Wenn du im Job immer zu allem Ja sagst, steckst du schnell in einem Aufgabenbereich fest, den du nie wolltest. Dagegen hilft: Strategisch Ja sagen.
Noch viel zu häufig spreche ich mit Frauen, die im Job Aufgaben übernehmen, auf die sie eigentlich absolut keine Lust haben, für die sie überqualifiziert sind oder sie auf ihrem persönlichen Weg kein Stück voranbringen. Nicht immer ist ein Jobwechsel die Lösung in einer solchen Situation, denn das Problem ist häufig nicht der Job an sich – sondern zu viel Höflichkeit. Oft fehlen die richtigen Strategien, um selbstbestimmt und selbstbewusst den eigenen Karrierepfad zu gehen.
Imageschaden durch zu viel Höflichkeit
Ein Beispiel: Du bist Projektmanagerin für ein wichtiges Vorhaben. Ein Meeting mit Kund*innen steht an. Fünf Minuten vorher bemerkst du: „Ach, da fehlen ja noch die Getränke im Konferenzraum. Ein bisschen Obst und Knabbereien könnten auch nicht schaden. Da kommt ja schon der Erste – ‚Möchten Sie vielleicht einen Kaffee? Klar, hole ich Ihnen. Milch oder Zucker dazu?‘“. Kommt dir bekannt vor? Nett gemeint. Aber auch wenn du nur höflich oder eine gute Gastgeberin sein möchtest, hast du durch dieses zuvorkommende Verhalten ruckzuck den Ruf der Assistenz weg und dich damit selbst kleiner gemacht, als du bist.
„Den anderen immer alles möglich zu machen, bringt dich selbst nur bedingt nach vorn. Im schlechtesten Fall bremst du dich selbst aus und deine Ziele rücken in weite Ferne.“
So beginnt ein Teufelskreis: Mit den Aufgaben, die du übernimmst – egal, ob freiwillig oder weil dich jemand darum bittet – prägst du das Bild, das andere von dir haben. Und diesem Bild entsprechende Aufgaben werden dir dann von anderen zugetragen. Sagst du dazu aus Höflichkeit immer wieder Ja, wird sich diese Wahrnehmung deines Zuständigkeitsbereichs und deiner Fähigkeiten immer weiter verfestigen. Klar, jede*r sollte helfen, wo er*sie kann. Doch den anderen immer alles möglich zu machen, bringt dich nur bedingt nach vorn. Im schlechtesten Fall bremst du dich selbst aus und deine Ziele rücken in weite Ferne.
Nein sagen im Job muss sein
Es ist extrem wichtig zu lernen, im Job nicht zu allem Ja zu sagen. Doch gerade viele Frauen tun sich sehr schwer damit, Nein zu sagen. Manchmal sogar damit, überhaupt etwas zu sagen. Ganz zu schweigen davon, jemand anderem in einem Meeting zu widersprechen. Und so sagen sie immer wieder Ja, wenn beispielsweise der*die Chef*in fragt, ob sie nicht auch noch dieses oder jenes Projekt übernehmen können – egal, ob sie es tatsächlich wollen. Häufig ist der tieferliegende Grund dafür fehlendes Selbstbewusstsein, aber auch die Angst vor dem, was passieren könnte, wenn sie Nein sagen würden.
„Wenn ich jetzt Nein sage – bekomme ich nochmal so ein Angebot?”
Im Job Nein zu sagen ist und bleibt für viele eine schwierige Angelegenheit. Wie also gehst du das am besten an? Hilfreich ist es, wenn es im Unternehmen oder im Team klar definierte Ziele gibt – umso klarer ein Ziel definiert ist, desto leichter kannst du jemandem unter Umständen mit „Nein“ antworten. Dann nämlich, wenn eine Aufgabe nicht zielführend ist. Ungleich schwieriger wird es Nein zu sagen, wenn Ziele unklar sind und du eine Absage nicht damit begründen kannst, dass ein Projekt nicht zur Zielerreichung beitragen würde.
Mein Geheimtipp für solche Situationen: Nicht direkt mit Ja oder Nein antworten, sondern erstmal den Ball in die andere Hälfte zurückspielen. Frage nach weiteren Informationen, fordere ein genaueres Briefing und kommuniziere, dass du erst dann Ja oder Nein sagen kannst, wenn du diese Infos bekommen und analysiert hast. Du wirst sehen, dass sich dann manche Anfragen plötzlich in Luft auflösen.
Endlich selbstbestimmt
Meine ultimative Wunderwaffe, um Aufgaben, die mich nicht weiterbringen, nicht übernehmen oder unangenehm ablehnen zu müssen ist „strategisch Ja sagen“. Soll heißen: Anstatt darauf zu warten, Projekte von anderen zugeteilt zu bekommen, bestimme ich lieber proaktiv selbst, wo meine Reise hingeht, indem ich an den für mich richtigen Stellen laut „hier“ schreie. Wenn ich in einem Meeting das Gefühl habe, „Das möchte ich machen!“, dann melde ich mich aktiv dafür, bevor alles an andere vergeben und mir die übriggebliebene und undankbarste Aufgabe zugetragen wird. Das sorgt dafür, dass ich erst gar nicht in die Verlegenheit komme, Nein sagen zu müssen – ich habe meine Aufgabe ja schon.
Und das ist nicht die einzige positive Auswirkung, die diese Strategie hat. Indem du „hier“ rufst und nicht darauf wartest, bis andere dir Aufgaben zuteilen, steuerst du auch, wie du wahrgenommen wirst. Setzt du dich selbstbewusst auf ein Projekt, das eigentlich (noch) nicht für dich vorgesehen war, hast du die Möglichkeit zu zeigen, was du kannst. Plötzlich wirst du dich in neuen Meetings und anderen Bereichen des Unternehmens wiederfinden, in die du sonst vielleicht gar nicht oder erst sehr viel später gekommen wärst.
Begrenzter Rahmen, geschützter Raum
So kannst du dich auch selbst herausfordern und bestimmen, welche Aufgaben du ausprobieren möchtest, anstatt abzuwarten, bis du etwas zugeteilt bekommst. Auf diese Weise kannst du dich in begrenzterem Rahmen, in einem geschütztem Raum und mit Unterstützung an eine neue Aufgabe herantasten. Meldest du dich zuerst dafür, etwas Neues auszuprobieren, genießt du auch eher mal „Welpenschutz“. Teilt dir dagegen jemand eine Aufgabe zu, geht er*sie in der Regel davon aus, dass du die Aufgabe ohne Probleme erledigen kannst.
Mit dieser Strategie bin ich in meiner Karriere gut gefahren – und mein Unternehmen mit mir: Als ich meinen jetzigen Job anfing, war die PR-Arbeit im Unternehmen noch klassisch am Marketing aufgehangen. Ich habe dann angefangen, strategisch „hier“ zu schreien, wenn ich das Gefühl hatte: „Hier kann ich neue Erfahrungen sammeln, dazulernen, mich weiterentwickeln und neue Wege beschreiten“. Das hatte nicht nur für mich, sondern auch für die PR-Arbeit des Unternehmens einen positiven Effekt – sie ist mit mir zusammen selbstbestimmter und selbstbewusster geworden. Und ich leite mittlerweile das Marketing und ein internationales Team. Ja sagen hilft.
Katrin Luzar ist Senior Director Marketing bei Monster Deutschland. Sie ist seit 2011 beim Unternehmen und verantwortet heute die Themenbereiche Marketing- und Markenstrategie DACH und Schweden, Public Relations und das Content Management.