Foto: Jörg Mettlach

„Man sollte keine Praktika machen, nur weil die im Lebenslauf gut aussehen“

Nina Korte ist Personalerin bei RWE Consulting für Studierende und Berufseinsteiger. Wir haben mit ihr über die Erwartungen von Recruitern und Lücken im Lebenslauf gesprochen.

 

„Macht Erfahrungen jenseits des Studiums!“

Sie hat täglich mit Bewerbungen zu tun: Nina Korte arbeitet als Recruiterin bei RWE Consulting und fokussiert sich hier auf Absolventinnen und Berufseinsteiger. Im Interview mit EDITION F erzählt sie, welche Erfahrungen im Laufe des Studiums besonders wertvoll sind, wie man diese in einer Bewerbung verpackt und auf welche Dinge sie bei Bewerberinnen und Bewerbern besonders achtet.

Wie wichtig ist der konkrete Uniabschluss eines Bewerbers für dich als Recruiterin? Ist RWE Consulting zum Beispiel nur an BWLern interessant?

„In welchem Fach der Bewerber seinen Uniabschluss gemacht hat, ist nicht unwichtig, es kommt aber immer auf den jeweiligen Kontext an und auf den jeweiligen Bereich, für den man sich bewirbt. In vielen Stellenausschreibungen werden ja bestimmte Studiengänge als Anforderungskriterium genannt, da werden dann speziell Wirtschaftswissenschaftler, Naturwissenschaftler oder Geisteswissenschaftler gesucht, oder es wird explizit nach einem Bachelor­ beziehungsweise Masterabschluss verlangt. Wir persönlich achten schon auf den Uniabschluss, sind aber offen, was die Studienrichtung angeht. Am Ende ist das Gesamtpaket wichtig: Studium, praktische Arbeitserfahrung, ehrenamtliches Engagement oder andere Nebentätigkeiten.“

Die Regelstudienzeit ist für viele Studenten eine kaum zu meisternde Hürde. Wie viel Wert legst du darauf?

„Wir achten schon darauf, ob die Bewerberin ihr Studium in der Regelstudienzeit abgeschlossen hat. Sollte das nicht der Fall sein, ist das aber kein Grund, den Bewerber direkt auszusortieren. Interessant ist dann natürlich, warum die Regelstudienzeit nicht eingehalten werden konnte. Viele machen ja bewusst ein Gap­ Year, oder Praktika, während oder am Ende ihres Studiums, gehen ausführlich auf Reisen, studieren ein Semester im Ausland, oder müssen schon während ihres Studiums arbeiten. Wenn wir nachvollziehen können, wie die Extrazeit verbracht wurde, wiegt das die verfehlte Regelstudienzeit oft wieder auf. Die Erfahrungen, die man in dieser Zeit sammelt, können sehr wertvoll sein. Wenn man in dieser Zeit allerdings einfach gar nichts gemacht hat, ist das im Zweifelsfall schon etwas problematisch.“

Wie genau schaut dein Unternehmen sich die inhaltlichen Schwerpunkte des Studiums bei einem Bewerber an?

„Die Studienschwerpunkte sind auf jeden Fall interessant für uns. Allgemeiner gesprochen: Es kommt immer auf die Position und den Bereich an, für den man sich interessiert. Studienschwerpunkte geben noch einmal einen anderen Blick auf den Bewerber frei, sie schärfen dessen Profil. Deshalb kann ich nur empfehlen, die Studienschwerpunkte im Lebenslauf aufzuführen.“

Wie ausschlaggebend sind Praktika? Wie viele sollte man während seines Studiums absolvieren? Und welche Art von Praktika sind besonders förderlich?

„Meine ganz klare Empfehlung: Macht Praktika während des Studiums! Das ist vor allem für euch selbst wichtig. Nur so könnt ihr herausfinden, was euch Spaß macht und was nicht. Man kann unterschiedliche Erfahrungen in unterschiedlichen Bereichen und Branchen sammeln. Eine Richtschnur, wie viele Praktika man machen sollte, gibt es dabei nicht. Wir haben Bewerberinnen, die während ihres Studiums zwischen fünf und acht Praktika gemacht haben. Das ist aber wirklich schon sehr, sehr viel. Ein bis zwei Praktika sollte man aber schon mindestens absolviert haben. Welche Art von Praktika sinnvoll sind, hängt auch wieder von einem selbst ab. Man sollte keine Praktika machen, nur weil diese auf dem Lebenslauf besonders gut aussehen. Wie gesagt, es sollte darum gehen, für sich selbst herauszufinden, wo man später hinmöchte – und wo eben nicht. Praktika sind auf jeden Fall sehr wertvoll.“

Welche Fremdsprachenkenntnisse sind für einen Bewerber unabdinglich?

„Wenn man für deutsche Unternehmen arbeitet, ist Englisch als Fremdsprache mittlerweile eigentlich Grundvoraussetzung, gerade in Zeiten von Globalisierung und multikulturellen Teams. Ansonsten kommt es sehr auf die konkreten Unternehmen und ihre Standorte an. Wir haben zum Beispiel Standorte in den Niederlanden und Tschechien. Dort setzen wir die jeweilige Landessprache voraus.“

Und wie sieht es mit Auslandserfahrung aus?

Auslandserfahrung ist für uns und andere internationale Unternehmen bei einem Bewerber sehr wichtig. Wir haben viele multinationale Teams, die standortübergreifend arbeiten. Durch Auslandserfahrung eignet man sich, unserer Meinung nach, andere Sichtweisen an. Diese Multiperspektivität wird für die Arbeit in unseren Teams benötigt. Ich kann deshalb nur jedem Studenten ans Herz legen, sich die Zeit zu nehmen, ins Ausland zu gehen. Egal, ob durch ein Auslandssemester, ein Auslandspraktikum, Work and Travel, ehrenamtliches Engagement oder einfach durchs Reisen. Dadurch eröffnet man sich andere Perspektiven, die für den späteren Berufsalltag gewinnbringend eingesetzt werden können.“

Stichwort ehrenamtliches Engagement: Wie wichtig ist das bei der Auswahl der Bewerberinnen?

„Für uns ist das kein Muss, aber uns fällt natürlich positiv auf, wenn eine Bewerberin sich ehrenamtlich engagiert hat. Es ist sicherlich ein ,Nice-­to-­have­Aspekt‘. Die Erfahrungen, die man dabei gesammelt hat, sind sehr wertvoll. Davon lassen sich  Qualifikationen wie Teamfähigkeit, Empathie, aber auch die Fähigkeit zu einem guten Zeitmanagement und die persönlichen Interessen der Bewerber ableiten.“

Wir haben ja schon über die Regelstudienzeit als Faktor gesprochen. Wie sieht es mit anderen Lücken im Lebenslauf aus: Sind diese ein No-­Go?

Lücken im Lebenslauf fallen uns auf jeden Fall auf und wir fragen nach den Gründen. Wenn der Bewerber eine gute Erklärung dafür hat, sind Lücken aber absolut kein Problem. Es gibt viele gute Gründe: eine länger dauernde Bewerbungsphase, ausdauernde Reisen, oder zum Beispiel die Pflege eines Angehörigen. Wichtig ist, dass man die ,verlorene‘ Zeit gut begründen kann. Wenn ein Bewerber das nicht kann, ist das schon problematisch. Ansonsten ist es wie mit der Regelstudienzeit: Solange man ehrlich ist und gut begründen kann, warum die Lücken im Lebenslauf existieren, ist es absolut in Ordnung. Uns ist ja auch bewusst, dass es oft gar nicht anders geht. Ein Tipp für Bewerber: Führt am besten schon im Lebenslauf auf, was ihr in der Zwischenzeit gemacht habt. Also zum Beispiel: Reise durch Lateinamerika. Dann hat der Personaler direkt eine nachvollziehbare Erklärung.“

Wie beeindruckt man dich als Recruiterin?

„Auf dem Lebenslauf beeindruckt mich immer, wenn Bewerber ihre gesammelten Erfahrungen gut darstellen können. Im persönlichen Gespräch finde ich es herausragend, wenn Bewerber eigene Fragen stellen. Das zeugt davon, dass man sich mit dem Unternehmen und der ausgeschriebenen Position auseinandergesetzt hat. Gute Fragen zeigen auch, dass der Bewerber tatsächlich ein persönliches Interesse an dem Unternehmen hat. Mich persönlich beeindruckt aber auch, wenn Bewerber kommunizieren, welche Motivationen hinter ihren einzelnen Stationen im Lebenslauf gesteckt haben, an welchen Stellen sie vielleicht auch gescheitert sind und was sie daraus gelernt haben. Dadurch wird ein Lebenslauf viel lebhafter und damit auch interessanter. Und ich als Personalerin bekomme einen viel besseren Einblick.“

Das Thema Bewerbungsfoto wird immer wieder heiß diskutiert. Wie stehst du dazu?

„Grundsätzlich ist ein Bewerbungsfoto bei uns kein Muss. Wir bekommen viele Bewerbungen ohne Foto, aber auch Bewerbungen mit Bild. Ich persönlich finde ein Bewerbungsfoto nicht wichtig, um einen Eindruck vom Bewerber zu bekommen. Ausschlaggebend sind schließlich die Kompetenzen und Erfahrungen des Bewerbers. Außerdem zeigt die Erfahrung, dass Bewerbungsfotos und die Realität sowieso oft auseinandergehen. Ich finde, Kandidaten sollten selber entscheiden können, ob sie ein Bewerbungsfoto mitschicken möchten, oder eben nicht.“

Gibt es noch einen Rat, den du Bewerbern mit auf den Weg geben möchtest?

„Aus eigener Erfahrung kann ich sagen: Setzt euch in Bezug auf die Regelstudienzeit und Lücken im Lebenslauf nicht unter Druck. Ich glaube, es ist wichtig, dass man Erfahrungen sammelt und vielleicht auch mal scheitert – damit man am Ende des Studiums auch nach links und rechts geschaut hat. Das sind Erfahrungen, die sich am Ende auf jeden Fall auszahlen. Ich kann wirklich nur dazu animieren, dass man die Zeit nutzt, um Praktika zu machen, sich ehrenamtlich zu engagieren, zu reisen und den Themen nachzugehen, die einen abseits des Studiums interessieren.“

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