Der Einzelhandel ist ein hartes Pflaster. Zwei, die sich davor nicht scheuen und damit sehr erfolgreich sind, sind Dana Roski und Joyce Binneboese.
Denn sie wissen, was sie tun
Dana Roski und Joyce Binneboese führen den Wald-Store in Berlin-Mitte. Sie haben mit einem starken Konzept nicht nur eine Nische im Einzelhandel gefunden, während andere den Wandel in der Branche nicht überlebt haben, sondern stemmen bis heute die Finanzierung komplett aus eigener Tasche und arbeiten neben ihrem Vollzeitjob auch noch als Model und Stylistin. Zwei echte Powerfrauen also, die im Interview über ihren Alltag, den Zwiespalt zwischen der Öffentlichkeit und ihrem Privatleben und die Hürden, die sie täglich zu meistern haben, sprechen.
Wann habt ihr euch gefunden und wann kam dann der Wunsch auf, beruflich etwas gemeinsam aufzuziehen?
Joyce: „Ich habe bereits als Model gearbeitet und vor sechs Jahren ein Praktikum in der Styling-Agentur von Dana gemacht. In der Zeit hat Dana neben ihrer Arbeit als Stylistin auch begonnen, für einen Tag die Woche im ursprünglichen Wald-Store zu arbeiten und ich hatte dann auch Lust dazu. So kam es, dass wir nicht nur unter der Woche gemeinsam gearbeitet haben, sondern auch noch am Samstag im Laden. Wir mochten den Laden sehr, da er sich auch damals schon abgehoben hat. Und so führte eins zum anderen und wir haben ihn schließlich übernommen.“
Dass ihr einen schon bestehenden Laden übernommen habt, erleichterte sicher auch zu Beginn die finanzielle Situation, oder? Schließlich hattet ihr dadurch schon einen Kundenstamm.
Dana: „Das stimmt, sowohl von den Kunden als auch der stehenden Einrichtung haben wir profitiert. Und wir haben uns ganz bewusst dafür entschieden, auch den Namen weiterzuführen und mit dem zu arbeiten, was schon gegeben ist. Ich glaube, das ist auch unsere Art. Wir gehören beide nicht zu den Menschen, die in einen Raum kommen und sagen: ‚Wir machen jetzt alles anders’.
Wir respektieren unser Umfeld und so wollten wir auch die Mühe, die jemand zuvor in den Laden gesteckt hat, respektieren und haben uns gesagt: Hier fangen wir an und dann beginnen wir langsam, zu verändern und zu entwickeln. Wir machen den Laden nun einige Jahre und mittlerweile hören wir auch von früheren Kunden, dass wir uns so verändert haben. Aber das ging alles in kleinen Schritten. Ganz einfach auch, weil wir keinen Investor haben, der viel Geld in uns steckt. Wir finanzieren alles selbst. So geht alles langsamer und vorsichtiger und muss am Ende alles irgendwie Sinn machen. Und sich natürlich finanziell ausgehen. Wir sind vielleicht langsam; aber wir haben hier mit ganz vielen Läden angefangen und die gibt es alle nicht mehr. Es ist wirklich heftig, was in den letzten Jahren im Einzelhandel alles aussortiert worden ist, aber es ist eben echt kein einfaches Business.“
Joyce: „Allein in den letzten Monaten haben um uns herum bestimmt 15 Läden geschlossen.“
Foto: Jacob Olsson
Es ist schon auffällig, wie sehr ihr von Ketten umgeben seid. Was hat euch denn überleben lassen oder was hat bei den anderen nicht so gut funktioniert?
Dana: „Wenn du im Einzelhandel anfängst, muss dir erst einmal klar sein, dass die Idee eigentlich überholt ist. Dafür muss man sich nur die ganzen Ketten und Onlineshops ansehen. Wenn man das trotzdem machen will, dann muss man einfach etwas mehr liefern und ich glaube, die Bereitschaft ist nicht bei jedem da. Viele glauben, dass das wie der Verkauf eines Brötchens in einer Bäckerei läuft und die Kunden schon von alleine kommen. Aber das ist absolut nicht so. Warum wir noch da sind? Erst einmal sind wir beide absolute Kämpferinnen. Und wir wollen es einfach schaffen. Wir haben das hier nicht begonnen, um aufzugeben. Außerdem kommen wir beide nicht aus reichen Familien und was wir uns aufgebaut haben, das haben wir mit unseren eigenen Händen geschaffen. Da gibst du nicht so schnell auf. Wenn dann ein Sturm aufkommt, sagst du dir: Allright, der wird auch wieder vorübergehen. Dann werden einfach die Zähne zusammengebissen und durch.“
Aber vielleicht liegt es auch daran, dass ihr dem Laden ein Gesicht gegeben habt – das ist sicher ein wesentlicher Teil eures Konzepts?
Dana: „Genau das ist unser Wettbewerbsvorteil gegenüber H&M und Co: Dass wir als zwei reale Menschen hinter dem Laden stehen. Deshalb haben wir uns auch schon früh entschieden, die Vermarktung über uns laufen zu lassen. Das kann zwar manchmal krass sein, weil man Teil des öffentlichen Lebens wird und man oft eine Verschmelzung hat, die bis ins Privatleben reingeht, aber das macht uns eben besonders.“
Wie habt ihr euch eigentlich für den Shop aufgeteilt?
Joyce: „Wir machen gemeinsam den Einkauf, das ist uns auch ganz wichtig. Dana ist die, die ganz viele Ideen hat und diese am Computer umsetzt, zum Beispiel für unseren Onlineshop. Ich bin eher im Laden und habe dort auch eine ganz andere Beratungsfunktion. Wir sind wie Topf und Deckel, wobei Dana der Deckel und ich der Topf bin (beide lachen). Das passt einfach perfekt. Wo sie ihre Stärken hat, habe ich meine Schwächen und andersherum.“
Dana: „Eigentlich kann man es so zusammenfassen, dass Joyce offline und ich online arbeite.“
Foto: Jacob Olsson
Wie seht ihr eigentlich diese seit einigen Jahren laufende Abwanderung in den „Neuen Westen“ Richtung Potsdamer Straße – könnt ihr euch das auch vorstellen?
Dana: „Die Gegend hat sich schon nicht unbedingt zu unserem Vorteil entwickelt, das kann man ganz offen sagen. Wir beobachten das auch schon seit einer Weile und…“
Joyce.: „… ziehen unsere Schlüsse daraus.“
Dana: „Aber es gibt ja noch weitere Entwicklungen im Einzelhandel. Und unsere Aufgabe ist es, das im Auge zu behalten und das Konzept daran anzupassen. Für uns zeigt sich, dass das kuratierte Shopping immer wichtiger wird. Gerade bewegt sich ganz viel und wir überlegen, wo wir unser Plätzchen finden.“
Wird das Privatshopping bei euch denn viel genutzt?
Joyce: „Ja, total. Ich verbringe dabei erst einmal ganz viel Zeit mit den Kunden und lerne sie kennen, bevor ich sage: ‚Zieh das an!’ Denn das könnte auch jede andere gute Verkäuferin. Ich schaue erst einmal, was die Kundin beruflich macht, wo ihre Interessen liegen und wie sie sich wohl fühlt oder was sie eigentlich hervorheben möchte. Ich finde einfach raus, was sie sich wünscht und wo ihre Prioritäten liegen. Sonst fühlt man sich am Ende ja nur verkleidet. Das ist also eine Beratungsfunktion, die sehr lifestylebezogen ist. Und manchmal hat es fast etwas von einer psychologischen Beratung (lacht).“
Dana:“ Ja, das ist wirklich so. Wir nehmen die Stammkundinnen auch mit zum Sport oder gehen mit ihnen Essen. Wir haben Kunden aus allen Teilen Deutschlands und wenn sie in Berlin zu Besuch sind, dann gehen wir eben auch mit ihnen ins Restaurant oder ins Theater. Das ist auch der Grund, warum wir soviel Social Media betreiben: Die Kunden wollen einfach bei uns mitgehen. Sie wollen mit auf eine Reise genommen werden. Und das ist dann eben sehr persönlich. Einfach, weil sie wissen wollen, wie wir leben. Dann kommt es auch vor, dass zwischendurch ein Anruf einer Kundin kommt, die sagt: Ich habe dich bei Instagram mit diesem oder jenem Teil gesehen, das will ich bitte auch einmal.“
Wie seht ihr denn Unternehmen wie Outfittery oder Zalando, das nun auch eine Beratungsoption einführt?
Joyce: „Ich habe vor Oufittery, und was die zwei Frauen da hochgezogen haben, totalen Respekt. Aber das Konzept ist eben auf die Masse bezogen. Wir haben dagegen eine ganz bestimmte Anzahl an Kunden, die wir betreuen können und dann gibt es irgendwann eine Grenze.“
Dana: „Das personalisierte Shopping ist einfach die Zukunft und deshalb geht es da auch immer deutlicher hin. Was uns massentauglich macht, denn unsere Klamotten sind einfach teuer und nicht für jeden bezahlbar, sind unsere eigens produzierten Schmuckteile aus der Wald Collection. Die kann sich jeder leisten, der Teil von Wald sein will und genau das ist auch unsere Philosophie, denn wir wollen niemanden ausschließen.“
Joyce: „Das personalisierte Shoppen ist auch das, was mir am meisten Spaß macht. Denn wenn man mal überlegt, was man vom Leben haben will, dann ist es doch, am Ende des Tages einfach ein gutes Gefühl zu haben. Und meine Beziehung zu meinen Stammkundinnen, die fühlt sich gut an. Etwa ihnen Kleider auszusuchen, die dann wirklich zu Lieblingsteilen werden. Ich habe lieber einen zweistündigen Stammkunden-Termin als hundert Frauen im Laden. Weil ich mich dann besser auf die Person konzentrieren kann und die Frau am Ende mit einem hoffentlich breiten Lächeln rausgehen kann. Das macht mich und uns wirklich glücklich.“
Habt ihr manchmal auch damit zu kämpfen, dass andere denken, eurer Leben sei so easy und schön wie auf euren Instagram-Bildern?
Dana: „Ja na klar, vor allem mit der Vorstellung davon, dass wir beide zwei reiche Mädchen sind. Und das stimmt einfach überhaupt nicht. Gute Freunde oder Stammkunden sind schockiert, wenn sie das erste Mal mitbekommen, wie viel wir wirklich arbeiten. Joyce ist aktuell sechs Tage hier und ich sieben. Aber diese Vorurteile reich und nicht smart zu sein und von Papa Geld zu bekommen, kommen einfach auf, wenn man mit Mode oder mit etwas Oberflächlichem arbeitet. Unsere Eltern haben uns aber keinen einzigen Euro für den Store gegeben.
Am Ende ist diese schöne Instagram-Welt doch genau das, was die Welt sehen will. Das ist auch das Schwierige für uns. Denn manchmal geht es auch uns nicht gut oder wir sind müde, aber müssen dann trotzdem durchziehen. Denn wir verkaufen etwas, das im Grunde niemand braucht. Ein Schokoladenthema. Das muss vor allem gut tun und Spaß machen, um verkauft zu werden. Und als diejenige, die das verkauft, muss man das eben auch leben. Dafür muss man sich bewusst entscheiden. Aber das habe ich auch, ich hätte schließlich auch Biobäuerin werden können.“
Die Berlin Fashion Week steht an. Ist der Termin für euch wichtig?
Dana: „Ehrlich gesagt tut es mir für Berlin leid, dass selbst wir als Berliner Laden so unemotional der Fashion Week gegenüberstehen. Das liegt aber auch daran, dass wir viel unterwegs sind und wenn du in New York siehst, was da geht, oder auch in Paris, dann kommst du zurück und denkst dir: Ein bisschen mehr Mühe müssten sie sich schon noch geben, dass ich berührt werde. Ich würde mir für Berlin total wünschen, dass es funktioniert und dass man einen internationaleren Blickwinkel bekommt.
Die Stadt hat eine totale Chance. Wenn man im Ausland ist und sagt, dass man aus Berlin kommt, dann drehen die Leute durch. Das ist eine super Basis. Aber die Qualität fehlt uns leider. Die Qualität in alle Richtungen. Wenn man 50 Lookbooks am Tag bekommt, dann ist es schon ein Glücksfall, wenn wir uns die Lookbooks anschauen. Und das hat schon viel mit der Mail zu tun, und wenn es eine anonyme Massenmail ist, dann mache ich mir die Mühe nicht. Es sind Millisekunden, in denen so etwas entschieden wird. Bei den Einladungen zur Fashion Week ist es genau das gleiche. Wenn ich etwas verkaufen wollte, dann würde ich alles dafür tun, den Einkäufer von einem guten Laden zu überzeugen. Der Kunde ist der wichtigste Punkt in unserem Unternehmen und das merkt man bei vielen Berliner Designern nicht.“
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