Vor 40 Jahren kam das erste Baby zur Welt, das außerhalb des Körpers gezeugt wurde. Auf EDITION F erzählen Frauen von ihrem Weg durch die Kinderwunschbehandlung. Sophie* sagt nach vielen erfolglosen Versuchen: Ich mache so lange weiter, bis mir jemand sagt, dass es keinen Sinn mehr macht.
Sophie, 36:
„Schon als ich meinen heutigen Mann vor fünf Jahren kennenlernte, war mir bewusst, dass schwanger werden bei mir schwierig werden könnte: Ich hatte einige kleinere Unterleibsoperationen hinter mir, eine Bauchfellentzündung, ein Eingriff am Eierstock; darüber haben wir von Anfang an offen geredet, und wir haben tatsächlich nicht lang gewartet und probiert, ein Kind zu bekommen – wir wünschten uns das beide. Kurze Zeit später hatte ich eine Eileiterschwangerschaft, die schon fast drei Monate fortgeschritten war; bei der Not-OP musste mir ein Eileiter entfernt werden. Die Chancen auf eine Schwangerschaft waren so natürlich weiter gesunken, wir beschlossen, es ein Jahr lang noch zu versuchen und dann professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen – seit zwei Jahren sind wir nun in der Kinderwunschbehandlung. Die Ärzt*innen dort empfahlen uns, gleich mit IVF anzufangen und nicht erst eine reine Hormonbehandlung oder Insemination zu probieren – denn es könne gut sein, dass auch der zweite Eileiter nicht mehr oder nicht mehr ausreichend arbeitet. Und das einzige, was einem niemand wiederbringen kann, so schmerzhaft es ist: Zeit.
Um das Medizinische kurz zusammenzufassen: Wir hatten bisher zwei „Frischversuche“, mir wurden also nach einer zweiwöchigen Hormonstimulation Eizellen entnommen, außerhalb des Körpers mit den Spermien meines Mannes befruchtet und wieder eingesetzt; und demnächst steht der dritte „Kryo-Versuch“ an, das sind Versuche, bei denen eingefrorene Eizellen, die bei den Frischversuchen übrig geblieben sind, eingesetzt werden.
Nach jedem gescheiterten Versuch: sofort weitermachen
Wir haben keine medizinische Erklärung dafür, warum es bisher noch nicht geklappt hat. Wir sind eigentlich regelrechte „Bilderbuchpatient*innen“, das Sperma meines Mannes ist gut, meine Eizellen reifen gut, es sind immer zehn bis 15, die entnommen werden können, viele davon lassen sich befruchten und teilen sich gut; ich vertrage die Medikamente relativ gut.
Ich wollte nach jedem gescheiterten Versuch immer sofort weitermachen, war richtig getrieben, einen Tag heulen und am nächsten Tag wieder von vorn; es war mein Mann, der mich bremsen musste. Er war es, der sagte, er bräuchte erstmal Zeit, das zu verarbeiten, und dass es wichtig sei, die Kontrolle zu behalten, Kräfte zu sammeln, zur Ruhe zu kommen, sich nicht in einen Strudel des ,immer weiter‘ hineinreißen zu lassen. Das würde ich auch jedem Paar raten: zwischendurch Phasen einbauen, in denen man bewusst keine Versuche macht, sondern sich fragt, wo man gerade steht und ob der eingeschlagene Weg der richtige ist.
Im Netz: Horrorszenarien und Eso-Kram
Was mir bis heute fehlt, ist die Möglichkeit, an wirklich gute und authentische Informationen zum Thema künstliche Befruchtung zu kommen – von der Kinderwunschklinik sollte man keine emotionale Unterstützung erwarten, die kümmern sich ums Medizinische, halten dir aber nicht das Händchen, wenn du mal wieder psychisch am Boden bist, auch wenn man natürlich Glück haben und an ein*e einfühlsame*n Ärzt*in geraten kann.
Ich habe tage-und wochenlang in diesen grässlichen Warteschleifen der IVF-Zyklen jedes Forum durchforstet, das ich finden konnte, habe alles über Akupunktur und Kräuterbehandlungen gelesen, da sammeln sich natürlich Horrorszenarien und der ganze Eso-Kram, furchtbar. Aber ich habe, wie wahrscheinlich alle Frauen in meiner Situation, eine so große Sehnsucht nach Antworten. Ein Portal oder eine Seite, die einen guten Mix aus medizinischem und persönlichem Blick auf das Thema bietet, habe ich bis heute nicht gefunden.
Der Start der EDITION F-Serie
Am 25. Juli 1978 wurde in Großbritannien Louise Joy Brown geboren, das erste Retortenbaby der Welt, gezeugt außerhalb des Körpers. Mittlerweile gibt es Millionen Kinder, die so entstanden sind – doch für jedes Paar, jede Frau ist eine Kinderwunschbehandlung bis heute eine Zeit voller körperlicher und seelischer Herausforderungen. Und von politischer Seite wird vielen Paaren bis heute die Unterstützung verweigert. Weiterlesen
Ich habe riesiges Glück, dass unsere Partnerschaft durch das, was wir gerade gemeinsam durchmachen, stärker wird; natürlich ist unsere Beziehung phasenweise sehr belastet, aber auch wenn das klischeehaft klingt: Diese Erfahrung hat uns näher zusammengebracht. Wenn du vier oder fünf Sitzungen hinter dir hast, bei denen du gemeinsam auf einen Bildschirm starrst, auf dem du siehst, wie dir die befruchteten Eizellen in die Gebärmutter eingesetzt werden, und dein Mann hat dabei Tränen in den Augen, dann macht das was mit einer Partnerschaft.
Permanent das Signal: Ihr seid doch nicht normal!
Was ich als stärkste Belastung empfinde, ist die ständige Konfrontation mit dem Thema ungewollte Kinderlosigkeit, das ist einfach immer da, es prägt unseren Alltag. Permanent wird uns signalisiert, dass ein gut situiertes Paar Mitte dreißig ohne Kinder irgendwie nicht ganz normal ist. Das sind kleine Begebenheiten, etwa wenn sich jemand wundert, dass „nur Sie beide“ zusammen ein Haus bewohnen; in unserem Freundeskreis bekommen viele jetzt schon das zweite Kind. Ich bin nicht neidisch, jedes dieser Kinder ist ein Wunder, das weiß ich, aber es sieht so leicht aus, als würden sie nur mit dem Finger schnippen, und das macht es für uns umso schwerer.
Und natürlich ist da manchmal diese schiere existentielle Angst: Was ist, wenn es nie klappt? Was ist, wenn ich meinem Mann die Erfahrung, ein Kind großzuziehen, vorenthalte? Eine Erfahrung, die er mit einer anderen Frau womöglich gehabt hätte? Ich weiß, das klingt komisch, aber diese Gedanken sind einfach manchmal da. Seit Jahren ist der Kinderwunsch das bestimmende Thema in unseren Köpfen und in unseren Herzen, du musst immer einen Spruch parat haben, wenn du von außen schon wieder nach Kindern gefragt wirst und nicht jedes Mal dein Seelenleben ausbreiten willst.
Wie können wir der Fremdbestimmung entkommen?
Wir sind jetzt in einer Schublade drin, nämlich das kinderlose Karrierepaar im Ausland. Vor einigen Monaten sind mein Mann und ich ins Ausland gegangen. Als ich das Jobangebot bekam, wollte ich es absagen und hab nur geheult, anstatt mich zu freuen. Mir wurde auf einen Schlag klar, wie sehr ich an der Hoffnung hänge, dass der nächste und wieder nächste Versuch klappt. Der Job im Ausland erschienen mir im ersten Moment wie eine neue Hürde, nicht wie eine neue Chance. Mein jetziger Chef wunderte sich, warum ich nicht direkt jubelnd zusagte. Ich dachte einfach: Ich schaff das nicht, die Kinderwunschbehandlung für mehrere Monate rauszuschieben und dann womöglich mit einer riesigen finanziellen Mehrbelastung im Ausland weiterzumachen. Mein Hauptgedanke war: Es wäre fahrlässig, zu warten, wir müssen doch weitermachen.
Aber dann haben wir eine schlaflose Woche drüber nachgedacht und entschieden, dass wir uns nicht so fremdbestimmen lassen können. Die Chance zum Auswandern kommt nicht so schnell wieder, und im Rückblick hat uns der Cut mit Deutschland auch aus der chronischen Trauer über unsere Kinderlosigkeit rausgerissen. Es war die richtige Entscheidung, wir sind glücklich in unserer neuen Heimat – auch wenn der Kinderwunsch nicht weniger geworden ist.
Allein ist das nicht durchzustehen
Klar, manchmal gelingt es auch, das Thema mit Humor zu nehmen – wenn im Zug mal wieder ein Kind eine Wutattacke hat und wir uns angrinsen und uns sagen, zum Glück haben wir nur Haustiere. Manchmal denke ich, unser Leben ist doch schön, so wie es ist, und alles Weitere wäre ein Bonus, aber ganz tief in mir drinnen kann ich mir ein Leben ohne Kinder nicht vorstellen. Ich will genau mit diesem, mit meinem Mann, ein Kind. Mein Kopf ist noch nicht bereit, die Möglichkeit, dass es nicht klappt, an mich heranzulassen. Wenn unsere finanziellen Mittel reichen, kann ich mir vorstellen, dass ich noch mehrere Jahre mit den Behandlungen weitermache, 40 ist so eine Art Altersgrenze für mich, die ich mir mal gesetzt habe – außer ein*e Ärzt*in sagt uns vorher, dass es keinen Sinn mehr macht.
Was ich auch jedem Paar raten würde: Das nicht allein durchzustehen. Einige enge Freunde ins Vertrauen ziehen, und die Familie, falls das Verhältnis eng ist; und immer wieder: miteinander reden, reden reden, und dabei ausloten: Wie fühlt sich der oder die andere, was macht die Behandlung gerade mit ihr oder mit ihm? Es ist wichtig, die Partnerschaft noch intensiver zu pflegen als sonst, denn wenn die zerbröselt, dann braucht es auch keine Kinderwunschbehandlung mehr.“
*Name von der Redaktion geändert
Protokoll: Lisa Seelig
Titelbild: Depositphotos.com
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