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Wie lerne ich, mich richtig zu entscheiden?

Wofür soll ich mich entscheiden – Option A oder B? Und wie lernt man eigentlich, die richtigen Entscheidungen zu treffen? Dieser Frage widmet sich Mirna Funk in diesem Monat für ihre Kolumne „Sag mal, Mirna …“ 

Wie lernt man, sich richtig zu entscheiden? Mittlerweile sage ich immer „Die Antwort ist längst in einem, man muss nur hinhören“ und komme mir selbst vor, wie einer von diesen furchtbar peinlichen Motivation-Instagram-Accounts. Aber es stimmt.

Ich habe nicht immer so gedacht. Die längste Zeit meines Lebens hat mich diese Frage genauso umgetrieben, wie den*die Fragesteller*in. Ich lag Stunden, Wochen, manchmal sogar Monate in meinem Bett und versuchte herauszufinden, was ich wollte, nicht wollte und wie ich mich zwischen A und B entscheiden solle.

Sich selbst verlieren

Seit ich denken kann, hat meine Intuition mit mir kommuniziert. Mir geraten, diesen oder jenen Typen zu daten, diesen oder jenen Job anzunehmen oder diese oder jene Entscheidung zu treffen. In den seltensten Momenten habe ich ihr zugehört. Dabei saß sie immer, wie eine wirklich gute und ehrliche Freundin es tun würde, neben mir – bei einer Tasse Tee, eingewickelt in eine graue Kaschmir-Decke – und hat mir liebevoll zugeredet. Meistens habe ich die Augen verdreht und arrogant abgenickt, was sie mir riet, um dann irgendeine Scheissentscheidung zu treffen, die ich kurze oder eben längere Zeit später zutiefst bereute.

Als ich jünger war, habe ich sogar mit Absicht immer das Gegenteil von dem getan, was meine Intuition mir vorschlug. Nicht, weil ich gegen sie rebellieren wollte, sondern weil ich ihr nicht glaubte. Das lag daran, dass die Beziehung zu meiner Intuition bereits in meiner Kindheit gestört wurde. Wenn ich etwas empfand, wurde es entweder ignoriert oder bestritten. „Was, der Mann an der Supermarktkasse ist gruselig? Du spinnst!“ Überhaupt war „Du spinnst“, die Äußerung, die ich vermutlich am meisten gehört habe. Das führte dazu, dass ich an mir und dem, was ich empfand, zu zweifeln begann. Wie oft ich deswegen den falschen Typen gedatet habe, wie ein Geisterfahrer in die entgegengesetzte Richtung gefahren bin und schlichtweg gesundheitsschädliche Entscheidungen getroffen habe, ist weder an zwei noch an zweihundert Händen abzählbar. Die schiere Menge an falschen Entscheidungen in meinem Leben führt heute dazu, dass ich wünschte, ich könnte nochmal von vorne beginnen. Aber diesmal würde ich auf meine Intuition hören. Ja, wo wäre ich heute, was würde ich tun, wen lieben und welchen Job ausüben, hätte ich sie nicht wie Scheiße behandelt, sondern ihr die Aufmerksamkeit geschenkt, die sie verdient? Ich weiß es nicht. Aber es gibt Tage, an denen ich fast verrückt werde deswegen.

Versöhnung

Als ich mit meiner Tochter schwanger war, begann ich plötzlich, auf sie zu hören. Es war, als würde dieser neue Kontakt zu meinem Körper, die verschüttete und verfeindete Beziehung zu meiner Intuition kitten. Ich entschuldigte mich bei ihr, sehr dramatisch sogar, und versprach sie nie wieder zu ignorieren. Mit einem Mal wurde mein Leben sehr viel leichter und unproblematischer. Ich verbrachte nicht Tage damit, die „richtige“ Entscheidung zu treffen, sondern atmete lediglich in meinen Bauch, hörte hin, trank die Tasse Tee mit meiner Intuition zu Ende, ohne sie zu unterbrechen, und traf danach die Entscheidung, die demnach längst in mir lag.

Mittlerweile bin ich komplett Intuitions-obsessed. Einfach deshalb, weil das Leben so mit einem Mal sehr viel leichter und sehr viel schöner wird. Die wertvolle Zeit, die einem plötzlich bleibt, die richtigen Entscheidungen, die einen glücklich machen, und der gesunde Kontakt zu meinem Inneren – eine der besten Erfahrungen meines Lebens. Nun kann und will nicht jeder schwanger werden, um den Kontakt zu seiner Intuition zurückzuerlangen. Abgesehen davon funktioniert das, was bei mir funktioniert hat vielleicht nicht bei jedem. Was also tun:

  1. Lange Zeit mit sich allein sein. Buche eine Reise, die länger als zwei Wochen ist und verbringe diesen Urlaub ganz bewusst mit dir.
  2. Selbstgespräche führen. So oft, so laut und so ehrlich wie möglich.
  3. Körperliche Betätigung – Yoga, Laufen, Klettern, you name it.

Um die Intuition meiner Tochter zu entwickeln und zu pflegen, rede ich offen über meine Empfindungen in unterschiedlichen Situationen und höre interessiert zu, wenn sie über ihre spricht. Ich versuche ihr zu helfen, ihre Empfindungen von meinen unterscheiden zu können. Was ich mag, muss sie nicht mögen. Was sie mag, muss ich nicht mögen. Wir sind getrennte Wesen, mit einer eigenen Vorstellung von der Welt und uns selbst. Dieser individuelle Zugang hilft, irgendwann die richtigen Entscheidungen für sich selbst zu treffen. Der gesunde Kontakt zur Intuition ist der Schlüssel.

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