Ihr steckt beruflich fest, habt Probleme mit euren Kolleg*innen oder andere Fragen und Sorgen rund ums Berufsleben, die euch beschäftigen? Bei „Was tun?“ gibt es Tipps von Expert*innen. Dieses Mal geht es um die Frage, wie man als Bewerberin im gebärfähigen Alter damit umgeht, dass viele Personaler*innen Frauen als Risiko sehen, weil sie theoretisch schwanger werden könnten, und stattdessen andere Bewerber*innen bevorzugen.
Was tun, wenn ich mit Anfang 30 einen neuen Job suche beziehungsweise in eine andere Branche einsteigen möchte und erlebe, dass Personaler*innen schwierig bis ablehnend reagieren, weil ich in einem Alter bin, in dem ich theoretisch wegen einer Schwangerschaft ausfallen könnte?
Dieses Mal haben wir Anja Mahlstedt, Trainerin und Coach für Karrieregestaltung, um ihren Rat gebeten:
„Alles, was ich sage, muss wahr sein, aber nicht alles was wahr ist, muss ich sagen.“ Das ist mein Leitsatz, der auch gut zum Thema Bewerbungsgespräche passt. Grundsätzlich dürfen Personaler*innen gemäß dem allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz nicht nach der Familienplanung fragen, was aber nicht heißt, dass dies nicht dennoch eine Komponente bei der Entscheidung für oder gegen eine*n Bewerber*in sein kann. Wenn man an eine*n Personaler*in gerät, der*die gerade eine Stelle besetzen muss, auf der vorher viel Wechsel war, sucht der*die natürlich sehr stark nach Kontinuität, was dazu führen kann, dass bei vergleichbaren Bewerber*innenprofilen möglicherweise nicht die gebärfähige Person eingestellt wird. Da kann ich leider rechtlich nicht viel tun, insbesondere weil das ja kein Unternehmen so zugeben wird. Sollte die Frage nach der Familienplanung dennoch gestellt werden, und man hat trotzdem großes Interesse daran, für dieses Unternehmen zu arbeiten, ist es natürlich besser, zu sagen „Das ist aktuell kein Thema für mich“, statt darauf hinzuweisen, dass man diese Frage gar nicht beantworten muss.
Doch ich erlebe auch immer wieder, dass Frauen im gebärfähigen Alter während der Suche nach einem neuen Job per se schon davon ausgehen, dass sie auf dem Arbeitsmarkt schlechtere Chancen haben, noch bevor ein*e Personaler*in diesen Eindruck bestätigt. Wenn ich dieses Hindernis vermute, belaste ich mich selbst; dieses Denken führt dazu, dass ich mich schlechter verkaufe. Als Bewerberin sollte ich diesen Gedanken möglichst ausblenden und ein Bewerbungsgespräch als Unterhaltung auf Augenhöhe betrachten, in der beide Seiten herausfinden können, ob es passt. Dadurch gehe ich mit einer ganz anderen Selbstverständlichkeit an das Thema heran. Die eigene Haltung ist wirklich essentiell: Ich gehe nicht in eine Prüfungssituation hinein, sondern schaue, ob dieses Unternehmen und die Rahmenbedingungen des Jobs etwas für mich sind.
Frei machen vom vermeintlichen Manko
Bewerberinnen, die sich Sorgen machen, dass ihr gebärfähiges Alter ein Hindernis sein könnte, empfehle ich, proaktiv vorzugehen. Wenn ich beispielsweise mit 30 Jahren in einen neuen Job oder eine andere Branche einsteigen möchte, sollte ich mir eine gute Begründung zurechtlegen, weshalb ich das anstrebe. Ich sollte mir überlegen, was ich für diese Position in die Waagschale werfen kann. Welche Erfahrung bringe ich mit, so dass ich als Person in den Fokus rücke und mich frei mache vom Gedanken, welches vermeintliche Manko (gebärfähiges Alter) an mir haftet. Auf dem Arbeitsmarkt herrscht akuter Fachkräftemangel, deshalb kommen Unternehmen überhaupt nicht darum herum, all die Frauen im gebärfähigen Alter in den Fokus zu nehmen. Der Bewerber*innen-Markt ist so eng gefasst, dass es bei der Besetzung von Positionen künftig gar kein Kriterium mehr sein kann, ob jemand theoretisch irgendwann vielleicht wegen eines Kindes ausfallen könnte.
Zum einen ist es also wichtig, mit welcher Haltung man in ein Bewerbungsgespräch reingeht, zum anderen kann man natürlich auch versuchen, Personaler*innen von dieser Spur abzubringen. „Ich den nächsten Jahren steht Karriere für mich an erster Stelle, ich möchte jetzt voll durchstarten“, könnte da zum Beispiel eine passende Aussage sein. Damit sind wir auch wieder beim eingangs erwähnten Leitspruch, dass man nicht alles sagen muss, was wahr ist. Beispielsweise, dass man neben einem Karrierewunsch vielleicht auch einen Kinderwunsch hat. Zudem sollten Bewerber*innen, insbesondere bei einem Quereinstieg, nutzenorientiert argumentieren, also betonten, dass man Vorwissen und wertvolle Erfahrungen aus anderen Bereichen mitbringt, die man in den neuen Job einfließen lassen kann. Schliesslich wird die Halbwertszeit des eigenen Wissens in Zeiten der Digitalisierung immer kürzer, und je flexibler ich mich zeige, desto besser meine Argumentation für einen Branchenwechsel.
Nicht das richtige Unternehmen
Zum Schluss muss man auch sagen, dass ich als Bewerber*in leider nicht allzu viel tun kann, wenn ein Unternehmen mich ablehnt und meine Vermutung ist, dass mein Alter das ausschlaggebende Argument dafür ist. Hier finde ich es wichtig, die Perspektive zu verändern: Wenn ich mit dem Gedanken spiele, früher oder später eine Familie zu gründen, dann ist so ein ablehnendes Unternehmen auch nicht das richtige für mich. Ich persönlich würde nie in einem Unternehmen arbeiten wollen, dass so eine ablehnende Haltung gegenüber der Familienplanung der eigenen Arbeitnehmer*innen vertritt.
Ein Unternehmen sollte Aufgeschlossenheit gegenüber dem Thema Vereinbarkeit als Merkmal sehen, dass es gegenüber anderen Arbeitgeber*innen auszeichnet. Die Unternehmen können es sich wirklich nicht mehr leisten, Frauen im gebärfähigen Alter vom Arbeitsmarkt auszuschließen, sie sind auf sie angewiesen. In meinen Augen findet gerade ein Umdenken in den Unternehmen statt – zwar noch nicht schnell genug, aber es passiert.
Mehr von „Was tun?“
Euch liegt eine andere Frage auf dem Herzen und ihr braucht Rat? Hier könnt ihr uns anonym alles zum Thema Beruf und Karriere fragen.
Unsere Expertin Gitta Blatt hat sich dieser Frage angenommen: „Was tun, um bei häufigen Jobwechseln nicht als sprunghaft und unzuverlässig zu gelten?“
Und unsere Expertin Heidi Stopper hat die folgende Frage beantwortet: „Was tun, wenn die Führungskultur in Unternehmen Frauen ausbremst?“