Junge Frau steht vor einem riesigen Bücherregal und liest eines der bunten Bücher. Sie trägt eine Brille und langes schwarzes Haar.
Foto: Göksu Taymaz | Pexels

Identität, Liebe, Krisen: Fünf neue Romane über die Lebensrealität junger Menschen

„Es fehlt die Sicht auf die Welt durch Frauenaugen!“, sagte die Schriftstellerin Mareike Fallwickl („Die Wut, die bleibt“) in einem Interview mit EDITION F. Diese Lücke wird aktuell von sehr vielen großartigen Romanen gefüllt. Unsere Autorin Theresa Althaus hat fünf von ihnen für uns gelesen. Sie zeigen eindrücklich die Lebensrealitäten junger Menschen in einer Zeit, die von Krisen und Hoffnung gleichermaßen geprägt ist.

Goethe, Schiller, Mann: Wer als Lieblingsfach in der Schule Deutsch hatte, Germanistik oder Literatur studiert hat, wird ständig mit den Werken von großen Dichtern und Denkern konfrontiert. Und die mögen zwar tolle Gedichte und Romane geschrieben haben, reproduzieren aber immer wieder eine einzige Lebensrealität: die des weißen Mannes. Schriftstellerei war schon immer überwiegend männlich – nicht zuletzt, weil Frauen in der Vergangenheit aufgrund patriarchaler Machtstrukturen in den seltensten Fällen die Ressourcen hatten, überhaupt literarisch tätig zu sein.  

Um so schöner ist es, zu beobachten, wie dieser Kreislauf langsam durchbrochen wird. Heute erscheinen immer mehr Romane, die von Frauen verfasst wurden und die Lebensrealität (junger) Frauen beleuchten. So rückt diese auch viel mehr in die Mitte der Gesellschaft. Hier kommen fünf Romane, die neu in diesem Jahr erschienen sind. Sie sind allesamt von Frauen geschrieben und beschäftigen sich mit den Themen Frausein und allem Schönen wie Traurigen, was damit einhergeht.  

1. Only Margo – von Rufi Thorpe

Dieser Roman ist nicht nur lustig, sondern auch nah am Zeitgeist. Es geht um eine junge Frau, die erst von ihrem Professor geschwängert und anschließend von ihm verlassen wird. Aus Geldnot gründet sie wenig später einen „Onlyfans“-Account und postet dort aufreizende Inhalte von ihrem Körper.

Über die Frage, ob es ein feministischer Akt ist, wenn FLINTA mit pornografischen Inhalten Geld verdienen, sind sich heutzutage immer noch viele Feminist*innen uneinig. Aber wie verschiebt sich die eigene Vorstellung von Moral, wenn eine solche Einkommensquelle für eine junge Frau, die von einem Mann sitzengelassen wurde, schlicht als Mittel genutzt wird, um ihr Baby und sich selbst finanziell über die Runden zu bringen? Rufi Thorpe setzt sich in ihrem Roman auf lustige und humorvolle Weise mit dieser Fragestellung auseinander. Erschienen bei Ecco am 28. Januar 2025

Du fängst an, ein neues Buch zu lesen, und hast ein bisschen Herzklopfen. Der Beginn eines Romans ist wie ein erstes Date. Du denkst: Hoffentlich ziehen die Zeilen mich sofort in ihren Bann, und ich versinke in der Geschichte wie in einem wohligen Bad, das mich alles andere vergessen lässt.“ 

2. No Hard Feelings – von Genevieve Novak 

Dieser Roman ist zwar nicht übermäßig tiefgründig, aber doch sehr unterhaltsam – und vermutlich können sich viele junge Frauen in der westlichen Welt damit identifizieren. Es geht um die 27-jährige Penny aus Melbourne – sie befindet sich in dieser typischen Lebensphase, in der gefühlt die eine Hälfte der Leute schon verheiratet ist, ein Haus baut und Kinder bekommt, während der Rest der Freundesgruppe noch in WGs wohnt, durch wie Welt reist oder sich immer wieder neu erfindet.

Penny hängt irgendwo zwischen den Stühlen: Ihr On-Off-Freund will sich nicht so richtig auf sie einlassen, ihre Chefin ist ständig unzufrieden mit ihr, außerdem hasst sie ihren Job. Und ihre Freundinnen fangen an, andere Dinge als ihre Freundschaft im Leben zu priorisieren. Wie kann Penny für sich selbst den richtigen Weg finden? In dem Roman geht es um Selbstwert und Selbstfindung – und um die Veränderungen, die bei vielen jungen Frauen mit dem Erwachsenenwerden einhergehen. Erschienen bei pola am 28. Februar 2025 

„Es ist, als ob ich darauf WARTETE, dass mein Leben beginnt. Bis jetzt sind diese SITUATIONSHIPS und RÜCKSCHLÄGE Teil eines Films, der mittendrin beginnt, und von mir aus könnte allmählich mal der Vorspann kommen. Ich habe es satt zu warten.

3. Wenn wir lächeln – von Mascha Unterlehberg 

Ein liebevoll erzählter Roman, der sich mit der Frage auseinandersetzt, was es bedeutet, eine Frau zu sein. Es geht um die Freundinnenschaft zwischen den beiden heranwachsenden Frauen Jara und Anto, die im Ruhrgebiet leben und eine intensive, schwersternähnliche Verbindung haben.

Das Buch ist zart geschrieben, berauschend und zwischendurch poetisch. Aber es werden auch härtere Themen behandelt: Falls ihr euch unwohl fühlt mit den Themen Gewalt, sexualisierter Gewalt oder Suizid, solltet ihr das Buch lieber nicht lesen. Erschienen bei Dumont am 11. Februar 2025

„Wir treiben uns Stahlplatten in die Schultergelenke. Tänzeln auf der Stelle, tarieren die Schwere des Metalls aus. Werfen die Köpfe vorm Spiegel von links nach rechts. Beugen uns vor, um uns von Nahem zu betrachten. Erkennen jede Wimper, jede Pore, jede Unreinheit und lieben alles, was wir vor uns sehen.“

4. Good Girl – von Aria Aber 

Hier lernen wir die junge Frau Nila kennen, die Anfang der 2000er-Jahre in Berlin ihre Jugend erlebt. Ihre Eltern sind aus Afghanistan nach Berlin geflohen, vor wenigen Jahren ist ihre Mutter gestorben. Und Nila hat so große Probleme mit ihrer eigenen Identität, dass sie sich sogar vor ihren engsten Freund*innen nicht traut, ihre wahren Wurzeln preiszugeben.

Ihren Identitäts- und Selbstwertproblemen entkommt sie in der Partyszene Berlins – und in einer toxischen Beziehung zu einem viele Jahre älteren Künstler mit Drogenproblem. Ein herzzerreißender Roman über Zugehörigkeit, Identität und die wilde Jugend, in der manche Menschen sich ein bisschen zu sehr verlieren. Immer wieder schimmert Nilas tiefe Traurigkeit durch die Zeilen des Romans – und lässt die Leser*innen ziemlich gerührt zurück. Der Roman wurde aus gutem Grund für den deutschen Buchpreis nominiert. Auch hier solltet ihr aber einen Blick auf mögliche Content-Warnungen werfen, bevor ihr den Roman lest. Erschienen bei Ullstein am 14. Januar 2025 

„Die Zugfahrt zurück nach Berlin dauerte sieben Stunden, und das nasse Handtuch in meinem Koffer durchweichte die Seiten meiner Lieblingsbücher. Ich nahm die S-Bahn und dann die U-Bahn bis zur Lipschitzallee. Ich lief am Discounter vorbei, an der alten Apotheke und der Qurbani-Bäckerei, vor deren Tür sich die rote Ladenkatze rekelte. ,Hallo, Spinne, sagte ich in Richtung der kaputten Glühbirne im Aufzug. Das Licht flackerte, was das kleine Hakenkreuz-Graffiti außerirdisch erscheinen ließ, und ein intimer Geruch stieg mir in die Nase: Urin in Verbindung mit Asche. Mein Schlüssel drehte sich im Schloss.

5. Dream Count – von Chimamanda Ngozi Adichie 

Auf diesen Roman der Weltbestsellerin und feministischen Ikone Chimamanda Ngozi Adichie („Americanah“) haben wir alle sehnsüchtig gewartet. Es geht um vier junge Frauen: Die Reiseschriftstellerin Chiamaka, die hin- und hergerissen ist zwischen ihrer nigerianischen Heimat und ihrem amerikanischen Zuhause. Die Anwältin Zikora, die das Verhältnis zu ihrer eigenen Mutter neu reflektieren muss, als sie selbst eine Tochter bekommt.

Dann gibt es da noch Omelogor, eine Bankerin in Nigeria, die von Idealismus getrieben versucht, Frauen und ihre Unternehmen zu fördern – und dann kündigt, um in den USA zu studieren. Und zuletzt wäre da Kadiatou. Was mit einer Belästigung durch einen Mann in ihrem Job beginnt, droht, über ihre Zukunft zu entscheiden. Alle vier Frauen möchten gesehen und geliebt werden – und vor allem eines: selbstbestimmt leben. Erschienen bei S. Fischer am 4. März 2025.

„Ich habe mich immer danach gesehnt, von einem anderen Menschen erkannt zu werden, wirklich erkannt. Manchmal hegen wir jahrelang Sehnsüchte, die wir nicht benennen können, bis sich ein Riss im Himmel auftut, durch den wir uns selbst erkennen, wie eine Offenbarung – so wie in der Pandemie, denn während des Lockdowns fing ich an, mein Leben zu durchforsten und den lange Zeit unbenannt gebliebenen Dingen Namen zu geben.“

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