Die mediale Repräsentation von Musliminnen ist meist recht einseitig – das wollen die Fotografin Ilayda Kaplan und die Filmschaffende Nilgün Akinci mit dem Projekt „Shades of Persistence“ ändern und auch zu mehr Toleranz gegenüber sowie innerhalb der muslimischen Community beitragen. Wir haben mit Ilayda über das Projekt gesprochen.
„Als Person ohne Kopftuch kann ich mir nicht ausmalen, welchen Problemen Betroffene ausgesetzt sind“
Frauen, die sich verhüllen, sind sehr unterschiedlich, was ihre Kultur, ihren sozialen Hintergrund, ihre Hautfarbe oder auch ihre Nationalität betrifft, sagt Fotografin Ilayda Kaplan. Nur kommt das, insbesondere in der medialen Repräsentation von muslimischen Frauen, kaum zum Ausdruck. Die 23-Jährige hat deshalb gemeinsam mit Nilgün Akinci das mediale Projekt „Shades of Persistence“ ins Leben gerufen, um auf die Diversität, aber auch auf die Konflikte innerhalb der muslimischen Community zu reagieren.
Denn während der Konflikt von außen oft durch Vorurteile gegenüber sich verhüllenden Frauen entstehen, so entstehen diese innerhalb der Community durch die unterschiedliche Auffassung darüber, wie es sich zu verhüllen gilt. Die beiden Frauen wollen zeigen, wie divers die Frauen sind und haben 14 Frauen im Alter von 20 bis 32 porträtiert, die ganz unterschiedliche Backgrounds haben, sich aber alle als Feministin und Hijabi bezeichnen und sich zu ihrer Religion bekennen.
Wir haben mit Ilayda Kaplan über das Projekt gesprochen.
Warum ist genau jetzt der richtige Zeitpunkt für dich, um das Projekt zu launchen?
„Meiner Meinung nach ist der Zeitpunkt jederzeit angebracht, da dieses Thema allgegenwärtig ist. Trotzdem bietet es sich super an, das Projekt vor allem jetzt publik zu machen. Die AfD ist mit 12,6 Prozent der Stimmen in den Bundestag eingezogen. Zu Zeiten des wieder aufblühenden und stärker werdenden Rassismus sehe ich es als eine Art Verantwortung, dem entgegen zu wirken, mit allem, was ich kann. Und deshalb ist es jetzt wichtig, gegen antimuslimischen Rassismus und Stereotype sowie Vorurteile von außen anzukämpfen. Aber das, was wir versuchen zu erreichen, ist noch komplexer. Das noch interessantere Problem findet im Kern der Hijabi-Community statt. Die Kommunikation des internen Konfliktes ist mir hierbei sehr wichtig. Ob es auch dafür der richtige Zeitpunkt ist, kann ich nicht beurteilen, da ich nicht wirklich Teil dieser Diskussion bin. Als Außenstehende kann ich nur das wiedergeben, was ich aufschnappe und was ich von Leuten direkt erzählt bekomme.
Als Person ohne Kopftuch kann ich mir noch lange nicht ausmalen, welchen Problemen Betroffene ausgesetzt sind. Dass diese durch Personen aus den eigenen Reihen verursacht werden, muss umso verletzender sein. Ich predige immer die Schwesternschaft unter den Frauen. Da wir als Minderheit durchgehen und uns als vermeintlich schwächeres Geschlecht in einer patriarchalen Welt zu beweisen haben, müssen wir zusammenhalten. Es muss ein bestimmtes Bewusstsein unter Frauen entstehen, um diese Hürden zu meistern.
Jetzt ist der richtige Zeitpunkt, um das Projekt zu launchen, aber er wäre es auch vor zehn Jahren gewesen und sicherlich auch noch in 20 Jahren – was ich natürlich nicht hoffe. Wir Menschen begreifen nur langsam und brauchen immer wieder eine Erinnerung.“
Du willst mit deinen Bildern für mehr Toleranz gegenüber der muslimischen Community beitragen – wie kann das gelingen?
„Die Bilder verbinden vieles, was die sehr streng-konservativen MuslimInnen, Islamophobisten, Gegner und sonstiges nicht im Einklang mit verhüllten Frauen bringen können: Eleganz, Selbstbestimmung, Schönheit, Intelligenz, Mode, Anmut, Feminismus. Aber auch eben Stellen einer Frau, die ihres Wissens nach verdeckt werden müssen. In den Fotografien finden sich Frauen wieder, die ihre Beine nur bis kurz unter den Knien bedeckt halten, Arme zeigen, Haare bewusst hervor blitzen lassen und ihre Schultern nicht bedecken.
Andere wiederum sind bedeckt bis auf die Hände, Füße und das Gesicht – das zeigt die Diversität. Verhüllte Frauen kann man nicht vereinheitlichen, jede von ihnen bedeckt sich anders. Hierbei war es uns auch wichtig, dass sich die ‚Modesty’, also eine gewisse Zurückhaltung, in jedem Bild wiederfinden lässt. Die Bilder sind teilweise provokativ, aber eben nicht zu lasziv, wodurch die Ernsthaftigkeit des Projekts verloren gehen würde. Eine gewisse Natürlichkeit und Authentizität war uns bei der Umsetzung wichtig. In Kombination mit den selbstgeschriebenen Texten der abgelichteten Frauen, in denen sie ihre Gedanken, ihre Interessen und ihre Erfahrungen verschriftlicht haben, werden die Bilder komplett.“
Was antwortest du jemandem, der sagt: Eine Hijab zu tragen deutet grundsätzlich auf die Unterdrückung der Frau hin?
„Ich würde der Person sagen, dass ihre Aussage absolut traurig und pauschalisierend ist und sie damit viele Kopftuchträgerinnen verletzen oder verärgern würde. Ich kann verstehen, dass Verwirrung bei dem Thema entsteht, aber das gibt keinem das Recht, derartige Behauptungen aufzustellen. Bei solchen Aussagen sehe ich leider nur die Schwäche des Menschen, nämlich Vorurteile zu bilden, bevor man sich schlau macht. Ich kann mir vorstellen, dass sich diese Menschen nur wenig oder gar keine Mühe gemacht haben, mit Hijabis zu sprechen oder ausreichend zu recherchieren. Das Problem liegt an der Bequemlichkeit der Menschen und dem großen medialen Einfluss. So entstehen viele voreingenommene Meinungen.
Ich antworte immer, die Frauen verhüllten sich, um ihren Glauben näher zu kommen und neugierigen Blicken zu entgehen. Im Koran steht, verhülle deine Reize. Wo diese anfangen und wo sie enden, bestimmt jeder selbst. Punkt. Ich kenne keine einzige Frau oder kein einziges Mädchen mit Kopftuch in meinem Umfeld, die der Verhüllung nachgeht, weil sie unterdrückt ist. Es sind alles intelligente, wunderschöne und anmutige weibliche Wesen. Genauso wie die Frauen, die beim Projekt mitgewirkt haben.“
Kannst du folgenden Satz beenden? „Wenn wir Frauen noch mehr zusammenhalten würden, dann …“
„… würde dem Kampf unter Frauen der Kampf angesagt und unser Leben mit sehr vielen Schwestern bereichert werden.“
Alle Artikelbilder: Sundus Photography
Mehr über das Projekt erfahrt ihr hier.
Unsere Interviewpartnerin Ilayda Kaplan.
Mehr bei EDITION F
Kopftuch-Debatte: Ein Kopftuch meldet sich zu Wort. Weiterlesen
Mein Kopf, meine Entscheidung: Weshalb sich der Feminismus mit dem Kopftuch versöhnen sollte. Weiterlesen
Juhu! Erstmals moderiert in Kanada eine Frau mit Hidschab die Nachrichten. Weiterlesen