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Was würdest du deinem 18-jährigen Ich raten? Sechs Frauen antworten

18 – ein ganz schön aufregendes Alter. Wenn wir heute daran zurückdenken, egal ob es drei, zehn oder 20 Jahre her ist, würden wir unserem früheren Ich gerne ein paar Ratschläge geben. Persönliche und ehrliche Antworten aus der Redaktion von EDITION F.

Nochmal 18 sein …

18 – kein Alter steht symbolischer für den Übertritt von der Kindheit ins Erwachsensein. Das dachte sich auch die New York Times und veröffentlichte dieses Jahr ein multimediales Projekt, in dem 18-jährige Mädchen von überall auf der Welt fotografisch und in Interviewsequenzen festgehalten haben, was es für sie bedeutet, 18 zu sein.

Wenn wir hier in der Redaktion an diese Zeit zurückdenken, kommen die unterschiedlichsten Gefühle ins uns auf: Leichtigkeit, und Ungewissheit, die erste große Liebe und die erste große Trennung, das erste Mal schlechter Sex, das erste Mal guter Sex, Euphorie und Zukunftsangst, nicht wissen, wer man ist und lernen, wer man sein will. Bei manchen von uns ist 18 erst ein paar Jahre her, bei anderen schon zwei Jahrzehnte. Manche Dinge würden wir genauso wieder tun und einige Dinge hätten wir gerne schon damals gewusst. Zum Jahresende haben wir uns deshalb die Zeit genommen, unserem 18-jährigen-Ich jeweils einen kleinen Text zu schreiben, die wir hier mit euch teilen wollen.

Silvia, 32

Deine Sorgen, deine Ängste und deine vielen Fragen sind kein Zeichen dafür, dass du falsch tickst oder irgendwo nicht reinpasst, sie sind dein Antrieb, um dahin zu kommen, wo du hingehörst. Richtig zu sein ist ebenso ein Mythos, wie falsch zu sein – natürlich wirst du nie allen gefallen, wirst Dinge tun und sagen, die anderen aufstoßen, Dinge, die dir im Nachhinein selbst total idiotisch vorkommen. Du wirst dich tausend Mal auf die Schnauze legen, einstecken müssen, selber austeilen. Aber das gehört zum Spiel dazu. Du bist, wer du bist und das ist ziemlich grandios so. Mit allen Macken, Patzern, mit jeder Laufmasche, jedem Haarwirbel, jedem Talent, jedem unpassenden Wort und Lacher, mit jedem so richtigen Wort und Lacher und mit all den Menschen, die du in dein Leben holst und wieder gehen lässt, und jedem Ort, den du für dich erkundest auf der Suche danach, wo es sich richtig gut anfühlt. Sei dir sicher, auf dich wartet so viel Tolles, so viel Lachen, Liebe und schönes Leben. Ja, zwischendurch wird es auch richtig miese Tage geben, aber auch die gehen vorbei – und gehören einfach dazu. Genauso wie die vielen Fragen an die Zukunft, die dich weiter begleiten werden. Wichtig ist nicht, dass du immer alles gut machst, immer alles weißt und immer vorbereitet bist – sondern dass du den Mut und die Neugier nicht verlierst. Ach ja, und das wahrscheinlich Wichtigste zum Schluss: Nimm dich selbst ernst, wenn dir Menschen, Jobs oder Situationen Bauchschmerzen bereiten. Du musst da nicht durch. Du kannst einfach gehen, immer.

Helen, 28

Hi Helen,

als allererstes gebe ich dir einen Rat, den ich mir erst heute wieder gegeben hab (Spoiler: du bist also nicht besonders gut darin deine Unsicherheit zu überwinden): Mach dir nicht so viele Gedanken darüber, was andere über dich denken. Worüber du dir dafür ruhig schon mal mehr Gedanken machen kannst: das Patriarchat, intersektionalen Feminismus, Empowerment. Das Erste wirst du bekämpfen, der Zweite wird dein Handeln hoffentlich bestimmen und das Dritte wirst du tun müssen, damit sich was ändert. Apropos Empowerment: Schau dich bitte um, diese Frauen sind das Beste, was dir passieren kann. Sie sind für dich da – und das werden sie auch in zehn Jahren noch sein. Das ist verdammt großes Glück. Vertrau ihnen. Und versuche ihnen eine gute Freundin zu sein – das ist wichtiger als deine Befindlichkeiten, glaub mir.

Und versuche schnellstmöglich aufzuhören so pathetische Texte zu schreiben. Streiche außerdem das Wort „Powerfrauen” aus deinem Vokabular.

Gruß und Kuss

Helen

Judith, 23

Liebe Judith,

du weißt noch nicht, was toxische Beziehungen sind. Du kennst auch noch ein paar deiner Freundinnen nicht, mit denen du quälend lange Gespräche über eine WhatsApp-Nachricht führen wirst. Sie werden dir sagen, dass er ein fieser Typ ist und fragen, warum du überhaupt so viel Zeit an einen immer besoffenen Idioten verschwendest. Sie werden dir aber auch sagen, dass er unsicher ist und dass es natürlich etwas bedeutet, wenn er einsam an dich denkt. Du wirst Letzteres glauben. Und du wirst dich an Letzterem Festkrallen, wenn es zum zweiten Mal vorbei ist. Du wirst fluchen und schimpfen. Du wirst dich fürchterlich klein machen. Aber weil du nicht verletzlich, sondern furchtbar erwachsen sein willst, wirst du um vier Uhr nachts vor seiner Tür stehen und ganz unverbindlich sein. Spoilerwarnung: bist du nicht. Das ganze wird sich in einen widerlichen Abszess entwickeln, den du vor deinen Freundinnen verstecken willst und den du aber schön weiter mit ungesundem Nachrichten und Treffen füttern wirst. Und auch, wenn du den ganzen Eiter rausgedrückt hast, wird da eine hässliche Narbe zurückbleiben.

Triff dich nicht mit Anton.

Färb dir auch bitte nicht im Winter 2016 die Armhaare blond. Das wird elendig jucken, deine Haut reizen und nicht mal wirklich funktionieren.

Regel das mit dem BaföG-Antrag schneller. Ich meine, du kriegst Geld vom Amt geschenkt, dann verpenn halt nicht, die Formulare rechtzeitig abzugeben. Das sind im Monat knapp zweihundert Euro, die du geschenkt bekommst.

Rede dir bitte nie, nie, nie wieder ein, dass du für irgendwas nicht hübsch, nicht dünn, nicht schlau, nicht witzig genug bist. Je länger wir das fortsetzen, umso länger dauert der Prozess, das wieder abzubauen. Das ist nicht nur kräftezehrend für uns, darunter werden auch unsere Freund*innen leiden, nicht weil sie sich das nicht gerne anhören, sondern weil es echt hart ist, diese Gedanken aus dir rauszuquetschen und kaputt zu treten.

Investiere in Bitcoins. Pack da dein ganzes Abigeld rein. Zwischendurch wirst du denken: „Scheiße, was habe ich da getan.“ Aber lass dir eins gesagt sein: das Richtige.

Beantrage deinen Führerschein neu. Mittlerweile haben wir ihn seit vier Jahren verloren.

Besuche deinen Opa öfter.

Sprich den süßen Typen von der Uni an, dann muss ich das nicht machen.

Sei nicht so skeptisch gegenüber Gin. Sei skeptisch gegenüber Tequila. Immer.

Mach in deiner ersten WG einen ordentlichen Küchenputz. Direkt am ersten Tag. Bitte. Sonst wirst du irgendwann Maden in deinem Müsli entdecken.

Aber vor allem: kauf dir nicht diese hässliche, karierte Jacke im Second Hand.

Lisa, 39

Geh einfach nicht davon aus, dass du es mit 18 (oder mit 21; oder mit 24; oder mit 36…) auch nur ansatzweise allen Leuten recht machen kannst, sollst oder musst. Erst recht nicht, wenn du zum Beispiel dein erstes Praktikum machst und um dich herum lauter Dinosaurier des Geschäfts, selbsternannte Edelfedern oder Leute im Zenit ihres Schaffens Dienst schieben, die dich aus ihrer Perspektive relativ langweilig finden. Nimm das nicht persönlich, und versuche nicht verzweifelt, diesen Leuten unbedingt gefallen zu müssen; nicht immer diese Angst zu haben, dass du später in der Gosse landen wirst oder mindestens in der Langzeitarbeitslosigkeit, wenn du während deines zweimonatigen Praktikums nicht mindestens pro Konferenz einen brillanten Vorschlag für die „Seite Drei“ einreichst oder am Ende eine eigene Radiosendung hast; freu dich, falls zufällig eine Idee wirklich mal gut ankommt, und mach dir klar, dass all diese Leute um dich herum, die dich womöglich mit Desinteresse oder einer gewissen Gönnerhaftigkeit bedenken, alle mal genau so wie du angefangen haben. So abgelatscht es klingen mag: Das Leben ist Lernen, und vielleicht fängst du mit Anfang Dreißig ja mal so langsam an, zu merken, dass jahrelange Übung tatsächlich dazu geführt hast, dass du in manchen Dingen besser, weil einfach routinierter, sicherer, mutiger geworden bist. Nimm Kritik und ätzendes, nicht wertschätzendes Verhalten von anderen Menschen, denen du im Job-Kontext begegnest, nicht so schwer. Halte dich an die Menschen, die du liebst und die dich lieben, so wie du bist und die dauerhafte Begleiter*innen in deinem Leben sind; und an die, die du im Laufe deiner Ausbildung und deines Job-Lebens treffen wirst, die deine besonderen Talente und Stärken erkennen und Lust haben, dir dabei zu helfen, diese zu entfalten.

Aline, 21

Ich erinnere mich noch sehr genau an den Tag nach meinen letzten Prüfungen. Auf einmal hatte ich nichts mehr, auf das ich hinarbeiten konnte und ein riesiges Loch tat sich auf. Ich wusste einfach nicht, was ich jetzt mit meinem Leben anfangen soll. Manchen Mitschüler*innen war seit Jahren klar, was sie jetzt studieren wollen oder wo die Reise hingehen soll. Mir war schleierhaft, wie sie schon jetzt diese „Entscheidung fürs Leben“ treffen konnten. Denn ich stand hingegen da voller Panik, mich auf etwas festlegen zu müssen, dass mein Leben in eine bestimmte Richtung zementiert. Dazu kam fast täglich die Frage von irgendjemandem: „Und, wie geht es bei dir jetzt nach dem Abi weiter?“. „Keine Ahnung, sag du es mir“, hätte ich am liebsten geantwortet. Manchmal lag ich abends wach und wünschte mir so sehr in einer anderen Zeit geboren worden zu sein. Vor 100 Jahren am besten, als klar war, dass die Bäckerstochter auch Bäckerin wird. So sehr hatte ich mir gewünscht, dass mir die Entscheidung abgenommen wird.

Wenn ich mir meine Zukunft vorstellte, war mein Kopf leer – dachte ich zumindest. Wenn ich jetzt zurückblicke, waren da doch einige Vorstellungen, die in meiner Gedankenwelt herumschwirrten. Sie passten vielleicht nicht direkt auf ein Berufsbild, aber irgendwelche Träume von der Zukunft hatte ich doch schon. Tief in mir drinnen wusste ich auch damals, dass ich gerne unabhängig bin und viel von der Welt sehen will. In meinen Gedanken tauchten spannende Begegnungen mit Menschen auf, abgedrehte Erfahrungen und interessante Orte. Das Problem mit 18: In welchem Job wird das Realität?

Inzwischen habe ich verstanden, dass jeder Beruf viele Facetten hat und dass man darin sehr wohl auch utopischen Zukunftsträumereien verwirklichen kann. Direkt nach dem Schulabschluss ist es vielleicht noch schwer zu erfassen, welche Arbeit was genau mit sich bringt. Deshalb mein Tipp: Anstatt nach dem einen Beruf zu suchen, der haargenau alle Vorstellungen abdeckt, einfach mal in eine Richtung losmarschieren – der Rest wird von allein kommen.

Denn glücklicherweise leben wir nicht mehr wie vor 100 Jahren, wo der Beruf einen lebenslang festnagelte. Die Arbeitswelt hat sich weitergedreht: Noch nie waren wir so frei, uns unsere Traumberufe selbst zusammenzubasteln. Wir können an unterschiedlichen Orten in mehreren Berufen gleichzeitig arbeiten und von Projekt zu Projekt springen. Selbst wenn wir nach dem Schulabschluss als Weinbauer*in starten, können wir zwischendrin in die IT wechseln und letztendlich im Pharmawesen ankommen. Oder wir arbeiten zwei Tage die Woche bei der einen Arbeitsstelle, den Rest sind wir selbstständig. Es ist auf jeden Fall nichts ausgeschlossen, nur weil man zu Beginn einen Schritt in die eine Richtung gegangen ist. Vielleicht wird ja auch noch aus mir eine großartige Bäckerin – man weiß es nie.

Teresa, 34

Liebe Teresa,

die härteste Zeit ist fast vorbei. Glaub mir, wenn du 30 bist, wirst du nie wieder 18 sein wollen. Du wirst in den nächsten Jahren noch so viel lernen, dich selbst und deine Glaubenssätze in Frage stellen, auch wieder schlechte Erfahrungen machen, viele gute. Du wirst neue Freund*innen finden und alte loslassen müssen. Das wirst zu überleben. Du wirst Stück für Stück sicherer werden, ohne dich dafür coachen zu lassen oder Tipps zu mehr Selbstbewusstsein zu lesen – einfach dadurch, dass du älter wirst und jeden Tag einen Tag mehr auf dieser Welt bist.

Du brauchst keinen 10-Jahres-Plan. Nicht einmal einen für fünf. Es ist okay, ein Studium abzubrechen und zu erkennen, dass du etwas anderes willst, du noch andere Dinge kannst und dich etwas anderes glücklich macht. Vielleicht wurde dir eingetrichtert, dass du mit 18 all das schon wissen musst, aber das ist nicht wahr. Und all diese Dinge stimmen auch für 25 und für 30 und … Du wirst vermutlich 110 Jahre alt werden, wie vermessen wäre es, dein ganzes Leben schon so jung vorzuzeichnen? Gesteh dir zu, dich selbst zu überraschen. Nimm dir die Freiheit, wenig zu wissen und freu dich, dass nach Ende der Schule die Zeit beginnt, in der du sehr viel mehr mitbestimmen kannst, was du lernen möchtest.

Und zu guter Letzt: Niemand hat das Recht, etwas von dir zu erwarten. Je früher du dich davon frei machen kannst, desto besser. Es ist dein Leben.

Welche Ratschläge möchtet ihr eurem 18-jährigen-Ich geben? Wir freuen uns sehr, wenn ihr eure Tipps mit uns hier teilt.

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