„Ich kann nicht mehr, ich springe heute vom Balkon“. So ein Satz ist schnell gesagt als Mutter, die immer funktionieren muss. Aber was, wenn es dann tatsächlich passiert? – „Die Wut, die bleibt“ heißt der neue Roman von Mareike Fallwickl.
Ich muss vorwegnehmen, dass das Lesen dieses Buches bei mir von extremen Emotionen begleitet war. Von tieftraurig über extrem verwirrt bis richtig wütend. – „Die Wut, die bleibt“ ist ein Roman. Aber es ist noch mehr. Ich traf die Salzburgerin im Literaturhaus am Tag ihrer Lesung in Berlin-Charlottenburg. Ein Interview über einen kollektiven Schmerz, der greifbar wird.
„Die Wut, die bleibt“
Helene, Mutter von drei Kindern, steht beim Abendessen auf, geht zum Balkon und stürzt sich ohne ein weiteres Wort in den Tod.
Der Familie fehlt von einer Sekunde auf die andere alles, was sie bisher zusammengehalten hat: Liebe, Geborgenheit, Umsorgung.
Während der Vater dem Broterwerb nachgehen muss, tritt nach und nach die beste Freundin der Verstorbenen an deren Stelle: die Schriftstellerin Sarah. Und dann ist da noch Lola, die fünfzehnjährige Tochter, die sich nach dem Verlust ihrer Mutter auf ein zentrales Gefühl konzentriert: ihre Wut.
„Die Wut, die bleibt“ ist im Rowohl Verlag erschienen.
Es war (auch als Mutter) schmerzhaft, dieses Buch zu lesen. Weil es die Lüge so deutlich ausmalt: Die Lüge der Vereinbarkeit. Die Lüge der ach so weit fortgeschrittenen Gleichberechtigung. – Wie schmerzhaft war es, dieses Buch zu schreiben? Und wie waren die Reaktionen?
„Es war sehr schmerzhaft, das Buch zu schreiben. Sehr heftig. Ich habe selbst oft geweint. Vor allem auch, weil es echte Geschichten sind.
Die Reaktionen auf das Buch sind intensiv. Mütter schreiben mir nachts um 2: ,Ich stille gerade mein Baby und lese nebenbei dein Buch und kann nicht aufhören zu heulen.‘ Oder: ,Ich habe es gelesen und direkt danach meine Mutter angerufen, wir haben lange geredet und ich bewerte meine Beziehung zu ihr ganz neu.‘
„Es ist ein Riesenunterschied, ob du sagst: Mütter werden strukturell benachteiligt. Oder ob du sagst: Eine Frau, die drei Kinder hat, verliert 71 Prozent ihres potenziellen Vermögens.“
Ich merke das auch bei den Lesungen. Ich lese nur kurze Sachen und rede dazwischen sehr viel. In diesem Rahmen habe ich einen Vortrag aus Daten und Fakten gehalten, denn es ist ein Riesenunterschied, ob du sagst: ,Mütter werden strukturell benachteiligt.‘ Oder ob du sagst: ,Eine Frau, die drei Kinder bekommt, verliert 71 Prozent ihres potenziellen Vermögens.‘ Da sind alle erst mal geschockt.
Viele Frauen bedankten sich dafür, dass ich es aufgeschrieben habe. Uns wird dauernd abgesprochen, dass wir so fühlen oder dass wir so fühlen dürfen. Und ständig heißt es. Was wollt ihr denn? Stellt euch nicht so an? – Dann hilft es, dass es greifbar ist, dass es da schwarz auf weiß steht, auf diesen Seiten, in diesem Buch. Bei den ersten drei, vier Veranstaltungen waren die Emotionen im Raum richtig greifbar. Viele Frauen waren tränenüberströmt. Das war wie eine Welle, die zurückgeschwappt ist, wie ein kollektiver Schmerz, den man greifen kann.
Der große Gegenwind, auf den der Verlag lange vorbereitet war und auf den er auch mich vorbereitet hat, blieb eigentlich aus. Das ist nicht passiert. Auch nicht in der Presse.“
Gegenwind im Sinne von Abwertung oder Kritik an der Radikalität?
„Man kennt es, Spott und Häme via Social Media. Ganz vereinzelt wurde mir vorgeworfen, das Buch sei gewaltverherrlichend oder zu radikal. Das finde ich interessant, denn niemand nennt den Alltagskrimi gewaltverherrlichend. Wir sind es gewöhnt, dass es da einfach viele weibliche Opfer gibt oder Gewalt, die von Männern in Richtung Frauen ausgeht. Das ist für uns völlig normal. Und dann komme ich mit diesem Buch und stelle die Frage: Was ist, wenn es umgekehrt ist? Was ist, wenn dieser Satz ,Männer sind Frauen am Ende des Tages körperlich überlegen’ auf einmal nicht mehr stimmt? Das löst ein massives Unbehagen aus.
– Dieses Unbehagen ist das Patriarchat, das lässt euch herzlich grüßen.
„Was ist, wenn dieser Satz ,Männer sind Frauen am Ende des Tages körperlich überlegen’ auf einmal nicht mehr stimmt?“
Viele meinen, es sei zu krass, was Lola da macht. Und ja, es ist krass. Aber niemand thematisiert, was diese Männer vorher getan haben und dass sich Lola und ihre Freund*innen explizit rächen, immer wenn sie wissen: Da ist etwas passiert. Das heißt, diese Männer haben vorher missbraucht, vergewaltigt, misshandelt. Die meisten – auch die Presse – haben verstanden, dass es ein literarisches Gedankenspiel ist.“
Also fast wie eine Art Versuchsanordnung?
„Eigentlich schon. Und beim Schreiben hat es Spaß gemacht, all diese Tabus zu brechen, diese Mädchen immer größer, massiver und breiter werden zu lassen, bis sie die herkömmlichen Schönheitsideale nicht mehr erfüllen. Sie rasieren sich die Haare ab und schwimmen komplett dagegen. Sie sind alles, was junge Frauen nicht sein sollen: aufmüpfig, dagegen, wütend, gewalttätig. Ob es gut oder gerechtfertigt ist, was sie da machen, kann ich auch nicht sagen. Aber ich fand es interessant, schreibend diesen Versuch zu starten und zu schauen, wohin das führt.“
Kannst du uns erzählen, wie die Idee zustandekam und wann die Konstellation insbesondere dieser drei Frauen feststand?
„Es war die Situation im Lockdown, Februar 2021: Wir wussten alle nicht, wann es ein Ende hat. Es gab weder Impftermine noch eine Aussicht auf Besserung. Und so schrieben mir im düstersten Teil dieser Pandemie meine Freundinnen ständig Nachrichten: ,Wieder ein Tag, an dem ich nicht aus dem Fenster gesprungen bin.‘ Oder: ,Ich will nicht mehr. Ich kann nicht mehr. Ich spring einfach vom Balkon.‘ – Dieser Satz ist so hypothetisch, man meint ihn im Normalfall nicht ernst. Und ich saß am Küchentisch, umgeben von Kinderlärm, und dachte: ,Moment. Was ist, wenn eine dieser Frauen das wirklich macht?‘ Ich war wie elektrisiert.
„Hätte ich von der Erschöpfung der Mutter durch die Augen einer Mutter erzählt – man hätte ihr nicht zugehört.“
Ich habe diese erste Seite roh und rotzig heruntergeschrieben. Ich wusste: Ich will nichts anderes schreiben. Es war logisch, über wen ich schreibe und aus welcher Perspektive das erzählt werden muss.
Oft werde ich gefragt, warum Helene nicht erzählt oder warum ihre Geschichte nicht aufgerollt wird. Das stand für mich überhaupt zur Debatte. Denn hätte ich von der Erschöpfung der Mutter durch die Augen einer Mutter erzählt – man hätte ihr nicht zugehört.
Im Moment, in dem wir Kinder kriegen, ist es ein Privatvergnügen, obwohl wir als Gesellschaft doch Kinder brauchen. Man muss sich nur den Hashtag #Coronaeltern anschauen und die entsprechenden Shitstorms. Im Nachhinein halte ich es für raffiniert, die Geschichte aus Perspektive einer Frau zu erzählen, die kinderlos ist.“
Wer hat dich zu der Figur von Lola inspiriert?
„Ich war mit den anderen beiden Büchern oft an Schulen. Die Schüler*innen waren alle unglaublich Informiert, unglaublich interessiert. Es geht ja im zweiten Buch auch um sexualisierte Gewalt, und wir saßen noch lange nach Unterrichtsschluss zusammen und diskutierten intensiv. Viele junge Frauen waren dabei, die sagten: ,Wenn es bleibt wie es ist, dann werden wir keine Kinder kriegen.‘ – Das ist für mich total nachvollziehbar.
„Viele junge Frauen waren dabei, die sagten: Wenn es bleibt wie es ist, dann werden wir keine Kinder kriegen.“
Hier merkte ich auch: Diese Teenager sind zwanzig Jahre jünger, aber sie wissen das gleiche, was ich heute weiß. Ich hatte in dem Alter keine Ahnung, was ,Male Gaze’ ist oder Androzentrismus. Und dann sitzen die da und haben diese Hashtags und die Vernetzung. Und ich dachte: Es muss so eine Frau sein, die wirklich jung ist und die in diese andere Richtung geht und sagt: ,Wir haben keinen Bock auf diese Scheiße hier‘.“
Aber ändert denn die Rebellion von Lola etwas für ihr eigenes Leben?
„Es braucht natürlich im Sinne der Erzählstruktur diesen Konflikt und diese Zuspitzung, dass sie zu weit gehen und merken: Auch diese Gegengewalt hat Grenzen. Sie eignen sich die toxische Männlichkeit nicht an. Sie könnten auch einfach weiter dreschen und dann wäre der Spuk vorbei. Aber das tun sie nicht. Sie reden darüber, denken drüber nach, wo kann das jetzt hinführen?
Für mich ist die Kernbotschaft des Buches die Verbundenheit zwischen Frauen. Wenn wir zusammenhalten, dann können wir etwas bewegen und erreichen. Ich wünsche mir, dass Frauen endlich miteinander reden und dabei ehrlich sind. Nichts ist schlimmer als diese Mütter, die ständig sagen: ,Mein Kind schläft durch, seit es drei Wochen alt ist. Möchtest du ein Stück Regenbogenkuchen? Bei mir ist alles immer sauber. Keine Ahnung, warum dir die Augenringe bis zu den Knien hängen und du mit Babybrei vollgekotzt bist.“
„Wir als Frauen lernen doch von klein auf, dass wir einander die schlimmsten Feindinnen sind. Da ist immer dieses toxische Klima der Konkurrenz.“
Wir haben es halt auch noch geschafft, um all diese anderen Tabus, die mit Mutterliebe zu tun haben, diesen Perfektionswahn drüberzulegen. Wir als Frauen lernen doch von klein auf, dass wir einander die schlimmsten Feindinnen sind. Da ist immer dieses toxische Klima der Konkurrenz. Alle Narrative zielen darauf ab. Es kann nur eine von uns das Topmodel werden. Es kann nur eine diese Stelle kriegen – dank Frauenquote. Wir haben gelernt, uns permanent zu vergleichen und permanent zu schauen, wer was wie gut kann.
„Ich will ein Bewusstsein dafür erzeugen, dass Frauen verdammt gut schreiben und dass sie viel zu sagen haben. Ich verliere ja nichts dadurch, sondern wir gewinnen alle gemeinsam.“
Ich werde oft von anderen gefragt: ,Ist doch total bescheuert, dass du dauernd Bücher von anderen Frauen in die Kamera hältst, du verkaufst doch selber Bücher?‘ Aber nein! Das sind nicht meine Konkurrentinnen. Ich will, dass wir hier gemeinsam im Rampenlicht auf der Bühne sind. Ich will ein Bewusstsein dafür erzeugen, dass Frauen verdammt gut schreiben und dass sie viel zu sagen haben. Ich verliere ja nichts dadurch, sondern wir gewinnen alle gemeinsam.“
Bei EDITION F gab es vor kurzem einen Artikel zu Grenzüberschreitung bei jungen Müttern. Und es wurden wahnsinnig viele Geschichten erzählt. Es wirkte auf mich wie ein kollektives Aufatmen, endlich darüber erzählen zu dürfen.
„Ist es nicht absurd, dass das die Ausnahme ist? Wenn es plötzlich eine Plattform gibt, auf der Mütter ehrlich miteinander sprechen und sich austauschen, dann heißt es überall: Endlich sagt es mal jemand. Wie krass, oder? Dass wir uns scheinbar alle sonst permanent anlügen. Und dann gilt es als radikal, dass jemand die Wahrheit sagt. Das ist eigentlich so mindblowing.
„Wir schauen alle durch diesen Filter und es ist wahnsinnig schwierig, daran vorbeizulinsen.“
Ich finde, am hilfreichsten sind immer noch andere Mütter, die einfach nur sagen: ,Puh, ja, ist bei uns auch so.‘ Sie geben uns das Gefühl, nicht allein zu sein. Generell wird uns als Frauen das dauernd abgesprochen, dass wir uns so nicht zu fühlen haben. ,Reiß dich zusammen.‘ – ,Stell dich nicht so an.‘ Das verinnerlichen die Frauen. Wir schauen alle durch diesen Filter und es ist wahnsinnig schwierig, daran vorbeizulinsen.“
Du hast öfter die Formulierung benutzt, deine Romanfigur Sarah, die den Platz von Helene auf ihre Art einnimmt, habe es sich im Patriarchat gemütlich gemacht. Wie genau meinst du das?
„Sarah kommt nicht über diesen Filter hinaus. Sie schafft den Erkenntnisschritt nicht. Sie ist der Meinung, sie müsse auf eine bestimmte Art agieren und bestimmte Regeln befolgen, damit sie von den Männern gemocht wird.
Sarah weiß ja auch um das Thema Körperlichkeit, aber sie sagt auch, sie sei eine öffentliche Person und man wolle halt etwas Schönes zum Anschauen.
Da muss Lola kommen und einlenken und sie dazu bringen, ihr Verhalten zu überdenken.
Dabei ist Sarah ja nicht unreflektiert, sie kennt die Beschaffenheit des Umfelds, in dem sie sich bewegt. Aber gleichzeitig zieht sie eben niemals die Jogginghose an und zieht immer den Bauch ein.
Ich rede öfter mit meiner Tochter darüber: Stell dir mal vor, wie absurd eigentlich diese Schönheitsideale sind. Es könnte doch auch sein, dass es komplett ,in‘ wäre, dass wir uns hier (sie tippt sich ins Gesicht) einen großen schwarzen Strich runter malen, auf den Wangen goldene Kugeln und dann wäre interessant, dass jemand mal pinke Kugeln hat. Aber nein. Wir wollen möglichst diese Standards erfüllen, kaufen dafür möglichst viele Dinge, geben möglichst viel Geld aus.“
Ich habe „Die Wut, die bleibt“ in meiner Buchhandlung in der Kategorie Frauenliteratur gefunden. Ein Begriff, der – wie viele Autorinnen fordern – abgeschafft werden sollte. Was denkst du darüber?
„Ich wurde gefragt, warum auf meinem Profil nicht mehr ,Ich spreche über Literatur‘ steht, sondern ,Ich spreche über Literatur von Frauen‘. Irgendwann wollte ich es spezifizieren. Weil das Problem ist: Wenn wir Literatur hören, denken wir an Männer. Frauen sind nicht die Norm, es muss immer benannt werden. Und das ist schade. Denn wir wachsen so auf und lesen und hören Männer, Männer, Männer – die ganze Schule, das ganze Studium lang. Wir lernen: Männerprobleme sind Menschenprobleme.
„Wir lernen: Männerprobleme sind Menschenprobleme. Wir wissen genau, wie Männer sich verlieben. Wie sie erwachsen werden. Wie sie 600 Seiten lang in Wälder urinieren.“
Wir wissen genau, wie Männer sich verlieben. Wie sie erwachsen werden. Wie sie 600 Seiten lang in Wälder urinieren – Knausgård-mäßig. Die Männer aber müssen keine Frauen lesen. Es wäre schön, wenn auf jede Pflichtlektüre von einem Mann eine Pflichtlektüre von einer Frau käme. Meine Sicht auf die Welt durch Frauenaugen fehlt nicht nur den männlichen Wesen, sondern auch den weiblichen, fehlt uns allen, fehlt in jeder Hinsicht. Und dann steht da Frauenliteratur und Männer machen einen großen Bogen drum. Weil sie nie gelernt haben, dass das genauso wichtig ist.“
Was ja auch in allen anderen Bereichen so ist. Ich habe vor kurzem Feminist City von Leslie Kern gelesen. Oder auch Unsichtbare Frauen von Caroline Criado-Perez. Hier wird klar: Diese Stadt, in der wir leben, ist einzig und allein für Männer gebaut, und zwar bis ins kleinste Detail.
„Als ich ,Unsichtbare Frauen‘ gelesen habe, bin ich auch alle dreißig Seiten eskaliert. Aber das Lustige ist, dass sich das total überträgt. Meine Tochter ist 8, sie hatte so undefinierbares Bauchweh, lag mit Wärmflasche auf dem Sofa. Dann kommt ihr Bruder und fragt: Was ist mit dir? Und sie sagt: Ich hab Bauchweh. Und er fragt: Warum? Und sie: Ich weiß es nicht. Weil Frauenkörper werden nicht so gut erforscht wie männliche Körper.“
In deiner eigenen Familie erledigen dein Mann und du die Erwerbs- und die Care-Arbeit gleichberechtigt. Ist das das Ergebnis eines Prozesses oder war das von Anfang an klar geregelt?
„Da sind wir wirklich die einzigen auf weiter Flur. Es spielten viele Faktoren eine Rolle. Ich weiß, dass diese Gender-Pay-Gap ein Grund für das Ungleichgewicht ist. Wie sollst du es auch anders machen, wenn der Mann doppelt so viel verdient?
Tatsächlich war es auch mein Mann, der von Anfang an gesagt hat: Es sind unsere Kinder. Ich reduziere jetzt hier meine Stunden. Wir schauen, dass wir beide genau gleich arbeiten. Und dann haben wir das so gemacht ab dem Zeitpunkt, als unser Sohn acht Monate alt war.
Es ist mit unglaublichen Widerständen verbunden und ein riesiger Organisationsaufwand. Aber nicht wegen uns. Sondern wegen allem drumherum. Wie uns begegnet wird. Welche Steine uns permanent in den Weg gelegt werden. Als ich das Buch geschrieben habe, hat mein Mann doppelt so viel erledigt, Homeschooling, den ganzen Haushalt. Niemand sieht das. Niemand wertschätzt das.
„Und dann hat diese Frauenzeitschrift geschrieben: Ihr Mann hilft ihr mit den Kindern.“
Ich hatte ein Interview mit einer Frauenzeitschrift, habe alles genauso erklärt. Und dann stand in dieser Frauenzeitschrift: ,Ihr Mann hilft ihr mit den Kindern.‘ Diese Formulierung suggeriert, dass Kinder und Haushalt in meiner Zuständigkeit liegen, und mein Mann hilft mir. Das ist natürlich auch krass für ihn, denn seine Arbeit wird in diesem Moment, in dem er so viel gemacht hat, extrem abgewertet.
Ich habe das gelesen und dachte nur: Ok, ich muss weiterschreiben. Das ist noch lange nicht, wo wir hin wollen und hin sollen. Gleichzeitig denke oder hoffe ich, dass unser Vorleben bei den Kindern auslöst, dass sie sehen, dass der Begriff der Gleichberechtigung nicht nur eine Theorie ist. Dass es selbstverständlich wird – das wünsche ich mir für beide, für meinen Sohn und meine Tochter. Aber eben im Besonderen für meine Tochter, damit sie erst gar nicht in diese Aufopferung, die wir von unseren Müttern so mitbekommen haben, reinrutscht. Es kann auch ganz anders sein.“
„Die Wut, die bleibt“ – erschienen im Rowohlt Verlag
Dieser Text zeigt in einer entlarvenden literarischen Versuchsanordnung, dass wir als Frauen und Mütter in einer Falle sitzen, aus der wir nur herauskommen, wenn wir miteinander sprechen und das über viele Generationen hinweg sich manifestert habende Regelwerk sprengen. Wenn wir aufstehen und das zermürbende Konkurrenzdenken auf Grundlage eines patriarchalen Systems in Solidarität und Bandenbildung umwandeln.
„Die Wut, die bleibt“ ist bei Rowohlt Hundert Augen erschienen und kostet 22 Euro. Support your local bookdealer!