Foto: Maximilian König

Mental Health-Load: Sechs Wochen Auszeit und zu viele To-Dos!

Sechs Wochen Auszeit! Unsere CMO Franzi kann es nicht glauben: Mal so richtig entspannen, in den Tag hineinleben, sich von einer Zeit erholen, in der sich alles nur auf Arbeit konzentriert hat. Da ist nur ein kleiner Haken: Franzi wäre nicht Franzi, wenn diese freie Zeit nicht möglicherweise auch in Stress ausartet…

Sechs Wochen Auszeit. SECHS Wochen! Jetzt denken die meisten von euch bestimmt an Entspannung, Meer und Nichtstun, oder? Das wären auch meine ersten Gedanken gewesen? – Aber nein!

In meinem Kopf kreisten Sätze wie ‚Ich kann mein Team nicht im Stich lassen’, ‚Was mache ich sechs Wochen lang?’, ‚Trage ich mich für drei oder sechs Onlinekurse ein?’ und ‚Welche DIY-Projekte nehme ich mit – reichen da zehn?’. Überforderung!

Aber eine einsame Hütte am Meer in Dänemark war gebucht und es gab kein Zurück mehr.*

Wie kam es zum Punkt der Notbremse? – Im Oktober letzten Jahres habe ich gemerkt, ich kann nicht mehr. Mein Körper konnte nicht mehr, mein Kopf produzierte keine weiteren kreativen Ideen und die Lust am Arbeiten war mir verlorengegangen. Um ehrlich zu sein, hatte ich so einen Moment in meinem Leben noch nie zuvor. Wenn andere kurze oder längere Auszeiten genommen haben, war ich oft die Person, die die Stellung gehalten hat, um meinen Kolleg*innen eine Pause zu gönnen. Klar war ich auch im Urlaub, aber kaum länger als zwei Wochen.

Warum ich diesen Punkt der Erschöpfung erreicht hatte, wusste ich, aber es kam schleichend: Woche für Woche stieg ich in das Hamsterrad, das sich beruflich und privat immer und immer schneller drehte. Im Beruflichen zum Beispiel seit mehr als zehn Jahren weit mehr als 40-Stunden-Wochen, eine stets steigende Verantwortung, 2020 die Corona-bedingte spontane Kurzarbeit und kurz darauf die neue Position als CMO und die Elternzeitvertretung von unserer Geschäftsführerin Lana. Das alles gekoppelt mit privaten Dingen wie die Kinderwunschbehandlung seit über vier Jahren, den inneren Druck, sich immer selbst zu optimieren und es allen recht machen zu wollen und das Bewusstsein, dass unsere Eltern immer älter werden und die gemeinsame Zeit endlich ist. Meine Batterien waren einfach leer und die letzten Jahre waren ein Hell of a Ride – auf allen Ebenen.

Für mich ist Mental Health die Basis, um 1. den eigenen Job gut machen und alles geben zu können und 2. gut für sich selbst zu sorgen. Deswegen sollten Unternehmen auch alles dafür tun, die mentale Gesundheit der Mitarbeiter*innen zu stärken. Das ist nachhaltiges Unternehmer*innentum.

Franziska Gärtner

Aber was hat meine Auszeit mit Mental Health und Loslassen zu tun? Meiner Meinung nach sehr viel. Laut Wikipedia ist mentale Gesundheit „…ein Zustand des Wohlbefindens, in dem eine Person ihre Fähigkeiten ausschöpfen, die normalen Lebensbelastungen bewältigen, produktiv arbeiten und einen Beitrag zu ihrer Gemeinschaft leisten kann.”
Für mich ist Mental Health die Basis, um 1. den eigenen Job gut machen und alles geben zu können und 2. gut für sich selbst zu sorgen. Deswegen sollten Unternehmen auch alles dafür tun, die mentale Gesundheit der Mitarbeiter*innen zu stärken. Das ist nachhaltiges Unternehmer*innentum. Und da muss ein Umdenken her: Mentale Gesundheit ist reine Privatsache, man muss nur die Zähne zusammenbeißen, dann vergehen die schlechten Tage ganz von allein? Kompletter Bullshit.

Laut einer Statistik der Personalwirtschaft (Januar 2022) steigt die Zahl der aufgrund von psychischen Erkrankungen arbeitsunfähigen Arbeitnehmer*innen kontinuierlich. Betrachtet man allein die entstehenden Krankheitskosten für psychische Erkrankungen, sprechen wir hier von einer Summe von mehr als 44 Milliarden Euro pro Jahr für die Unternehmen und die Wirtschaft. Bei EDITION F haben wir als ersten Step der Prävention den Mental Health Day eingeführt, ein optionaler Extra-Urlaubstag, den ich als Investition sehe – vor allem für EDITION F.

Das Loslassen ist für mich ein sehr wichtiger Teil der eigenen mentalen Stärke. Damit meine ich das Loslassen von Erwartungen an sich selbst, Erwartungen an andere, Lebensträume oder gar von Perfektionismus und stetigem Optimierungszwang. Ohne dieses Loslassen kann ich nicht mental stark sein. Genau diese Erfahrung musste ich in meiner Auszeit machen und der Knoten in meinem Kopf platzte im Januar nicht ganz schmerzfrei. Ich kann sehr schlecht vom Job loslassen und fühle mich oft für alles verantwortlich. Ich wollte mein Team nicht im Stich lassen und meine To-dos auf ihre Schulten packen. Der Start des FFF DAY 2022 stand an, ein neuer Geschäftsbereich und ein kompletter Relaunch.

„Ich vergleiche mein Team oft mit einem Orchester – die Kommunikation untereinander ist das Allerwichtigste und eine zweite Geige kann auch mal die erste sein und umgekehrt.”

Franziska Gärtner

Ich vertraue meinem Team zu 100 Prozent und sie haben diese Wochen so gerockt. Ich habe in der Zeit keine einzige Mail oder Slack-Nachricht gecheckt und sie haben mir nie wegen beruflicher Fragen geschrieben. Aus meiner Perspektive ist so ein Vertrauen in andere Personen eine Stärke, Dinge und Prozesse nicht zu kontrollieren. Genauso ist es eine Stärke, ein Arbeitsumfeld zu schaffen, in dem jede Person auf eine bestimmte Zeit gut vorbereitet vertretbar ist. Ich vergleiche mein Team oft mit einem Orchester – die Kommunikation untereinander ist das Allerwichtigste und eine zweite Geige kann auch mal die erste sein und umgekehrt. Und wenn eine Person wegen Krankheit oder einer Auszeit wegfällt, bricht nicht alles zusammen und man kann loslassen vom Job. So ein Team zu haben und in so einem Arbeitsumfeld arbeiten zu dürfen, ist ein großes Geschenk und erfüllt mich mit Stolz und Zufriedenheit.

Schließlich hatte ich den Fehler gemacht, mir zu viele Projekte mitzunehmen. Das Auto war vollgestopft mit selbsttrocknendem Ton, LEGO-Projekten (ich liebe LEGO), einem Malen-nach-Zahlen-Bild, einer Liste von möglichen Online-Kursen, Rezepten, die ich unbedingt mal ausprobieren wollte, neuem Sport-Equipment und unzähligen Büchern. Vor Ort wollte ich mir dann noch eine Angel kaufen, um Hochseefischen auszuprobieren. Jeder gesunde Menschenverstand fragt an dieser Stelle: ‚Franzi, wann willst du das alles machen?’ Aber ich war guter Dinge. Malte noch das Bild für meine Eltern und buchte ein Coaching für meinen Mann und mich, um unsere Potenziale mehr zu entfalten. Bis ich realisierte, wie viel Stress und Druck ich mir wieder gemacht hatte.

Wie konnte ich nur von der einen Stresssituation in die nächste hüpfen? Nach dem Gruppencoaching war Schluss. Und genau hier begann meine Auszeit und das Gefühl dieses eigenen Loslassens tat so verdammt gut. Es kullerten Tränchen der Erleichterung und ich war das erste Mal seit Ewigkeiten wieder losgelöst und glücklich. Ein neuer Happy Place Moment war geschaffen, wie unsere Paar-Coachin immer sagt.

Was ist euer Happy Place? Wann konntet ihr das letzte Mal loslassen? Und was tut ihr oder euer Unternehmen für eure mentale Gesundheit? Schreibt es mir gerne an hej@franzigaertner.com oder bei Instagram @franzigaertner.

Bis bald und passt auf euch auf,
Franzi


Dieser Text erschien erstmals in unserem Voices Newsletter, für den ihr euch HIER anmelden könnt. Jede Woche teilt darin eine Stimme aus dem EDITION F-Team ihre ganz persönlichen Gedanken zu den Themen Sex, Vereinbarkeit, Popkultur, Mental Health und Arbeit.


*Ich bin mir des Privilegs bewusst, dass ich einen Job habe, indem es mir ermöglicht wird, eine längere Auszeit zu nehmen und wir es uns auch privat leisten können, so lange Urlaub zu machen bzw. regelmäßig Coaching-Stunden zu besuchen.

Anzeige