – für den E-Commerce-Bereich, in dem sehr viele, sehr gut ausgebildete Frauen arbeiten, sind diese Zahlen ein Zeugnis von mangelndem Willen, Frauen nach vorn zu bringen und Macht zu teilen.
Doch es sind gerade die Neu-Berufungen in den Vorstand, die Zalando alt aussehen lassen. Junge Unternehmen, die ihre Vorstände erweitern, haben 2019 keine guten Ausreden mehr, um zu begründen, dass ihr Vorstand aus fünf weißen Männern besteht. Ganz besonders in der E-Commerce und Modebranche.
Klug ist diese Personalstrategie nicht – nicht nur im Hinblick auf Innovation in einem hart umkämpften Markt. Aber auch Kund*innen messen Unternehmen zunehmend auch an ihren ethischen Entscheidungen, wie fairen Arbeitsbedingungen für Produzent*innen und Mitarbeiter*innen, transparenten Handelsketten, umweltfreundlicher Produktion und Vertrieb – und auch Vielfalt und Gleichberechtigung im Unternehmen. Wie es um den Anteil von Frauen und anderen Menschen, die nicht weiße Männer sind, in Vorständen, Aufsichtsräten und Führungsebenen steht, lässt sich heute mit wenigen Klicks herausfinden – in deutlich weniger Zeit, als jemand aufbringt, um sich im Angebot der Online-Shops für die passende Jeans zu entscheiden. Ob die kaufkräftige Zielgruppe der Frauen dauerhaft bei einem Boys-Club kaufen will?
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