Marie Schneegans wurde mit gerade einmal 21 Jahren zur Gründerin. Mit ihrer App „Never eat alone“ möchte sie Menschen die Freude an der Arbeit zurückgeben und hierarchische Strukturen durchbrechen. Wir haben mit ihr gesprochen.
Gründerin mit 21
Mit 21 Jahren wissen die meisten Menschen noch gar nicht was sie vom Leben und in ihrem Beruf wirklich wollen. Sie studieren, machen Praktika und sammeln generell erste Arbeitserfahrung, um herauszufinden, wo die Reise hingehen kann. Ähnlich war es auch bei Marie Schneegans, bis zu dem Moment, in dem sie auf einmal nicht mehr Studentin oder Praktikantin war, sondern eine eigene App entwickelte.
Aus der Einsamkeit der Mittagspausen erwuchs die Idee zu „Never Eat Alone“. Einer App, die es Arbeitskollegen in Großunternehmen verschiedener Abteilungen ermöglichen soll, sich miteinander zu verbinden, um eine gemeinsame Mittagspause miteinander zu verbringen. Nach gerade einmal zwei Jahren hat es Schneegans geschafft, 60 Unternehmen in ihre App zu integrieren und einen Marktwert von 14,6 Millionen Euro zu erzielen. Wir haben mit ihr darüber gesprochen, wie es genau zu der Idee kam und wie sie als junge Frau die Tech-Szene erlebt.
Als ich mir deinen Werdegang angesehen habe, war ich ziemlich beeindruckt. Du bist 23 Jahre alt und wurdest schon zwei Jahren zur Gründerin. Kannst du mir erzählen, wie es dazu kam?
„Ehrlich gesagt war es gar nicht mein Plan, Gründerin zu werden. Ich war damals Studentin und wollte unbedingt im Finanzsektor arbeiten. Deshalb kam es dazu, dass ich zu der Zeit ein Praktikum bei UBS, der größten Bank in Zürich machte. Und ehrlich gesagt war es mehr als langweilig. Die Kollegen dort haben kaum bis gar nicht miteinander agiert, ich habe immer nur dieselben Leute aus meiner Abteilung gesehen und habe häufig alleine an meinem Schreibtisch zu Mittag gegessen. Das Höchste der Gefühle war noch, dass ich mit einem Kollegen aus meiner Abteilung zusammen gegessen habe. Um etwas an dieser Situation zu ändern und wieder gerne zur Arbeit zu gehen, habe ich angefangen an die Türen der anderen Mitarbeiter zu klopfen und zu fragen, ob sie mit mir Mittag machen möchten.“
Und was war die Reaktion der Mitarbeiter?
„Am Anfang waren sie sehr überrascht, aber meistens sagten sie tatsächlich zu. Dank dieser Aktion habe ich viele neue Freunde gemacht, ich konnte mein Projekt vorantreiben und ich habe mein internes Netzwerk enorm vergrößert. Aber am Wichtigsten: ich bin wieder gerne zur Arbeit gegangen.“
Mehr Austausch im Team kann also schon viel dazu beitragen, dass man sich bei der Arbeit wohlfühlt. Wann kam der Moment, dass du aus dieser Erfahrung eine App machen wolltest?
„Ja das war auch definitiv eine Verbesserung. Nach einer Zeit sind meine Kollegen auch auf mich zugekommen und sagten: ‚Du hast mit dem Präsidenten der Bank zu Mittag gegessen. Kann ich mit dir kommen?‘. Das war der Moment, in dem ich mir dachte, dass ich aus dem Klopfen an Türen eine App machen möchte, sodass sich jeder in einem großen Unternehmen gleichberechtigt miteinander vernetzen kann. Also kurz gesagt, war es die Arbeitserfahrung in der Bank, die mich dazu gebracht hat, Gründerin zu werden. Von diesem Punkt an hatte ich auch für mich und mein Leben beschlossen, Mitarbeiter auf der Arbeit glücklicher zu machen. Ich möchte das Menschen gerne zur Arbeit gehen und sich darauf freuen!“
Ich kann verstehen, dass deine Kollegen beeindruckt waren. Hat es dich nicht wahnsinnig viel Mut gekostet, als Praktikantin die anderen nach einem gemeinsamen Mittagessen zu fragen?
„Als ich bei der Bank angefangen habe, hatte ich vorher beschlossen, dass ich neue Menschen kennenlernen möchte. Ich kannte die Regeln und Hierarchien des Unternehmens nicht, also war es gar nicht so schlimm und das Fragen hat sich recht natürlich angefühlt. Als ich also nur die Kollegen aus meiner Abteilung gesehen habe, habe ich mich zunehmend gefragt, was ich wohl alles lernen könnte, wenn ich noch andere Menschen treffen würde. Was ich alles über das Unternehmen erfahren können. Das hat mich angetrieben. Allerdings verstehe ich es auch, dass es nicht für jeden so einfach ist, wie es für mich war. Manche Menschen sind einfach ziemlich schüchtern und für diejenigen fühlt es sich auch nicht natürlich an, einfach auf Menschen zuzugehen. Als kleiner Tipp, bereitet euch einen kleinen ‚Icebreaker‘ vor, so ist die Anfangssituation lustig und weniger unangenehm. So habe ich es auch gemacht.“
Was ist denn ein guter „Icebreaker“?
„Der beste ‚Icebreaker‘ ist definitiv ein großes Lächeln im Gesicht!“
Marie, wie immer mit Hut, mit ihrem eigenen Team in der Büroküche. Bild: Romina Choun
Mittlerweile gibt es für euch schon recht viel Konkurrenz auf dem Markt. Was unterscheidet dich von den Anderen?
„Unsere App ist in jedem Land verfügbar. Wir arbeiten mit Kunden in Europa, Asien und den Staaten zusammen. Es ist also ein globales und internationales Produkt. Außerdem ist es eine mobile App. Wir wollten eine Anwendung kreieren, die sehr intuitiv zu benutzen, dabei aber evolutionär ist. Außerdem haben wir unsere App mittlerweile ausgebaut. Sie besteht nicht mehr nur aus ‚Never eat alone‘, sondern ist zu ‚Workwell‘ ausgebaut worden. Damit können Mitarbeiter sich jetzt nicht nur zum Mittagessen verabreden, sondern auch Mitfahrgelegenheiten zur Arbeit bilden, sich zum Sport verabreden oder Meetingräume buchen. Das ist etwas, das uns definitiv von den anderen Apps unterscheidet!“
Mit deiner App werden Menschen miteinander verbunden, die die gleichen Interessen teilen, aber bis zur Verabredung nichts über Position des anderen erfahren. Gelingt es euch so wirklich hierarchische Arbeitsverhältnisse, wenigstens in der Mittagspause auszublenden?
„Ich glaube tatsächlich daran, dass es einen großen Einfluss haben kann, wenn Menschen mit verschiedenen Hintergründen, verschiedenen Alters und verschiedener Positionen miteinander in Kontakt treten.“
Hast du dafür ein konkretes Beispiel?
„Klar. Wir hatten einmal den Fall, von dem ich weiß, dass jemand in einer hohen Position, ich glaube er war Präsident des Unternehmens, sehr an alten Autos interessiert war. Ebenso wie einer der Praktikanten. Also haben sich die zwei zum Mittagessen verabredet und am Ende hat der Präsident viel mehr vom Praktikanten lernen können als andersherum, da er schlicht mehr über das Themengebiet wusste. Außerdem haben die höheren Positionen so die Chance, die jüngere Generation kennenzulernen, zu verstehen, was sie beschäftigt und wie sie ticken. Das war der Moment an dem ich gemerkt habe, beide Seiten profitieren voneinander und haben auch noch Spaß daran.“
Ich habe gelesen, dass ihr eine Studie durchführen wollt, die die Effekte eurer App misst. Habt ihr dazu bereits Ergebnisse?
„Wir sind gerade dabei die Studie in Kooperation mit der Cornwell Universität in den Vereinigten Staaten zu starten, die Ergebnisse davon werden Ende diesen Jahres zur Verfügung stehen. Wir haben allerdings bereits eine eigene kleine Studie durchgeführt. Dabei haben wir herausgefunden, dass 80 Prozent der Mittagspausen zwischen Menschen aus verschiedenen Abteilungen und 75 Prozent zwischen Menschen unterschiedlicher hierarchischer Positionen stattfanden.“
Apropos Hierarchie, wie sind dir die Leute in eurer Anfangszeit begegnet? Du warst schließlich erst 21 und bis als Frau ja traurigerweise immer unterrepräsentiert in der Tech-Szene.
„Was ich am Anfang am seltsamsten fand, war die Abwesenheit von Frauen. Es gab in dieser Szene einfach kaum andere Frauen und daran war ich nicht gewöhnt. Während des Studiums war das Geschlechterverhältnis ausgeglichen, es war eigentlich immer 50/50. In der Tech-Szene gibt es allerdings gerade mal um die zehn Prozent Frauen. Es passierte also sehr selten, dass ich eine andere Frau in einem Techunternehmen traf. Das ist auch einer der Gründe, warum ich andere junge Frauen inspirieren möchte. Ich möchte ihnen zeigen, dass sie das gleiche wie ich erreichen können. Ich möchte, dass sie aufhören, zu denken ‚Ich kann das nicht, weil ich ein Mädchen bin.‘ Jeder und jede kann Gründer werden. Wir können alle voneinander lernen und einander inspirieren, egal welches Geschlecht wir haben. Und es ist ganz wichtig, dass wir anfangen die Grenzen in unseren Köpfen abzubauen, denn nur dort bestehen sie.“
Wo du gerade schon über Inspiration sprichst, welche Mittagspause hat dich eigentlich am meisten inspiriert?
„Einer der besten Mittagspausen, die ich hatte, war mit einer Frau, die bei ‚General Electric‘ gearbeitet hat. Sie war glaube ich doppelt so alt wie ich und hatte neun Kinder. Sie war jemand der wirklich hart arbeiten konnte, aber gleichzeitig für seine Familie da war. Das hat mich schwer beeindruckt und inspiriert.“
Hattest du eigentlich auch negative Erfahrungen bei den Treffen?
„Das ist eine gute Frage. Aber ehrlich gesagt, nein, ich hatte keine schlechten Erfahrungen. Es war eigentlich immer auf die ein oder andere Weise gut. Ich habe immer etwas gelernt. Manchmal hatte ich ein gemeinsames Mittagsessen mit den Kollegen aus der Rechtsabteilung, ich war mir vorher ziemlich sicher, dass es langweilig werden würde. Aber das war es ganz und gar nicht! Das hat mir gezeigt, dass man vorher nie wissen kann, was man lernen wird. Außerdem verbindet man sich ja durch seine gemeinsamen Interessen, beide mögen es zum Beispiel laufen zu gehen oder Yoga zu machen, also hat man dadurch schon eine Gemeinsamkeit. Und dann kann man über sein Arbeitsleben reden. Eigentlich findet man immer eine Gemeinsamkeit.“
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