Anna hört seit ihrer Jugend immer wieder abwertende Kommentare zu ihrem Körper. Um auf diese Diskriminierung aufmerksam zu machen, sammelt sie auf Instagram Geschichten von Betroffenen.
„Wenigstens hast du ein hübsches Gesicht“ – fast jede mehrgewichtige Person hat das im Lauf ihres Lebens schonmal gehört. Was oft als Kompliment gemeint ist, ist eigentlich Diskriminierung. So zeigt dieser Satz die Abwertung von dicken Menschen und ihren Körpern.
Anna ist 32 Jahre alt, Sozialarbeiterin und lebt in Leipzig – und ist seit ihrer Jugend von Fat Shaming betroffen. Nach einer jahrelangen Essstörung, die sie bis heute begleitet, reichte es ihr. „Man kann weitestgehend sanktionslos Menschen aufgrund ihrer Körperform beschimpfen oder Vorurteile, die mit Mehrgewicht zusammenhängen, verbreiten. Andere Diskriminierungsformen bekommen mittlerweile zurecht öffentlich Gegenwind“, sagt sie. Deshalb hat Anna das Instagram-Profil „Wenigstens ein hübsches Gesicht“ gegründet.
Dort haben von Fat Shaming betroffene Menschen die Möglichkeit, von ihren Erfahrungen zu erzählen, sich gegenseitig auszutauschen und die Öffentlichkeit für dieses Thema zu sensibilisieren.
Mit diesem Social-Media-Projekt will Anna drauf aufmerksam machen, wie nachhaltig traumatisierend es sein kann, jemanden ausschließlich auf das Gewicht zu reduzieren. Sie sagt: „Es ist falsch, dass Menschen mit Mehrgewicht immer automatisch faul und ungesund sein sollen. Ärztliches Fachpersonal handelt fahrlässig, wenn es körperliche Leiden grundsätzlich auf das Körpergewicht schiebt.“
Ein Instagram-Account kann vielleicht nicht die Gesellschaft von heute auf morgen verändern. Aber Anna freut sich darüber, Betroffenen zeigen zu können, dass sie nicht allein sind. Und dass ihre vermeintlich individuellen Erfahrungen strukturell bedingt sind. Fat Shaming betrifft keineswegs nur eine kleine Gruppe Menschen. Nach Informationen des Robert Koch-Instituts sind zwei Drittel der erwachsenen Männer und die Hälfte der Frauen in Deutschland mehrgewichtig.
„Wenn ich einzelnen Personen eine Stimme, Gehör und ein gutes Gefühl geben kann, indem ich (anonym) ihre Stories teile, ist das fabelhaft“, sagt Anna. Mittlerweile hat sie schon über 100 Beiträge auf ihrem Account gesammelt. Hin und wieder kommt es auch zu negativen Kommentaren, auf die sie meistens von der Community aufmerksam gemacht wird und diese anschließend sofort löscht. Denn der Account soll Raum für die Erfahrungen Betroffener geben und keine weitere Diskriminierungen hervorrufen. Manchmal schreibt Anna unter einen Post: „Liken für Mitgefühl. Liken für Empörung.“ Und vielleicht verändert sich durch Mitgefühl und Empörung auch der Umgang miteinander.