Ein Mann mitte fünfzig sitzt auf der linken Seite des Tisches, ihm gegenüber ein junge Frau. Sie spielen Schach, ihre Hände berühren sich.
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Die Unsicherheit des mittelalten Mannes – und das Versprechen, das von jüngeren Frauen ausgeht

Was reizt ältere Männer so an jungen Frauen? In dieser Woche geht Silvia in ihrer Thirtysomething-Kolumne der Faszination nach, die junge Frauen bei älteren Männern auslösen.

Männlich, mittelalt und auf der Suche nach Bestätigung

Das Hingezogensein des in die Jahre gekommenen Mannes zu einer jüngeren Frau ist eines der gängigsten „Mann-Frau“-Klischees, die unsere Gesellschaft zu bieten hat. Und wie an allen Klischees, ist auch an diesem etwas dran. Was genau den Reiz für ihn ausmacht, beantwortete der französische Autor Yann Moix dem Magazin „Marie Claire“ im Januar folgendermaßen:

„Ich bevorzuge jüngere Frauenkörper. Der Körper einer 25 Jahre alten Frau ist außergewöhnlich. Der Körper einer 50-jährigen Frau ist überhaupt nicht außergewöhnlich.“ Es sei ihm deshalb einfach unmöglich, Frauen über 50 zu lieben. Es ist wahrscheinlich überflüssig zu erwähnen, dass diese Aussage für viel Diskussionen in den sozialen Netzwerken sorgte. Und das nicht nur, weil Moix selbst 50 Jahre alt ist.

Das Versprechen, das eine jüngere Frau ausstrahlt

Die Jugend als Schönheitsideal ist für Frauen auch in Zeiten von Mantras à la „60 ist das neue 40“ mehr als real. Das zeigt sich auch in Reaktionen auf die Aussage von Moix, von denen die BBC berichtete: Einige Twitternutzer*innen schickten, offensichtlich mit dem Ziel ihn zu widerlegen, Bilder von Hollywood-Schauspielerinnen wie Halle Berry (52) oder Jennifer Aniston (52). Sicherlich war das gut gemeint, und ja, das sind tolle Frauen um die 50. Aber es sind eben auch Frauen, die mit ihrem Aussehen exakt den Wertungskriterien von Moix gerecht werden.

Denn sie gehören zu den Frauen, die „trotz ihres Alters“ als sehr attraktiv bewertet werden, weil sie das Jugendideal weiter bedienen. Sie also als attraktive Frauen jenseits der 50 hervorzuheben, zementiert das Ideal, statt es umzustoßen. Es ist ein Mechanismus, der ähnlich mit dem Bild der MILF (Mother I’d like to fuck“) angestoßen wird, in das etwa Halle Berry auch hineinfallen würde, und das die einst nicht sexuell konnotierte Mutter nun eben doch sexualisiert – was als eine Art Erweiterung des Mütterbildes gesehen werden könnte. Aber auch das ist eben nur eine weitere Frauenrolle, die wenig über die Realität oder Frauen an sich erzählt, sondern dem „Male Gaze“, also dem männlichen Blick auf Frauen, entsprungen ist beziehungsweise ihn weiter bedient: Die Erwartungen an die Frau bezüglich ihrer Erscheinung sind die gleichen wie bei jeder anderen Frauenrolle auch – nur, dass sie eben noch die Mutterschaft als weitere Spielart mit einbringt.

Viel besser gefällt mir da, dass auch ein paar Frauen um die 50 auf Twitter stolz private Bilder schickten, die ihren Körper zeigten. Aber andererseits: Wozu? Wieso die Mühe, um den Mann zu widerlegen, was die Attraktivität des weiblichen Körpers um die 50 betrifft? Es geht hierbei schließlich nicht um ihn, oder um Frauen allgemein, es geht um ein Versprechen, das dem Zusammensein mit einer jüngeren Frau anzuhaften scheint.

Über ein Leben das vor einem liegt – und eines, das schon gelebt wurde

Die MILF ist der feuchte Traum eines jungen Mannes, weil er von der Bestätigung einer „echten“, weil reifen Frau mit Erfahrung träumt – so wie die junge Frau der des des älteren Mannes ist, weil sie ihm die Bestätigung gibt, dass er, sein Körper und seine Sexualität gesellschaftlich noch eine Rolle spielen. Sie erfüllen also beide vor allem die Funktion der Selbstbestätigung. Und wahrscheinlich entsteht das Begehren des älteren Mannes gegenüber der jüngeren Frau auch, weil sie von einem Leben erzählt, das noch gelebt werden kann; und nicht von einem, das zu einem großen Teil bereits gelebt wurde. Der Traum, noch etwas mehr vom Leben zu haben, indem man noch einmal neu anfängt. Ich muss hier etwa an die Dokumentation „Happy – Mein Vater, die Thaifrau und ich“ denken, die gerade in der ARD-Mediathek zu sehen ist – und die aus verschiedenen Gründen noch einmal einen eigenen Text wert wäre. In ihr geht es um einen Vater, der sich in die Thailänderin Tukta verliebt hat, die gerade einmal so alt ist wie seine Tochter – und seine Tochter, die versucht zu verstehen, was ihn an dieser jungen Frau fasziniert und ob es hier wirklich um Liebe geht. Oder doch um etwas ganz anderes.

Im Film fragt sie den Vater, was er denn, wenn er möglicherweise noch einmal Kinder mit der neuen Freundin bekäme, anders machen würde als früher bei ihnen zuhause. Und er antwortet, dass er heute nicht mehr so viel arbeiten würde. Es geht mit einer jungen Frau eben auch um die Chance, Dinge noch einmal anders zu machen, das Leben möglicherweise noch einmal neu zu schreiben und der eigenen Vergänglichkeit noch einmal wegzurennen, bevor es dann soweit ist. Von seinen Anbahnungsversuchen mit gleichaltrigen Frauen hat er dagegen nur Enttäuschendes zu berichten: Entweder führten die Vorstellungen dieser sehr an dem vorbei, wer er war oder aber sie hatten unterschiedliche Erwartungshaltungen an die Beziehung.

Die Sehnsucht, noch einmal Faszination auszulösen

Und das führt zu einem weiteren Aspekt, den ich schon im eigenen Bekanntenkreis beobachten konnte und den auch Kim Willscher in einem längeren Artikel im Guardian über Moix anbringt. Eine junge Frau ist eben auch deshalb so ein wahnsinnig guter Ego-Booster, weil sie älteren Männern in der Regel mit mehr Bewunderung gegenübertreten als es möglicherweise eine gleich alte Frau mit mehr Lebenserfahrung tun würde. Auch ich erinnere mich an den Blick, mit dem ich früher ganz generell auf einen bestimmten Typus Mann oder auch auf ältere Männer im Allgemeinen blickte. Und wie sich dieser über die Jahre zu verändern begann, etwas nüchterner wurde. Nicht, weil es keine tollen, faszinierenden älteren Männer gäbe, sondern weil manches, was aus der Ferne schön aussah, näher betrachtet gar nicht mehr so faszinierend ist. Wie auch nicht. Es passiert leicht, ob bei Menschen, Dingen oder Träumen, dass sie gewissermaßen an Zauber verlieren, je näher man an sie herankommt. Ferne schafft dagegen immer auch Sehnsucht und hat die Gabe, einen leichten Glanz über alles zu legen, ob verdient oder nicht.

Am Ende kann, muss man sich aber wohl kaum über Moix’ Aussage aufregen. Weil es weder „die“ Frau um die 50, noch „den“ Körper einer Frau in diesem Alter und auch nicht einmal nur eine einheitliche Idee davon gibt, was begehrenswert ist und was nicht. Glücklicherweise. Und es muss auch niemanden aufregen, weil man ahnen kann, dass die Ansage, Frauen wegen irgendwelcher äußeren Kriterien nicht lieben zu können, nur ein Ausdruck einer enormen Verunsicherung sich selbst und vielleicht auch der eigenen Männlichkeit gegenüber entspringen kann. Ich freu mich jedenfalls aufs Alter – und das doch nur umso mehr, weil ich dann aus dem Fokus solcher Männer rücke.

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