Irgendwann ab Mitte 20 fing es an. Und es war aufregend und toll. Die erste Freundin, die freudestrahlend vor mir stand und verkündete, schwanger zu sein. Wir waren unbändig vor Freude und lagen uns in den Armen. Es folgten Monate der Vorfreude. Gemeinsam. Und dann kam das Kind. Willkommen, neuer Erdenbürger – adieu, liebste Freundin. Denn danach ist sie erstmal von der Bildfläche verschwunden.
Klar, wer gerade ein Kind geboren hat, dem ist nicht nach Menschenmassen um sich herum. Und natürlich lässt man einer Neufamilie auch erstmal alle Zeit, dieses spannende, neue Kapitel in ihrem Leben zu genießen. Irgendwann gab es dann so Termine. Kind bestaunen. In klein portionierten Gruppen. Und danach erstmal nichts.
Bei der ersten Freundin, die Mutter wurde, dachte man sich nicht groß was dabei. Alles war so neu und aufregend. Man freute sich und besuchte sie, so oft es ihr jetzt in der neuen Situation lieb und möglich war. Wenn man Glück hatte, wurde man sogar Patentante. Aber die Termine wurden seltener und das Gefühl, die Freundin mit Baby mit den Besuchen und Anrufen nur noch mehr zu stressen als eh schon, häufiger.
Zwei Welten mit einer kleiner werdenden Schnittmenge
Nach und nach gab es immer mehr freudestrahlende Freundinnen. Bei jedem größeren Aufeinandertreffen gab es eigentlich immer eine, die stolz verkündete, schwanger zu sein. Und irgendwann hatten alle, die eine Familie gründen wollten, eine Familie gegründet – und tauchten ab. Und dann wurde es einsam.
In mir reifte die Erkenntnis: Ich gehöre als Nicht-Mutter zu einer nach und nach aussterbenden Spezies. Und: Ich gehöre nicht mehr dazu.
Es gibt irgendwann diese zwei Lager: Freundinnen mit Kind und ohne. Klar gibt es auch eine tapfere Schnittmenge. Das sind die heldenhaften Menschen, die versuchen, Teil beider Welten zu sein, egal ob mit oder ohne Kind. Und das klappt – ja – aber nur mit Bärenkräften. Viel zu oft haben wir den Kampf jedoch verloren. Dabei habe ich Verständnis und großen Respekt für meine Freundinnen mit Kindern. Ein Kind großzuziehen ist für mich die größte Aufgabe im Leben, die man meistern kann. Und das kostet Eltern sehr viel. Kraft. Zeit. Und eben auch Freund*innen. Die neue Rolle als Elternpaar, die Umstellung des kompletten Alltags und allein schon der Schlafmangel – das alles ist ganz sicher nicht zu unterschätzen. Eltern setzen Prioritäten neu. Sie krempeln ihren Lebensstil einmal komplett auf links. Deshalb gebührt ihnen auch der absolute Respekt aller Nicht-Eltern, die vor so einer enormen Energieleistung nur den Hut ziehen können.
Deshalb liebe Eltern, Ohren auf: Ihr hinterlasst bei den meisten Kinderlosen eher ein Gefühl der Bewunderung, als dass ihr euch missverstanden oder gar kritisiert fühlen solltet. Wie oft hat man früher von Müttern gehört, die es um 16 Uhr immer noch nicht geschafft haben, sich zumindest die Zähne zu putzen. Und gedacht: Das muss doch möglich sein. Bei mir wird das ganz anders. Und ein paar Jahre später saßen genau diese Freundinnen, mit denen ich darüber gelacht habe, um 16 Uhr mit Kind im Arm da, mit tellergroßen Augenringen und ungeputzten Zähnen. Als Nichteltern kann man sich das halt kaum vorstellen, auch wenn man weiß, dass es so ist. Man weiß halt nur nicht, wie es sich anfühlt.
Sich in andere Menschen reinzuversetzen, bleibt in solchen Fällen eben viel zu oft ein netter Versuch. Bei aller Bewunderung ist irgendwann auch einfach Frust da. Gerade weil wir euch, liebe Eltern, an unserer Seite vermissen. Und das wird jede*r kennen, die*der plötzlich nur noch von Müttern umgeben ist. Nach der 50. Einladung „Lass uns doch nochmal treffen, man sieht dich gar nicht mehr“ gibt man irgendwann auf und fragt nicht mehr. Denn ständig ist etwas. Das Kind zahnt, die Tagesmutter ist krank oder einfach die totale Erschöpfung der Eltern, die abends nur noch todmüde ins Bett fallen wollen, anstatt alte Freundinnen zu treffen.
Man hat als kinderlose Freundin exakt zwei Möglichkeiten: Man trifft die Freundin von nun an selten – und wenn, dann im Müttercafé, auf dem Spielplatz oder zu Hause im Jogginganzug, mit Babybrei auf dem Pulli und Kind im Arm – oder man resigniert. Die Gespräche ändern sich, die Gemeinsamkeiten nehmen ab. Da einem die Freundin jedoch wichtig ist, bleibt man dran. Man ist das erste Mal seit den eigenen Kindertagen wieder im Babybecken im Freibad, im Zoo und im Bälleparadies. Man lässt sich tapfer vom Baby ansabbern und freut sich wie Bolle.
Ich vermisse das alte WIR
Natürlich ist das toll und spannend, aber irgendwann keimt der Gedanke auf: Man hätte gerne auch mal wieder sein altes Leben mit der Freundin zurück. Als man spontan sein konnte. Als man nächtelang auf dem Sofa gehockt und gequatscht hat. Als es dieses wunderbare WIR gab. Als man länger als fünf Minuten telefonieren konnte, ohne dass sich die Kinder im Hintergrund mit Bauklötzchen beworfen haben. Als sie einen ausgefragt hat. Als man noch ähnliche Träume hatte, und eben nicht nur den Wunsch, mal wieder fünf Stunden am Stück schlafen zu können.
Oft saß ich mit alten Freundinnen zusammen – allesamt Mütter – und es ging ausnahmslos und abendfüllend um Kinderthemen, um Beißringe und Beikost, um Kinderchaos und Kitaplätze. Das ist verständlich und normal, dass man sich unter Müttern austauscht und Ratschläge gibt. Aber für alle Nicht-Mütter am Tisch ist das natürlich irgendwann nur noch eins: Fremd. Da man aber mittlerweile zu einer seltenen Minderheit gehört, schweigt man und hört zu – und sagt beim nächsten Mal ab.
Klar merken das auch irgendwann die Mütter selbst und hören auf, einem die letzten 20 Bilder von Yannik im Zoo zu zeigen. Sie hören aber auch auf zu fragen, wie es einem geht. Also so wirklich geht.
Zum Glück hören sie auch auf, einen ständig zu fragen, wann man denn selbst endlich schwanger wird. Zumal man auch nicht vergessen sollte, dass eben nicht alle Frauen freiwillig kinderlos sind. (Laut einer Umfrage von Statista, Stand 2020, unter kinderlosen Frauen und Männern sind 42 Prozent der 25- bis 29-jährigen Befragten ungewollt kinderlos.)
Leider hat das alles auch seine Folgen: Die Kluft zwischen Nicht-Eltern und Eltern wird größer, die Schnittmenge kleiner. Zumal viele Eltern vor Liebe zu ihren Kindern übersprudeln und gar nicht nachvollziehen können, dass man selbst nicht diesen Weg geht. Wie oft habe ich gehört „Das ist das Beste, was mir im Leben passieren konnte. Ich verstehe dich nicht“. Und auch Sätze wie: „Vorher war alles so banal, erst jetzt hat mein Leben einen richtigen Sinn.“ Und du sitzt daneben und denkst: Ok. Ich bin noch in der banalen Phase.
Und ja, man fühlt sich unfassbar dumm, wenn man sich über ein verpasstes Lob auf der Arbeit ärgert und die Freundin erzählt einem vom verstörten Kind, das in der Grundschule gemobbt wird. Das fühlt sich in dem Moment übelst nach First World Problems an.
Das schlechte Gefühl auf beiden Seiten
Das, was das Zusammensein von beiden Lagern auch so schwierig macht, sind nicht unbedingt Schlafmangel und anderer Lebensrhythmus. Und auch nicht meine völlige Unkenntnis von Schulformen und Kinderliedern. Nein, es ist auch dieses unterschwellige schlechte Gewissen, das man selbst hat, weil man sich fragt: „Bin ich zu egoistisch für ein Kind? Und: Verpasse ich nicht total viel?“ Und gleichzeitig die Wut darüber, dass man sich als Frau dafür rechtfertigen muss, wenn man eben keine Kinder bekommt.
Und auf der anderen Seite stehen die Freund*innen mit Kind, die sich wundern, warum man noch immer in seinem alten Leben verharrt, immer noch bis nachts mit Freund*innen rumhängt und nicht müde wird, Hobbys zu besitzen und seinen Traumjob zu verfolgen. Und die sich natürlich auch unterbewusst kritisiert fühlen, dass sie eben für genau das nicht mehr so viel Zeit haben, also für Hobbys, Karriere und Geselligkeit. Für die ich-bezogenen Dinge im Leben, die Momente, wo es nur um uns selbst geht.
Und egal, wie lieb man sich hat: Irgendwann resigniert man eben doch auf beiden Seiten. Mit der Konsequenz, dass sich Mütter neue Freund*innen suchen, die auch Eltern sind und mehr Verständnis zeigen und ähnliche Probleme und Themen haben. Und auch die Kinderlosen rotten sich irgendwann zusammen.
Bitte, lasst uns kämpfen
Es ist unendlich schade, dass es diese Probleme, Schuldgefühle und das fehlende Verständnis auf beiden Seiten gibt. Denn Freund*innenschaften sollten genau das eigentlich überstehen können.
Auch wenn wir uns gerne Menschen zuwenden, die in ähnlichen Lebenssituationen sind wie wir, so sollten wir doch auch an den Freund*innenschaften festhalten, die aus unserem „alten Leben“ stammen. Die nicht zwangsläufig den gleichen Weg gehen wie wir. Sie sind es wert, denn sie bereichern unser Leben. Mein Plan, liebe Mütter und Väter: Ich warte auf euch. Egal, wie lang. Denn ihr fehlt mir. Irgendwann sind die Kinder aus dem Gröbsten raus. Und dann können wir wieder in Jogginghose auf der Couch hocken und nächtelang quatschen. Über Kinderthemen. Und über alle anderen Themen eben auch.