Kinder können das Glück auf Erden bedeuten. Und sie können ein wichtiger, geliebter Teile eines Lebens sein, das man so eigentlich nicht leben will.
Ich will zurück
Sie lieben ihre Kinder. Und empfinden ihre Mutterschaft zeitgleich als Last. Als eine Entscheidung, die sie, wenn sie noch einmal die Wahl hätten, lieber nicht getroffen hätten. Die Israelin Orna Donath hat in einer wissenschaftlichen Studie das Tabuthema bereute Mutterschaft untersucht. Ein Thema, das in der Forschung bisher kaum Aufmerksamkeit bekommen hat. Denn wenn die erste schwierige Zeit oder eine Wochenbett-Depression einmal überstanden ist, dann ist die Freude an der eigenen Mutterrolle doch selbstverständlich, oder?
Nein, das ist sie nicht. Frauen erleben Mutterschaft unterschiedlich. Was für die eine Erfüllung ist, ist für die andere ein Zugewinn und ist für die nächste eine Bürde, die sie zu tragen vermag und die dennoch auf ihr lastet. Wie sagt man, dass man seine Kinder liebt und sie dennoch lieber nicht bekommen hätte? Meistens gar nicht. Die Angst vor den Reaktionen von Familie und Freunden muss groß sein, ebenso wie die Angst, dass die eigenen Kinder mit einem Gefühl konfrontiert werden, das sie nie hätten kennenlernen sollen: Du bist eine Entscheidung, die ich gerne zurücknehmen würde.
Was wäre wenn?
Wobei dieses „du“ schon wieder vollkommen falsch ist. Denn in der Studie geht es den Frauen nicht um ihre Kinder, die sie lieben, sondern um die eigene Mutterrolle, in die sie sich nicht einzufühlen vermögen. Die es nicht mehr möglich macht, für sich alleine entscheiden zu können, die einfach nicht hineinwachsen in etwas, das doch so selbstverständlich scheint.
Die Soziologin befragte 23 israelische Mütter im Alter von Mitte Zwanzig bis 70 Jahren. Ihnen stellte Donath die Frage: „Wenn du die Zeit zurückdrehen könntest, würdest du mit dem Wissen und der Erfahrung, die du heute hast, Mutter werden?“ Und sie alle verneinten. „Ich könnte absolut darauf verzichten, Kinder zu haben“, sagt etwa Doreen (38) und Donath fragt: „Auf alle drei?“ Worauf sie antwortet: „Ja. Es tut schrecklich weh, das zu sagen und sie werden nie von mir hören, dass es so ist.“ Charlotte (44) beschreibt ihre Mutterschaft als „Auseinandersetzung mit dem nunmehr Unvermeidbaren.“
Wie gehen wir damit um?
Die Studie sorgt für viel Aufsehen und macht im Netz die Runde. Die Süddeutschen Zeitung beleuchtet im Zusammenhang mit Donaths Studie das romantische Mutterbild, ein kulturelles und historisches Konstrukt, das es für Mütter nahezu unmöglich macht, sich negativ über ihre Rolle zu äußern. Und in der Neuen Osnabrücker Zeitung schreibt Kolumnistin Corinna Berghahn, selbst Mutter, über ihr grundsätzliches Verständnis dafür, nicht aber, dass im Netz nun alltägliche Probleme unter dem Hastag #regrettingmotherhood auftauchen.
Denn auf Twitter herrscht seit Tagen ein reger Austausch, der sich zwischen Erschrecken und Erleichterung darüber einpendelt, dass ein wichtiges, bisher kaum beleuchtetes Thema auf den Tisch gepackt wurde.
Die zitierte Studie ist nicht repräsentativ und doch macht sie ein Feld für Diskussionen und Gedanken auf, die zuvor einfach nicht stattfanden – oder nicht stattfinden durften.
Die Frage ist, ob mit der Thematisierung der Studie wirklich einen Tabubruch geschafft ist oder ob es nicht viel mehr ein erster Anstoß ist. Wichtig ist, was passiert, wenn die erste Welle abgeebbt ist. Denn betroffenen Müttern – und im übrigen auch Vätern, die in den Beiträgen bisher kaum eine Rolle spielen und sicherlich ähnliche Erfahrungen aufweisen können – wird es nun wohl kaum leichter fallen, über ihre Gefühle zu sprechen. Zumindest wissen sie, sie sind nicht allein.
Was denkt ihr über das Thema?
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