Die Philosophin Rebekka Reinhard empfiehlt besonders Frauen, auch mal etwas einzusetzen, was für viele seltsamerweise einen negativen Beigeschmack hat: Macht.
Ist Macht eher männlich konnotiert?
Macht. MACHT. Ohnmacht? Auch bei mir ist tief verborgen ein negativer Beigeschmack bei diesem Wort und ich würde lügen, wenn ich nicht zugeben würde, dass ich „Macht“ lange Zeit eher mit männlich verbunden habe als mit weiblich. Auch wenn ich heute weiß, was ich will, was ich kann und was ich brauche. Und ich ertappe mich auch heute noch in Meetings dabei, wie ich die Männer reden lasse – auch wenn sie das bereits Gesagte nur schlau wiederholen, ich melde mich nicht als Erste, wenn es darum geht, eine Präsentation zu halten, ich rufe nicht sofort „Na klar“, wenn man mir einen Aufsichtsratsposten anbietet. Aber damit ist jetzt endgültig Schluss!
Rebekka Reinhard hat mit ihrem Buch „Kleine Philosophie der Macht (nur für Frauen)“ eine schlaue und dabei unterhaltsame Anleitung nicht nur für Frauen geschrieben, die sich mit dem Begriff der Macht auseinandersetzen, kritisch ihr eigenes Verhalten hinterfragen und besonders auch erfahren wollen, wie sie das Gelesene Schritt für Schritt im Alltag und natürlich im Büro umsetzen können – ich habe mit ihr über ihr Buch gesprochen.
Warum braucht es 2015 überhaupt noch dieses Buch?
„Weil Frauen bei ,Macht’ auch heute noch gern an ein bedrohliches Nebelgebilde denken, eine Mischung aus Gewalt, Manipulation und Zwang – statt an sich selbst. Und weil wir in vielen Bereichen immer noch die negativen Folgen von geschlechtsspezifischen Stereotypen und Normen ausbaden müssen.“
Wann hattest du das Gefühl, dieses Buch schreiben zu müssen und gab es einen bestimmten Auslöser?
„Als Beraterin und auch als Freundin fällt mir seit vielen Jahren auf, wie viele tolle Power-Frauen es gibt, die kompetent sind, unglaublich viel erreicht haben – und trotzdem irgendwie unglücklich sind oder ständig kurz vor dem Burnout stehen. Irgendwann dachte ich: Diese Ohnmacht kann und darf nicht sein, das möchte ich ändern.“
Wie viel von dir ist in diesem Buch?
„In dem Buch geht es um ganz unterschiedliche Frauentypen, Karrierefrauen, Working Moms, Single-Frauen, die doch auch ganz viel gemeinsam haben: Frauenleiden wie die Unfähigkeit, Nein zu sagen oder das chronisch schlechte Gewissen. Ich würde sagen, ich bin jede dieser Frauen – denn in jeder steckt auch irgendwie ein Teil von mir.“
Für wen ist das Buch gedacht?
„Für Frauen mit Sinn für Humor und konstruktive Kritik, die keine Lust mehr haben auf Selbstausbeutung. Ihnen biete ich Strategien und Inspirationen für ein Leben an, das nicht nur andere glücklich macht, sondern auch sie selbst. Es ist auch ein Buch für Männer, die mal in Ruhe prüfen wollen, inwieweit sich ihr Denken und Handeln von denen der Frauen unterscheidet.“
Macht ist in vielen Köpfen eher männlich und in Bezug auf Frauen auch eher negativ konnotiert. Gibt es eine weibliche und eine männliche Macht? Und wenn ja, was bedeutet das?
„Wenn man ,Macht’ reflexartig mit Wladimir Putin assoziiert, zeigt das nur das Fortwirken patriarchalischer Kräfte. Ich bin aber überzeugt, es gibt auch eine spezifisch weibliche Macht, die mit Selbstdenken, Eros und Herzensbildung zu tun hat und mit der wir sehr viel Positives für Frauen und Männer bewirken können.“
Wie kann und sollte deiner Meinung nach weibliche Macht heute aussehen?
„Ich stelle mir da eine Frau vor, die lieber mutig als überperfekt ist. Eine, die sich nicht hetzen lässt, weil sie sich selbst liebt und weiß, wofür sie lebt.“
Wo und in welcher Situation hast du dich einmal besonders mächtig oder ohnmächtig gefühlt?
„Als ich zum Abschluss meiner Promotion vier männlichen Professoren argumentativ Stand gehalten habe, das war ein tolles Macht-Erlebnis. Ohnmächtig fühle ich mich, wenn ich als Philosophin und Speakerin schlechter honoriert werde als gewisse männliche Kollegen.“
Du sagst, Macht ist der Schlüssel zu Freiheit und Glück. Wie meinst du das?
„Macht kommt von ,Machen’, von ,Können’. Wenn wir glücklich sein wollen, sollten wir zeigen, was wir können: Selber denken, uns aus der Überdrehungs-und-Anspannungs-Spirale befreien, das schlechte Gewissen loswerden. Und Mut haben, unser eigenes Leben zu leben, nicht das der anderen.“
Und bist du glücklich und frei?
„Ja, ziemlich! Obwohl ich die Frauenleiden, die ich in meinem Buch zur Sprache bringe, auch aus eigener Erfahrung kenne. Ich bin eben nicht nur eine Nonkonformistin, ich bin auch eine Frau.“
Du beschreibst nach jedem Kapitel Anleitungen, Schritte zur Machtgewinnung. Hast du diese alle selbst getestet oder wie kamst du auf die Tipps?
„Die ,philosophischen Machtmittel’ sind ein Mix aus bewährten Methoden aus der philosophischen Beratung, meinen persönlichen Strategien, mit denen ich als Philosophin durchs Leben navigiere und Inspirationen und Lehren von Frauen aus der Geschichte.“
Welche der Frauen, von denen du im Buch berichtest, ist deine Lieblingsmachtfrau und warum?
„Toll finde ich zum Beispiel die mittelalterliche Philosophin Christine de Pizan – weil sie sich als alleinerziehende Mutter nie einschüchtern ließ, als Dichterin auch finanziell erfolgreich war und den frauenfeindlichen Hochschulprofessoren ihrer Zeit öffentlich die Meinung gesagt hat.“
Ich denke, es fehlt besonders in Deutschland an machtvollen weiblichen Vorbildern. Kennst du aktuell Frauen, die bereits Macht besitzen, so wie du sie definierst?
„Ich kenne da privat schon ein paar solcher ,mächtigen’ Frauen. Aber allgemein würde ich auch sagen, uns fehlen die Vorbilder. Ich denke, wir sollten uns wirklich ein Beispiel an Frauen nehmen, die zu früheren Zeiten oft deutlich lockerer und freier drauf waren als wir – und anfangen, selbst als Role Models zu wirken.“
Sind deine Erfahrungen auf Deutschland bezogen oder generell auf die westliche Welt?
„Laut der britischen Kulturtheoretikerin Angela McRobbie sind Frauen die perfekten Mitglieder der neoliberalen Gesellschaft. Ich denke, überall, wo der Neoliberalismus vorherrscht, wo es um den Wettbewerb des Schneller, Weiter, Höher geht, neigen Frauen dazu, sich für andere zu optimieren, bis der Arzt kommt.“
So ein Buch ist erstmal nur Buchstaben auf Papier und Theorie. Wie schaffen Leserinnen und Leser den ersten Schritt zur Umsetzung deiner Tipps?
„Das Hirn auf Stufe fünf stellen, die Grübelgedanken rauswerfen und loslegen. Wenn dann immer noch nichts geht, sich klar machen: Das Leben ist kurz! Es liegt in unserer Macht, was wir daraus machen. Ein toller Incentive kann auch sein, sich die Botschaft von Miss Piggy im Epilog des Buchs übers Bett zu hängen: ,Bemitleidet euch nicht selbst, Mädels. Liebt euch selbst und die Welt wird euch lieben. Und wenn ihr euch nicht lieben könnt, dann liebt erst mal mich und macht von da aus weiter’.“
Dein provokantester Tipp?
„,Notieren Sie zehn der für Sie verlockendsten Bauchlandungen’, das heißt: Keine Angst vor dem Scheitern! Wer nicht riskiert zu scheitern, scheitert erst recht – Bauchlandungen sind ein wichtiger Teil auf dem Weg zur Macht.“
Christiane Wolff bloggt hier.
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