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Transgender Day of Visibility: Lukas von Horbatschewsky im Interview

Lukas von Horbatschewsky spricht offen darüber, wie seine Geschlechtsidentität als trans Mann seine Realität als Schauspieler prägt. Bekannt wurde er in seiner Rolle als David in der Youtube-Serie „Druck“ (funk). Kantom Azad traf Lukas und trank mit ihm Kakao.

Lukas ist Schauspieler, Drehbuchautor und Sprecher. Seine erste Schauspielrolle hatte er in der Jugendfernsehserie „Druck“, in der er einen einen jungen trans Mann spielte. Seitdem wirkte er in verschiedenen Serien und Filmen mit und beteiligt sich an Projekten als Drehbuchautor.

Lukas spricht mit Kantom in unserem Videoformat „Kakao mit Kanti“ über seine Transidentität und damit verbundene Schwierigkeiten und Erfahrungen. Außerdem erzählt er, wie die Schauspielerei das Verhältnis zu seinem Körper beeinflusst, wie er seinen Aktivismus gestaltet und was er sich gesellschaftlich im Umgang mit seiner Identität als trans Mann wünscht.

Inwiefern hat die Schauspielerei das Verhältnis zu deinem Körper beeinflusst?

„Ich hatte ganz am Anfang die naive Annahme, dass man durch Schauspielerei sozusagen von sich selber wegkommt. Also wenn man zum Beispiel Mental Health Probleme hat, dass man dann sagt: Ich werde Schauspieler, dann brauche ich mich damit nicht auseinandersetzen, ich spiele einfach andere Personen. Bis du dann feststellst, dass du dich in der Schauspielerei die ganze Zeit mit dir selbst auseinandersetzt, weil ja alles aus dir selbst kommen muss und du ständig konfrontiert bist mit deiner Identität und eben auch mit deinem Körper. Anfangs habe ich meinen Körper lange als Hindernis gesehen in diesem Job, denn auch nach der Mastektomie hast du irgendwelche Scars (Narben), die cis-Rollen, die ich zum Glück auch spielen durfte, nicht haben – und dann hast du immer diese Angst: Oh Gott, was ist jetzt, wenn ich in der Produktion mein Shirt ausziehen muss? Sind sie kompromissbereit oder sind sie es nicht?

Mittlerweile versuche ich, davon wegzukommen und meinen Oberkörper, so wie er ist, auch einfach wahrzunehmen als ,Das kann jede Rolle sein’. Und das heißt nicht, dass die Rolle trans ist, nur weil die Person diesen Oberkörper hat. Es gibt Wege, wie man damit arbeiten kann. Zusätzlich versuche ich, dankbar dafür zu sein, dass ich diesen Körper habe, um zu spielen. Gleichzeitig hat die Schauspielerei mir aber auch immer wieder vor Augen geführt: Du kannst alles sein, was du willst. Du bist nicht nur das eine, was dich ausmacht.“

Nicht jede Rolle ist about you being trans – du kannst eben auch cis Rollen spielen oder eben in ganz verschiedene Rollen schlüpfen, genauso wie cis Menschen. 

„Ja, das ist keine Selbstverständlichkeit. Ich bin mir bewusst, dass es Kolleg*innen gibt, deren Erfahrungen und Herausforderungen sich stark von meinen unterscheiden. Dies liegt zum Teil daran, dass ich ein trans Mann bin, was in einer von Sexismus geprägten Gesellschaft eben auch Vorteile hat. Außerdem kontrolliere ich sehr genau, wann und wie ich über mein Transsein spreche. Es gibt auch Anfragen, etwa für Serien, bei denen mir scheint, dass nicht ausreichend recherchiert wurde, was die Darstellung von trans Personen betrifft. In solchen Fällen entscheide ich mich bewusst gegen eine Mitwirkung. Mir ist es wichtig, dass meine Identität und meine Geschichte nicht leichtfertig verwendet werden. Sie sind ein wesentlicher Teil von mir, etwas sehr Persönliches. Wenn trans Personen mich auf dem Bildschirm sehen, wünsche ich mir, dass sie eine Geschichte wahrnehmen, die authentisch ist und ihre Lebensrealität widerspiegelt, anstatt eine vereinfachte oder stereotype Darstellung von trans Identitäten.

Es ist unglaublich motivierend zu sehen, wie Personen wie Hunter Schafer in neuen Projekten wie dem Hunger Games-Film eben nicht in einer trans Rolle mitwirken, sondern einfach als Schauspielerin wahrgenommen werden. Das ist es, was ich mir auch für mich und für andere trans Personen wünsche: als Individuen gesehen zu werden.“

Ich denke, dass es extrem inspirierend für viele Menschen ist, was du machst.

„Ich frage mich selbst manchmal, ob das, was ich mache, wirklich als Aktivismus zählt. Ich überlege, wie ich über bestimmte Themen sprechen kann, allerdings mehr in einem kreativen als in einem explizit politischen Kontext. Das bedeutet nicht, dass ich mich privat nicht politisch positioniere, aber öffentlich bevorzuge ich es, durch meine Kunst zu sprechen. Ich empfehle zum Beispiel Filme, um bestimmte Themen anzusprechen. Als Autor setze ich mich dafür ein, dass trans Personen in Geschichten vorkommen und auf eine angemessene Weise repräsentiert werden.“

Was wünschst du dir im direkten Umgang mit anderen Menschen bezüglich deiner Transidentität?

„Ich habe mir abgewöhnt, so ein Geheimnis daraus zu machen. Wenn eine Person offen darüber spricht, dann ist das meistens auch ein Indikator dafür, dass sie auch offen damit umgehen möchte. Heißt nicht, dass man dann sagen darf: Ja okay, aber wie hast du denn vorher geheißen und zeig mal deine Fotos! Das ist nicht die Reaktion, die man sich wünscht. Es gibt Menschen, die damit kein Problem haben, aber andere eben schon. Es ist auf jeden Fall wichtig, keine Angst vor der Thematik zu haben, weil sich Leute dann auch komisch fühlen, wenn sie sowas nicht in der Konversation normal einbauen dürfen.“

Und welchen Umgang wünscht du dir im größeren gesellschaftlichen Kontext?

„Ich glaube, dass man keine Angst davor haben muss, dass Leute nicht irgendeiner Norm entsprechen. Das ist doch okay. Auch dieses ,Ich will nicht mit einem trans Mann zusammen sein’ und ,Ich will nicht mit einer trans Frau zusammen sein’: Wir wollen auch nicht mit dir zusammen sein, wenn du das nicht willst! Alles gut, mein Schatz. Es ist okay!“

Welche politischen Rahmenbedingungen sind notwendig, damit sich trans Personen sicherer fühlen?

„Ich finde, dass Gesetze wie das Selbstbestimmungsgesetz enorm wichtig sind, damit Menschen leichter sie selbst sein können. Nehmen wir mein Beispiel: Als minderjährige Person in Deutschland musste ich ein ganzes Jahr lang therapeutische Begleitung in Anspruch nehmen, welche letztendlich darüber entschied, ob ich wirklich trans bin. Diese Entscheidung betraf nicht nur die Hormontherapie, sondern auch operative Eingriffe wie eine Mastektomie. Ich verstehe, warum eine solche Instanz existiert, aber die Bedingungen dafür sind herausfordernd. Man wird quasi gezwungen, sich in allen Lebensbereichen zu outen, einschließlich der Schule. Dies kann besonders schwierig sein, wenn man, wie ich, eine eher konservative Schule besucht oder in einem konservativen familiären Umfeld lebt. Diese Vorgaben empfinde ich als sehr belastend und sogar gefährlich für trans Menschen, vor allem für junge. Die therapeutische Begleitung sollte eigentlich ein sicherer Raum sein, um Unsicherheiten zu besprechen und Sicherheit zu gewinnen. Doch häufig wird vermittelt, dass jeglicher Ausdruck von Zweifel das Ende des Prozesses bedeuten könnte. Man wird in eine Position gedrängt, in der man lernt, selbst berechtigte Zweifel für sich zu behalten, um den Zugang zu notwendigen Behandlungen nicht zu gefährden.

Wenn du Zweifel hast, fühlst du dich oft isoliert, weil du diese weder mit deiner Therapeutin besprechen kannst – aus Angst, sie könnte dir die medizinische Versorgung entziehen – noch wirklich mit deiner Familie, die sich erst damit abfinden muss, dass du trans bist. Wenn du dann äußerst, dass du manchmal unsicher bist, könnten sie denken, du seist dir deiner Identität nicht sicher. Wenn du dann kein unterstützendes trans Umfeld hast, stehst du ziemlich allein da, und das sollte nicht so sein. Die Entscheidungsträger*innen und Fachpersonen müssen besser verstehen, dass Zweifel normal sind und nicht grundsätzlich bedeuten, dass jemand sich nicht als trans identifiziert.

Ich erhielt ein veraltetes staatliches Dokument mit Anforderungen für die Namensänderung im Ausweis, darunter Operationen am Ober- und Unterkörper, was längst nicht mehr aktuell ist. Dass solche Dokumente immer noch verschickt werden, suggeriert fälschlicherweise, dass man sich einer Zwangssterilisation unterziehen muss, um die Änderung offiziell zu machen. Solche Vorfälle dürfen nicht passieren. Der Druck, der dadurch entsteht, ist enorm.“

Hinzu kommt ja auch der finanzielle Aspekt…

„Ja, letztendlich habe ich die Kosten für meine Namensänderung selbst getragen, weil man das Gericht dafür bezahlen muss. Du musst vor Gericht erscheinen und dich präsentieren, zusätzlich zu zwei weiteren Gutachten von Therapeut*innen, die erneut bestätigen müssen, dass du wirklich trans bist. Es ist dieser ständige Prozess, all diese therapeutischen Nachweise zusammenzutragen, bei dem das Selbstbestimmungsgesetz eine Hilfe sein könnte.“

Was hast du über dich selbst gelernt, seitdem du dir deiner Transidentität bewusst bist?

„Was ich definitiv gelernt habe in meinen jungen 23 Jahren, ist, dass mir Geschlecht mittlerweile relativ egal ist. Das mag paradox klingen, denn jahrelang war meine Geschlechtsidentität eines meiner zentralen Themen. Doch jetzt, da ich das Gefühl habe, endlich an einem Ort angekommen zu sein, an dem ich mich akzeptiert und wohl fühle, ist es für mich weniger bedeutsam geworden. Ich habe wieder angefangen, Aspekte meiner selbst zu akzeptieren, die gesellschaftlich als feminin betrachtet werden, und sie wieder in mein Leben zu integrieren. Denn es muss nicht ausschließlich eine Identität geben. Am Anfang meiner Transition hatte ich oft das Gefühl, einem bestimmten Bild von Männlichkeit entsprechen zu müssen – nicht zu feminin sein, kurze Haare haben usw. Und dem entziehe ich mich jetzt langsam wieder, und das hat gar nichts mit meiner Identität zu tun. Es geht einfach um meine Art, mich auszudrücken. Seit meiner Transidentität ist mir klar geworden, dass es darum geht, authentisch man selbst zu sein.“

Das regt vermutlich viele Leute auf, nehme ich an, weil es einfach nicht in eine Schublade passt. Man kann es nicht klar definieren, sondern es ist irgendwo sehr fluide, und das stört viele Menschen, weil sie klare Kategorien wollen.

„Und das verstehe ich auch. Ich habe selbst lange Zeit so empfunden, weil ich dachte, wenn du trans bist, dann willst du das doch auf eine bestimmte Weise, und das stimmt auch immer noch, aber jeder hat seine eigene Interpretation davon, wie er das will und in welchem Maße. Und ich glaube, das hat auch oft Passing Reasons. Also am Anfang gehen binäre trans Menschen oft sehr in eine Richtung, um überhaupt erst mal zu passen, und das ist auch komplett legitim.

Du möchtest einfach nur, dass, wenn du schon in der Schule sein musst, ohne Testosteron, du wenigstens den Kurzhaarschnitt und das T-Shirt hast, sodass dich niemand hier versucht, anders zu kategorisieren. Aber eigentlich geht es darum, man selbst zu sein, und das ist fast nie so binär, wie wir uns das erzählen. Ich lerne auch viel von nicht-binären Menschen, weil sie damit auf eine ganz andere Weise umgehen, glaube ich.“

Ist es nicht auch oft so, dass viele nonbinäre Menschen auch erst mal so den trans Weg gehen und dann realisieren: Es ist vielleicht doch eher Nichtbinarität?

„Ich glaube, es hat auch viel mit Education zu tun, und das ist wieder ein großes strukturelles Problem. Es war auch ein Riesenproblem bei mir, überhaupt darauf zu kommen, dass ich trans bin. Ich wusste nicht, dass ,trans’ existiert. Zum Glück bin ich in einer Zeit aufgewachsen, in der es das Internet gibt, weil ich das zufällig durch den YouTube Algorithmus herausgefunden habe. Wenn es von Anfang an Teil der Bildung wäre, dann würden viele Menschen diese Schwierigkeiten gar nicht haben.“

Es gibt ja Menschen, die zu dem Thema eine starke Meinung haben, wenn es um die zunehmende Sichtbarkeit von trans Personen geht. Sie glauben, dass dadurch mehr Menschen trans werden könnten. Das ist ein allgemeines konservatives Narrativ, das wir immer wieder hören. Aber wie du bereits erwähnt hast, ist es eigentlich so, dass eine Person, die betroffen ist, durch Aufklärung viel weisere Entscheidungen treffen kann. Es kann sein, dass sie sich entscheidet, eine Operation durchzuführen, aber es kann auch sein, dass sie es nicht tut. Diese Sichtbarkeit ist daher so wichtig.

„Absolut. Ich habe das verinnerlicht und dachte, ich müsste eine bestimmte Art von Mann sein, um ein ,echter’ trans Mann zu sein. Andernfalls wäre ich nur ein ,trans Trender”, wie manche Leute das netterweise nennen, also jemand, der nur aus Trendgründen trans ist, was auch immer das bedeuten soll. Ich denke, es hat lange gedauert, bis wir dazu gelernt haben und jeden Schritt der Transition sorgfältig durchdachten. In meinem Fall war es gut zu sagen: ,Okay, ich fange erstmal mit Hormonblockern an und sehe dann weiter. Ich beginne jetzt mit Testosteron und sehe dann weiter.’ Diese Behauptung von außen, besonders aus konservativer Richtung, dass Menschen nur trans werden, weil sie es im Fernsehen sehen, ist einfach nicht wahr – sind sind nur informierter darüber. Trans Menschen gab es schon immer, auch bevor darüber gesprochen wurde. Ich denke, es ist wichtig, sich das immer wieder bewusst zu machen, dass wir keine ,Neuerscheinung’ sind. Mein Ziel ist es, in Projekten, wo es sinnvoll ist, so viele Transrollen wie möglich einzubeziehen, um unterschiedliche Perspektiven zu erzählen, damit sich niemand sagen muss: ,Diese eine Transrolle hat mich nicht repräsentiert.’ Stattdessen können sie sich in den verschiedenen Rollen wiedererkennen.”

Über welches Thema im Zusammenhang mit Transidentität sollte deiner Meinung nach mehr gesprochen werden? 

„Ein Thema, gerade wenn es um Queerness geht, ist Einsamkeit. Also ich glaube ;queer people are one of the most lonelyst people’. Auch wenn wir uns in unseren eigenen Kreisen bewegen, gibt es immer dieses Gefühl der Andersartigkeit, das irgendwie nur in bestimmten Räumen akzeptiert zu sein scheint. Manchmal fühlt es sich an, als würden wir ständig mit einem Geheimnis herumlaufen, das jeder zu kennen scheint und das jeder irgendwie von uns wissen will. Gleichzeitig aber will niemand wirklich wissen, wie sich dieser Zwiespalt anfühlt.

Wie ist es, wenn man in einen Club geht und niemanden anflirten möchte oder selbst nicht angeflirtet werden will, aus Angst davor, dass man zwar im Moment der Begegnung als attraktiv wahrgenommen wird, aber sobald man sich als trans outet, plötzlich abgelehnt wird? Es ist schwer, denn einerseits möchten wir, dass mehr darüber gesprochen wird, dass Unterstützung angeboten wird und dass wir gesehen werden. Gleichzeitig ist es aber auch nur ein Teil unserer Identität. Das Wort ,Diversität‘ habe ich in den letzten drei Jahren so oft gehört, dass es fast schon negativ klingt, obwohl es eigentlich gut gemeint ist.“

Man wird halt oft als Token verwendet.

„Ich sitze oft in Writers Rooms mit white straight People und ich bin dann der, der jetzt alle Boxen einmal abcheckt und den Rest übernimmt. Und das ist auch okay. ,I rather be there than not be there‘. Mein Wunsch ist es, dass ich in den Kontexten, die ich selbst bestimme, als jemand wahrgenommen werde, der darüber sprechen kann, aber in anderen Kontexten einfach als Künstler betrachtet werde. Zusätzlich bin ich auch BiPoC, was die Dinge nicht einfacher macht, da ich bestimmte Rollen einfach nicht bekomme. Das Problem liegt darin, dass wir von Anfang an nicht mitgedacht werden. Es ist gerade noch möglich, einen Bäcker als Schwarzen Mann zu besetzen, ,kein Problem, das kriegen wir noch hin‘. Aber dann hat diese Rolle oft keinen Inhalt. Die Hauptrollen hingegen gehen meistens an weiße Schauspieler*innen. Das liegt daran, dass weiße Autor*innen, Regisseur*innen und Produzent*innen, die oft auch heterosexuell, cis und meistens auch männlich sind, diese Geschichten schon lange begleiten und unbewusst Nuancen in die Hauptrollen einarbeiten, die nicht zur Lebensrealität von Personen aus marginalisierten Gruppen passen.“

Was möchtest du Menschen jetzt für diesen Transgender Day of Visibility mitgeben?

„Finde Leute in deiner Community und versuche, dir ein Netz aufzubauen, damit du dich nicht so alleine fühlst, weil: Du musst es nicht alles alleine schaffen! Es gibt Menschen da draußen, die genau das gleiche gerade durchmachen wie du und es ist okay to ask for help.“

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