Ich bin im fünften Monat schwanger und mir geht es beschissen. Warum ich es satt habe, die Schmerzen einfach weglächeln zu müssen.
Plötzlich war mir nur noch übel
Die ersten sechs Wochen war alles gut. Hätte ich nicht gewusst, dass ich schwanger bin, wäre es mir nicht groß aufgefallen. Alles war schön – bis es das nicht mehr war. Nach sechs Wochen und drei Tagen ging es los: gegen Abend wurde mir das erste Mal übel. Zu dem Zeitpunkt war es allerdings noch auszuhalten. Am nächsten Tag war mir schon ab mittags schlecht. Am dritten Tag dann ab dem Öffnen der Augen am Morgen. Quälende Übelkeit kannte ich noch gut von dem Norovirus, den meine Tochter mir vorletztes Jahr aus dem Kindergarten mitgebracht hatte.
Ich fühlte mich einfach hundeelend. Ich hatte keinen Appetit, schon der Gedanke daran, einen Schluck Wasser zu trinken, löste sofort starke Übelkeit und Würgereiz aus. Und dann kamen die Sätze, die mir gerade noch fehlten: „Du musst aber essen und trinken. Du musst schließlich an das Kind denken.“ Und weiter: „Du nimmst keine Folsäure und Schwangerschaftsvitamine? Das wäre aber sehr wichtig, damit das Baby keinen offen Rücken oder andere Missbildungen bekommt …”
Nein, die Schwangerschaft macht mich nicht glücklich
Immer wieder hörte ich aus meinem Umfeld die üblichen Floskeln: „Na ja, da musst du jetzt halt durch“, oder auch „Dafür wirst du ja bald ein Kind in deinen Armen halten“. Und plötzlich platzte es aus mir heraus, alles auf einmal: dass ich es scheiße fände, schwanger zu sein, dass ich mich nicht glücklich fühlte und auch nicht daran denken möchte, wie es wohl in neun Monaten sein würde, weil ich in dieser Situation, in mir und meinem Körper gefangen war. Und dass ich Gedanken an eine Abtreibung hegte, weil ich Angst hatte, dass es mir bis zur Geburt nicht besser gehen würde. Denn in Foren hatte ich gelesen, dass das durchaus passieren könne. Und ich konnte ja nicht wissen, ob und wann ich mich wieder besser fühlen würde, ob es mir nach den üblichen zwölf bis 14 Wochen besser gehen würde, denn das weiß niemand. Und schon die Aussicht auf acht Wochen in diesem Zustand, war nicht gerade rosig.
Alle waren entsetzt: Abtreibung, weil es einem nicht gut geht? Das sei jawohl die Höhe! An Derartiges dürfe ich noch nicht mal denken! Und wie könne ich denn behaupten, dass ich es hasse, schwanger zu sein?! Immerhin würde in mir neues Leben heranwachsen. Ich müsse gefälligst dankbar sein, dass meinem Körper dieses Wunder überhaupt gelungen ist.
Wir haben ein verklärtes Bild von Schwangerschaft
Ganz ehrlich, ich glaube es gibt auf dieser Welt nicht viele Dinge, die so unrealistisch und verklärt dargestellt werden wie die Themen Schwangerschaft und Geburt. Ich habe mir während meiner Schwangerschaft angewöhnt, jedem Menschen, der mich danach fragt, wie es mir geht, offen und ehrlich zu antworten, dass es mir scheiße geht. Und dass ich mir wünsche, nicht schwanger zu sein, mir aber natürlich bewusst ist, dass dies der (fast) einzige Weg ist, meiner Tochter noch ein Geschwisterkind und mir und meinem Mann das Glück eines zweiten Kindes zu bescheren. Und dass dieser Umstand nichts damit zu tun hat, dass ich mein Kind nicht lieben werde. Ich freue mich unglaublich auf die erste Wehe, weil ich weiß, dass es dann bald vorbei sein wird und ich endlich mein Kind in den Armen halten kann.
Die Geburt meiner ersten Tochter hat an einem Dienstag, abends um 20:30 Uhr mit einem vorzeitigen Blasensprung begonnen. Geendet hat sie zwei Tage später mit einer – im Fachjargon „spontan“ genannten (haha) Wassergeburt am Donnerstag um 10:07 Uhr. Der Moment, in dem ich meinen Körper wieder für mich hatte, war unglaublich schön.
„Stell dich nicht so an”
Während ich das schreibe, spüre ich das schlechte Gewissen, dass sich in meinen Körper bohrt, weil ich das so sage. Denn gesellschaftlich anerkannt ist es nicht, sich so zu äußern. Immerhin gibt es viele Frauen, die froh wären, schwanger zu werden. Und das alles gehört eben dazu, wenn man schwanger ist. Da muss man dann halt durch und da muss man sich nicht so anstellen. Nicht so anstellen?
Wenn ich morgens ins Büro komme, und erzähle, dass meine Tochter Magen-Darm-Grippe hat, sucht jede*r das Weite. „Hau mir bloß ab damit!“, oder „Oh Gott, steck mich bloß nicht an.“ Kein Mensch möchte sich bei so einem Virus anstecken, weil es natürlich total unangenehm ist und man sich so elendig fühlt. Aber wenn man sich MONATELANG so fühlt, als habe man einen Magen-Darm-Virus, dann soll man sich „eben nicht so anstellen“?! Sorry, aber das leuchtet mir nicht ein.
Und dieses müde Lächeln, wenn man mit dem Vorgesetzten spricht und sich auf unbestimmte Zeit krank melden muss. Toll, dass ich mir dann jetzt noch Gedanken darüber machen kann, wie ich es finanziell stemmen soll, falls ich durch die banale Schwangerschaftsübelkeit, die man nun mal in den ersten drei Schwangerschaftsmonaten hat, ins Krankengeld falle. Denn für jeden Monat, den ich mich im Krankengeld befinde, bekomme ich kein Elterngeld. Das sind so unfassbar tolle Aussichten, dass es mir direkt besser geht …
Warum unterstützen sich Schwangere und Mütter nicht mehr?
Und dann habe ich das Gefühl, dass gerade wir Frauen untereinander uns das Leben so schwer machen. Um diesen Eindruck zu bekommen, reichen Blicke in diverse Foren, die sich mit Schwangerschaftsübelkeit befassen. Besonders schön sind hier die Kommentare von Frauen, denen immerhin auch ständig übel war, die aber trotzdem ständig arbeiten gegangen sind, denn schwanger sein, ist ja keine Krankheit. Seriously?!
Aber es gibt zum Glück auch Verständnis. Das lässt mich hoffen, dass wir Frauen uns gegenseitig irgendwann einfach bedingungslos unterstützen. Egal, wie unterschiedlich unsere Schwangerschaften verlaufen und wie unterschiedlich belastend wir die Veränderungen unseres Körpers mit allen Nebenwirkungen empfinden.
Ich bin jetzt mitten im fünften Monat und meine Übelkeit ist fast komplett verschwunden. Allerdings nicht zuletzt durch ein Arzneimittel aus Belgien, das mich vor einem kompletten nervlichen und körperlichen Zusammenbruch gerettet hat. Auch dafür muss ich mir Vorwürfe anhören: Wie könne ich meinem Kind nur so etwas antun. Ein Mittel, dass es in Deutschland nicht gibt, das habe doch einen Grund. So ein Risiko aus dem puren Egoismus heraus, dass man nicht möchte, dass einem schlecht ist. Das kann tatsächlich kaum jemand verstehen.
Ich spreche nur noch ehrlich über meine Schwangerschaft
Ich bin dazu übergegangen, ganz offen zu kommunizieren, dass ich die Schwangerschaft als starke Belastung empfinde und ich auch deshalb keine Kinder mehr bekommen werde. Bei vielen Frauen spüre ich Erleichterung durch meine Offenheit, durch die eine offene Gesprächskultur zu diesem Thema entsteht. Sie reden sich dann ganz viel von der Seele, weil sie das Gefühl haben, es nun zu dürfen, denn ich habe ja angefangen offen auszusprechen, wie es wirklich ist.
Ich wünsche jeder Frau, dass sie eine schöne Schwangerschaft erlebt und die Zeit genießen kann. Aber ich wünsche mir auch eine ehrlichere Kommunikation zu dem Thema und Verständnis für Frauen wie mich, die sich dadurch einfach stark belastet fühlen. Und dass mir nicht gesagt wird, dass Frauen früher noch hochschwanger auf dem Feld gearbeitet haben und ich mich nicht so anstellen solle. Mittlerweile werden in allen Bereichen technologische Fortschritte sehr begrüßt, nur wir Frauen sollen in Bezug auf die Schwangerschaft bitte schön auch heute noch so belastungs- und leidensfähig sein wie Frauen vor 100 Jahren. Schluss damit!
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