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Not all heroes wear capes – Mutige Journalist*innen sind unverzichtbar für unsere Demokratie

Am 3. Mai ist Internationaler Tag der Pressefreiheit. Journalist*innen, die sich mit ihrer Arbeit in Gefahr bringen, gibt es viele. Zeit sie zu unseren Vorbildern zu machen, fordert Helen heute in ihrer Politik-Kolumne „Ist das euer Ernst”.

80 Journalist*innen kamen 2018 ums Leben

Morgen wird es genau drei Wochen her sein, dass Lyra McKee bei einem Aufstand in Nordirland von einer Kugel tödlich getroffen wurde – bei ihrer Arbeit als Journalistin. Am 3. Mai ist auch Internationaler Tag der Pressefreiheit. Und um diese ist es nicht gerade gut bestellt. Das zeigt unter anderem der Jahresbericht 2018  der internationalen Organisation „Reporter ohne Grenzen” (ROG): Mindestens 80 Medienschaffende sind im vergangenen Jahr weltweit getötet worden, 384 saßen zum Jahresende wegen ihrer Tätigkeit in Haft, 60 wurden entführt.

Und laut dem aktuellen Rangliste der Pressefreiheit, die Reporter ohne Grenzen zusätzlich vergangene Woche veröffentlichte, hat sich die Situation der Pressefreiheit in Europa und dem Balkan als zusammengefasste Region am zweitstärksten verschlechtert. Europa sei immer noch die freieste und sicherste Region für Medienschaffende, aber auch hier hätten sich tätliche Angriffe und sogar Morde ereignet, heißt es im Bericht von „Reporter ohne Grenzen”.  Außerdem fehle es Behörden an Aufklärungswillen. Als Beispiele dafür nennt die Organisation die Schüsse auf die Investigativjournalistin Olivera Lakic oder auch den weiterhin nicht aufgeklärten Mord an der maltesischen Journalistin Daphne Caruana Galicia. Aber auch die Angriffe auf Journalist*innen bei den Gelbwesten-Protesten in Frankreich und die Situation der Presse in Ungarn nennt ROG als Beispiele für diese Entwicklung. 

Deutschland ist in diesem Ranking zwar um zwei Plätze nach oben gerutscht nun nun auf Rang 13, das aber nur, weil sich die Situation in anderen Ländern verschlechtert hat. 2018 ist auch in Deutschland die Zahl der tätlichen Angriffe auf Journalist*innen gestiegen. So gab es 2018 mindestens 22 Fälle tätlicher Angriffe auf Medienschaffende (2017 zählte die Organisation 16). Die Angriffe auf Journalist*innen in Chemnitz im September 2018 stehen für ROG für ein „medienfeindliches Klima”, wie es zuletzt während der Hochphase von Pegida 2015 in Deutschland zu spüren war. Zudem wird die Integrität von Medien und Medienschaffenden immer wieder in Frage gestellt – nicht nur von Menschen, die „Lügenpresse“ rufen. So finden fast 25 Prozent der Befragten der im April veröffentlichten „Mitte Studie” der Friedrich Ebert Stiftung, dass Medien und Politik unter einer Decke stecken. Das ist circa jede vierte befragte Person – also deutlich mehr als die leicht zu belächelnde Anzahl der deutschen Aluhut-Träger*innen. Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt auch eine Langzeitstudie zum Medienvertrauen der Universität Mainz. In der Analyse des vergangenen Jahres stimmten 25 Prozent der Befragten der Aussage zu: „Die Medien arbeiten mit der Politik Hand in Hand, um die Meinung der Bevölkerung zu manipulieren.“ 

Die Partei, die die Pressefreiheit bedroht

Vor allem aus dem Spektrum der Rechtspopulist*innen nehmen die verbalen Attacken auf Journalist*innen und Medienhäuser zu. Und daran hat die AfD keinen geringen Anteil. Mit ihrer Politik sind sie schon heute eine riesige Gefahr für die Presse- und Meinungsfreiheit (auf die sie sich ja so gerne selbst berufen). Das machen manche Vertreter*innen der AfD immer wieder mehr als deutlich. Zum Beispiel, wenn sie unliebsame Journalist*innen, wie bei einer Pressekonferenz der Bremen-AfD, ausschließen. Wie ernst Vertreter*innen der Partei das meinen, lässt sich vor allem in internen Dokumenten nachlesen. So zum Beispiel in einem Schreiben des sächischen AfD-Abgeordneten Tino Chrupalla an seinen Görlitzer Kreisverband im Februar 2019, in dem er eine Schwarze Liste für Journalist*innen ankündigte: „Schwarze Liste für unseriöse Pressevertreter! Journalisten, die voreingenommen sind und eindeutig gegen uns arbeiten, werden aus unserem Verteiler gelöscht. Wir kündigen die Zusammenarbeit auf und verweigern in Zukunft die Weitergabe jeglicher Informationen.” 

Umso wichtiger ist die Arbeit der Journalist*innen, die über die Partei und ihre offenen und versteckten Verbindungen zur rechtsradikalen Szene berichten. Eine von ihnen ist Andrea Röpke. Sie berichtet schon seit Anfang der 1990er Jahre über deutsche Neonazi-Strukturen. In einem Interview mit dem ZDF wurde sie kürzlich gefragt, wie sie momentan ihre Arbeit empfindet. Ihre Antwort: „Als notwendiger denn je, aber auch als schwieriger.”

Journalistische Arbeit für die Pressefreiheit

Am Internationalen Tag der Pressefreiheit sollten wir uns diese Worte sehr zu Herzen nehmen. Denn wenn wir uns umschauen, gibt es viel zu viele alarmierende Beispiele dafür, wohin es führen kann, wenn die Pressefreiheit als selbstverständlich betrachtet wird und Angriffe auf sie nicht ernst genommen werden: In der Türkei sitzen aktuell immer noch 35 Journalist*innen in Haft, in Ungarn gibt es kaum noch freie Medien und in Österreich wurde die Entlassung des ORF-Journalisten Armin Wolf diese Woche von mehreren rechten Politikern gefordert, gerade weil er seinen Job gut macht und kritische Fragen stellt.

Die Berichterstattung über rechtsextreme Strukturen, rechtspopulistische Parteien, institutionellen Rassismus und ihre Verknüpfungspunkte gehört vielleicht zu den wichtigsten Aufgaben, die es momentan für Journalist*innen gibt. Dass die Partei nicht nur die Pressefreiheit bedroht, sondern auch das demokratische System insgesamt sowie die Rechte marginalisierter Gruppen, haben Recherchen und Analysen von Journalist*innen schon mehrfach gezeigt. Für diese Arbeit braucht es Expert*innen, die von Redaktionen die nötigen Ressourcen für ihre Arbeit zur Verfügung gestellt bekommen. Am Internationalen Tag der Pressefreiheit sollte es um all die Reporter*innen gehen, die ihre Aufgabe mit der größten Sorgfalt erfüllen, obwohl das für sie eine Gefahr bedeutet.

Ich wurde neulich gefragt, ob ich Vorbilder habe. In dem Moment habe ich die Frage verneint, weil mir keine glamouröse Antwort eingefallen ist. Vielleicht sind es aber genau die Journalist*innen, die täglich einen wahnsinnig unglamourösen Job machen, die die wichtigsten Vorbilder einer jungen Mediengeneration sein sollten. Von heute an gebe ich also eine andere Antwort: Andrea Röpke, you are my star.

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