141.792 – so viele Menschen wurden 2019 in Deutschland Opfer einer gemeldeten Gewalttat innerhalb einer Beziehung. Das ergibt der aktuelle Bericht des Bundeskriminalamts. Die veröffentlichten Zahlen aus 2019 reihen sich damit in einen „Trend“ ein, der sich schon in den vergangenen Jahren abzeichnete – Jahr für Jahr steigen die Gewalttaten in Partner*innenschaften. Dieses Mal um 0,7 Prozent zum Vorjahr. Beziehungsgewalt meint dabei: alle Formen von Gewalt in bestehenden oder aufgelösten Beziehungen. Auffällig ist: Wesentlich mehr Frauen (81 Prozent) werden Opfer von Gewalt in Beziehungen, als Männer (19 Prozent).
Zu wenig Aufmerksamkeit
Gezählt werden Straftaten wie Körperverletzung, Nötigung, Stalking, Vergewaltigung und Zwangsprostitution, aber auch Tötungsdelikte. Denn fast jeden dritten Tag wird in Deutschland eine Frau von ihrem/ihrer Partner*in oder Ex-Partner*in getötet. So lautet die erschreckende Rechnung der Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Franziska Giffey, die zur Veröffentlichung des Berichts das Ausmaß der Gewalt aufzeigt. Einfluss auf den gesellschaftlichen Umgang mit dieser Form der Gewalt nimmt dabei auch der sprachliche Gebrauch: Häufig wird Beziehungsgewalt als „Konflikt in einer Paarbeziehungen“ bagatellisiert und häusliche Gewalt gegen Frauen dadurch verharmlost.
„Die Zahlen sind schockierend.“
Franziska Giffey
Zuletzt war das Thema mehr in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt, da aufgrund der Ausgangsbeschränkungen im Rahmen der Corona-Pandemie mit einem Anstieg der häuslichen Gewalt gerechnet wurde. Denn mögliche Schutzräume, wie Schulen, Kitas, Arbeitsplätze oder soziale Kontakte, fallen in diesen Zeiten weg. Die räumliche Enge kann ein belastender Faktor sein.
Ein Anstieg der Gewalt durch Corona
Auch wenn es noch keine offiziellen Zahlen gibt, die dies bestätigen und auch der Bericht des BKAs sich nur auf den Zeitraum vor der Pandemie bezieht, zeigen die Zahlen von Hilfsangeboten, dass es einen Anstieg der Gewalt geben könnte.
So sind die Anrufe beim Hilfetelefon „Gewalt gegen Frauen“ in den vergangenen Monaten deutlich mehr geworden. Statt wie vor der Pandemie ca. 850 Anrufe pro Woche, zählt die Organisation nun rund 1000 Beratungen wöchentlich.
Sicher ist jedoch, dass die gezählten Straftaten nur ein kleiner Teil dessen ist, was sich noch im Dunkeln verbirgt. Denn ein großer Anteil der Gewalttaten in Partner*innenschaften wird nicht gemeldet und erscheint daher nicht in den Statistiken.
„Ich lese in letzter Zeit immer wieder, Corona/ Kontaktbeschränkungen seien Schuld an der Zunahme von häuslicher Gewalt. Ich weiß, was gemeint ist, aber lasst uns die Schuldigen doch bitte klar benennen: Es sind die gewalttätigen Täter! In der Regel der Partner, Ehemann oder Vater.“
Carolina Schwarz bei Twitter
Was kann helfen?
Wie gehen also die Städte und Hilfsangebote mit den steigenden Fällen um? In Berlin, wo die Zahl der Beziehungsgewalttaten besonders hoch ist, wird zum Jahresende ein weiteres Frauenhaus eingerichtet. Somit zählt die Hauptstadt sieben Frauenhäuser und kann damit 55 weitere Schutzplätze bieten. Zudem sollen innerhalb der nächsten zwei Jahre noch zwei weitere Frauenhäuser eröffnet werden. Auch in anderen Städten, wie Bremen, sind die Frauenhäuser überlastet und müssten ihr Angebot dringend ausweiten. Das ist besonders wichtig, denn etwa die Hälfte der erfassten Opfer der Beziehungsgewalt leben im gemeinsamen Haushalt mit der tatverdächtigen Person – Frauenhäuser sind daher ein wichtiger Schutzraum.
Um mehr Aufmerksamkeit für das Thema zu schaffen wurde der Internationale Tag gegen Gewalt an Frauen einberufen. Jedes Jahr am 25. November kämpfen Organisationen und Privatpersonen dafür, das Schweigen zu brechen. Denn Gewalt gegen Frauen wird immer noch oft ignoriert oder bagatellisiert. Mit dem Hashtag #schweigenbrechen und durch Mitmachaktionen will die Organisation rund um das Hilfetelefon „Gewalt gegen Frauen“ dem Thema so zu mehr Sichtbarkeit verhelfen.
Hilfsangebote:
Solltest du betroffen sein, oder Personen in deinem Umfeld haben, die betroffen sind, dann findest du beim Hilfetelefon rund um die Uhr Hilfe: 08000 116 016. Zögere nicht, den Rettungsdienst unter 112 zu rufen, oder dich an die Frauenhauskoordinierung zu wenden.
Dieser Artikel erschien bei EDITION F erstmals am 12. November 2020 und wurde am 22. November 2022 aktualisiert.