In ihrer Kolumne „Familie und Gedöns“ schreibt Lisa über alles, womit sich Eltern so beschäftigen (müssen), diesmal: Urlaub machen mit Kindern.
Früher war mehr Glamour
Mit Kindern wird vieles schöner, manches unschöner, vor allem wird sehr vieles anders. Zum Beispiel Ferien.
Früher, da gab es eine Zeit, von der ich heute erzähle wie Opa vom Zweiten Weltkrieg. Ich habe am Flughafen von Teheran Blut und Wasser geschwitzt, weil ich ohne gültiges Visum einreiste; ich wäre auf dem Tafelberg fast verdurstet (hätte nicht ein feistes Münchner Golferpärchen feixend eine Flasche Weißwein spendiert, als meine Begleitung und ich nach vielen Stunden des panischen Herumirrens in flirrender Hitze wider Erwarten doch noch lebendig das Ausflugslokal erreichten); in Indien wurde ich beim Joggen am Strand von Kerala von einem Rudel wilder Hunde ins Meer getrieben wie das letzte Einhorn vom roten Stier; im marokkanischen Atlasgebirge zerschellte unser Mietwagen nur per Zufall nicht in einer der monströsen Schluchten; selten war ich der Beteiligung an einer ordentlichen Massenschlägerei so nahe wie während der Verhandlungen mit den Taxifahrern von Marrakesch; in Havanna habe ich in Spelunken, die kleiner waren als unsere Abstellkammer, den köstlichsten Hummer aller Zeiten gegessen.
Das sind Erzählungen aus einer Zeit, als zumindest noch ein Hauch von Glamour und Abenteuer in meinem Leben war.
Übertriebener Chloreinsatz im Kinderpool?
Heute gibt es neue Herausforderungen. Die aufregendste Frage meiner nächsten Reise wird sein, ob der Chloreinsatz im Kinderpool für den fiesen Hautausschlag des Kindes verantwortlich sein könnte; oder ob das Kind im Flugzeug seit einer Stunde durchbrüllt, weil das Nasenspray nicht zum Einsatz gekommen ist; oder wie man zwei Trolleys in Kommodengröße, einen Rucksack, eine Handtasche, zwei Buggys, zwei Kinderrucksäcke, ein riesiges Plüschwildschwein und nicht zu vergessen eine Strandmuschel im Mietwagen verstaut, wenn irgendein Vollidiot aus Budgetgründen nur einen Ford Fiesta gebucht hat. Zu wenig Stauraum ist the new Nahtoderfahrung.
Letztes Jahr hatte ich einen Versuch gemacht, mein altes Leben und das neue zusammenzubringen und eine Reise nach Israel gebucht – mit Kindern. Dann gab es Krieg und wir fuhren nicht. Ich habe etwas gebraucht, um mir einzugestehen, dass ich nicht der Typ bin, der alle Sachen einfach genauso macht wie früher, nur halt eben jetzt mit Kindern. Ich habe mal einen Artikel geschrieben über Eltern, die mit ihren Kindern durch die australischen Outbacks oder die argentinische Pampa reisen. Meine kaum vorhandene Frustrationstoleranz macht das leider unmöglich. Ich gerate bereits in der brandenburgischen Pampa an meine Grenzen und möchte den Wagen am liebsten gegen einen der zahlreich verhandenen Alleebäume lenken, wenn das Kind während der eineinhalbstündigen Autofahrt für zwanzig Minuten heult.
Malle statt Myanmar
Ich muss mich jetzt also anfreunden mit einem Fincaurlaub auf Mallorca. Auf der Website des Urlaubsanbieters habe ich bereits mit Grauen die 247 euphorischen Bewertungen gelesen, habe studiert, wie die Familien vom gemeinsamen Grillabend schwärmen und von den netten Kontakten am Frühstücksbüffet und „auf diesem Weg liebe Grüße an die Wuppertaler“ senden. Ich selbst bin auf Reisen ein Einzelgänger. Ich habe im normalen Leben mit ausreichend unterschiedlichen Menschen zu tun. Im Urlaub fürchte ich mich vor Small Talk am XXL-Buffet oder am Pool. Deshalb wird es auch in diesem Leben nicht passieren, dass ich aus Versehen einen All-inclusive-Urlaub buche. Behaupte ich zumindet jetzt noch.
Dummerweise funktioniert das mit dem Einzelgängerdasein auf Reisen mit Kindern nicht mehr. Denn die Kinder sollen sich ja möglichst fremdbeschäftigen, damit man endlich mal in Ruhe den aktuellen „Spiegel” lesen kann, und für die Fremdbeschäftigung eignen sich nun mal am besten die Kinder anderer Leute. Diese Form der Animation gibt es aber nicht umsonst, sondern nur für den Preis des Kontakts mit den Erziehungsberechtigten der anderen Kinder. Stichwort gemeinsame Grillabende.
Früher, das weiß ich noch ganz genau, habe ich auf Reisen immer ein bisschen verächtlich-mitleidig auf Eltern mit kleinen Kindern herabgeblickt und mir den nächsten Weißwein reingestellt, heilfroh, keine der impertinenten Rotznasen an der Backe zu haben, und keine Verantwortung. Jetzt habe ich die Seiten gewechselt und muss mich damit langsam anfreunden.
Am ärgerlichsten an der ganzen Geschichte ist ja: Gegen zwei Wochen Urlaub auf dem Bauernhof mit zwei Kleinkindern fühlt sich die Trekkingtour durchs Atlasgebirge im Nachhinein an wie zwei Wochen Wellness im Luftkurort. Auf die weltfremde Idee, Urlaub mit kleinen Kindern hätte etwas mit Erholung zu tun, kann nur kommen, wer keine Kinder hat. Aber was soll’s. Ich halte es ab sofort mit dem Leitspruch eines Kollegen meines Mannes, der eine Bundeswehrkarriere hinter sich hat: „Leben in der Lage“.
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