Für ihre Idee, Kleidung online im Abo zu verleihen, wurden sie gefeiert, die Nachfrage war riesig – und trotzdem mussten Pola und Thekla nun die Insolvenz der „Kleiderei“ bekanntgeben. Wir haben mit den beiden gesprochen.
Der „Neverending Kleiderschrank“
Pola Fendel und Theklas Wilkening steckten noch im Studium, als sie im November 2012 in Hamburg die „Kleiderei“ gründeten – ihre Idee: Kund*innen sollten zukünftig genau die Kleidung, die sie sich wünschten, leihen können, statt ständig Neues kaufen zu müssen. Ein klares Statement gegen Wegwerfmode, eine Idee, die in den kommenden Jahren genau das widerspiegelte, was zumindest in den Filterblasen der Großstädte immer mehr Menschen wichtig ist: Nachhaltiger Konsum, Minimalismus, weniger wegschmeißen, weniger neu kaufen.
Die beiden starteten mit einem Laden in Hamburg und gründete später ihre Online-Plattform, auf der man sich für eine monatliche Pauschale Kleider aussuchen und zuschicken lassen konnte. Ende Februar haben die beiden das Ende der „Kleiderei“ in ihrer bisherigen Form bekanntgegeben. Wir haben mit Pola und Thekla darüber gesprochen.
Ihr habt ein sehr ehrliches und offenes Statement zum Ende der Kleiderei veröffentlicht …zum einen habe ich große Trauer und Enttäuschung rausgelesen, zum anderen aber auch einen gewissen Ärger. Ihr sagt: Es fühlt sich einfach furchtbar an, fast alle Gespräche über das Thema seien für euch frustrierend. Mögt ihr mir nochmal eure Gefühlslage rund um die Insolvenz der Kleiderei etwas näher beschreiben?
Pola: „Zum einen ist es genau, wie du sagst: die Diskrepanz zwischen allgemeinen Floskeln, die von außen kommen, und subjektivem Empfinden. Auch gut gemeinte Ratschläge oder Kommentare zur Normalität des Scheiterns fühlen sich falsch an, weil es für dich persönlich einfach nicht ,normal‘ ist. Normal war ja das Weiterlaufen der Idee.“
Thekla: „Pola bekam zeitgleich zur Insolvenz-Anmeldung ihr Baby, ich war mit der gesamten Auflösung allein — zwei Extreme, die dazu führten, dass wir beide erst Monate später Zeit hatten, zu verarbeiten, zu realisieren. Das Verlustgefühl und gleichzeitig das Erbe, also alles was bleibt. Da kam auch erst so langsam richtig das Stolzgefühl, das Verstehen, wie groß das eigentlich war.“
Ihr schreibt: „Zu uns passt es nicht, lange über etwas, was die Allgemeinheit mit dem Wahnsinns-Wort Scheitern abstempelt, zu sprechen“ – wie ist das gemeint, warum passt das nicht zu euch?
Pola: „Unser erstes Titelbild zierte in Großbuchstaben die Zeile ,Einfach machen‘ – wir wollten und wollen für Machen stehen, dafür, Ideen nicht nur zu haben, sondern auch auszuführen, für keine Angst vor dem Ausprobieren und dem Gründen. Dass wir Insolvenz anmelden mussten, heißt für uns nicht, dass wir oder die Idee gescheitert sind. Darum die Abneigung diesem Wort gegenüber.“
Ihr schreibt, es gab eigentlich zu viel Nachfrage als zu wenig – und: „Und so einfach ist es letztendlich, ein Startup in die Knie zu zwingen – egal, wie gut die Idee ist!“ Was bedeutet das?
Thekla: „,Einfach‘, weil wir eigentlich funktioniert haben und trotzdem nicht funktioniert haben. Heißt, wir hatten alles, was ein Business braucht; gute Idee, gute Zahlen, gute Leute. Das Problem war am Ende ,nur‘, dass zu viel Nachfrage mit einem Zu-wenig-darauf-vorbereitet-sein kollidiert ist – etwas, das im Vergleich zur Idee so unglaublich klein scheint.“
Ihr schreibt, es ist furchtbar…wegen der Kund*innen und der Angst, diese zu enttäuschen? Weil das Selbstbewusstsein angeschlagen ist und man sich Vorwürfe macht, man „habe es nicht geschafft“? Finanzielle Ängste? Oder das Bewusstsein, dass eure Idee so gut ist und so viele Leute begeistert, und es trotzdem zu Ende gehen musste?
Pola: „Was du als Letztes beschreibst, ist der äußere Schmerz, dieses Bewusstsein, es ist die beste Idee und wir müssen sie trotzdem beerdigen. Und dazu kommt der innere, ein sehr intimer Schmerz, weil es wegen all der Liebe, Energie, Zeit, Leidenschaft wehtut, unter die man einen Strich setzt. Auch wenn das alles natürlich nicht verloren ist, fühlt es sich im ersten Moment eben genau so an: furchtbar.“
Welche Reaktionen bekommt ihr derzeit und was bedeuten sie euch – im Positiven wie auch eventuell im Negativen?
Pola: „Einen Augenblick vor dem Öffentlichmachen hatte ich Thekla noch halb im Scherz geschrieben: Was, wenn niemand darauf reagiert? Ein sehr langer Text, eine sehr lange Zeit Funkstille von unserer Seite, was, wenn die Bedeutung der eigenen Idee doch nicht so weitreichend ist? Und dann wurden wir mit Nachrichten und Kommentaren voller Liebe und Dankbarkeit geflutet. Zu sehen, wie viele Menschen wir berührt und/oder begeistert haben, macht unglaublich glücklich. Und hilft natürlich sehr beim Weitermachen.“
Auf was freut ihr euch besonders in den nächsten Wochen und Monaten?
Thekla: „Auf alles Neue! Auf die Erfahrung, dass es auch nach einem Stolpern immer weitergeht, nicht als Floskel, sondern es im eigenen Leben tatsächlich zu spüren. Ich freue mich, der Welt durch Vorträge und Workshops zirkulären Konsum vorzustellen und die Idee des Kleider-Sharing mit ,stay awhile‘ weiterzuentwickeln; alle Learnings aus Kleiderei in der besten Weise zu nutzen — und deutschlandweit Frauen die Möglichkeit zu geben, anders konsumieren zu können.“
Pola: „Ich freue mich auf meine neue Heimat Wien, auf meinen neuen Job in einem Vintagestore und die Startup-Töpfe, in denen ich rühre und rühren werde.“
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