Foto: Pexels

Na Mäuschen, f****n? Warum wir (noch) mehr über Alltagssexismus sprechen müssen

Bei all den großen Fragen, die sich nach Köln in Sachen sexuelle Gewalt auftun, müssen wir auch über das nun vermeintlich Banale sprechen: Den Alltagssexismus.

Na, ficken?

Ja, diese Worte hat fast jede Frau schon mal so oder so ähnlich gehört. Und eigentlich muss ich gar kein Fragezeichen hinter den Satz stellen, denn es ist keine Frage, es ist eine Aufforderung. Eine Aufforderung dazu sich provozieren zu lassen und die Demütigung anzunehmen. Es geht hier um Macht. Aber wenn sie „nur“ in verbaler Form daherkommt, dann muss sich doch keine aufregen, oder? Ist doch nur ein Witz, oder? Meint ja keiner ernst, entspann dich.

Seit Köln sprechen wir über sexuelle Gewalt. Endlich, will man rufen. Doch dann kommt auch schon ein: „Wir haben es doch immer geahnt“ um die Ecke. Der Schrecken, der thematisiert wird, hat endlich ein (dunkles) Gesicht. Und genau da, fängt alles an zu hinken. Denn könnte es in diesem Land wirklich so schön sein, für Frau und Mann, wenn nur die schwer zu integrierenden jungen Migranten nicht wären? Natürlich nicht. Alice Schwarzer brachte es Anfang Januar in einer Talk Show schon ganz gut auf den Punkt, als sie sagte: Gewalt gegen Frauen haben keine Fremde in unser Land gebracht.

Bitter aber wahr: in Deutschland ist (Alltags-)Seximus ein strukturelles Problem

Und ja, das ist die andere bittere Pille, die langsam aber sicher runtergewürgt werden muss. Wir müssen uns jetzt nämlich nicht nur mit der Frage beschäftigen, wie wir diese riesen Aufgabe der Integration lösen können, die zweifelsohne vor uns liegt. Nein, wir müssen uns eben auch klar machen, dass der Kampf gegen sexuelle Gewalt eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe ist, die wir nur lösen, wenn wir auch gegen den seit jeher in Deutschland herrschenden Sexismus vorgehen. Denn wir werden hier eben nur weiterkommen, wenn wir der Sache an die Wurzel gehen. An jene Wurzel, die wir so gerne übersehen.

Denn sexuelle Gewalt beginnt eben schon im ganz Kleinen. Und ohne jede Polemik hat dieses „Kleine” epidemische Ausmaße. Jede Frau kann tausende Geschichten zu verbalen und körperlichen Übergriffen erzählen, von Händen am Körper, die nicht dahin gehören bis zu harten Penissen, die einem in der vollen U-Bahn an den Leib gepresst werden. Aber das Problem beginnt ja schon wesentlich früher, etwa dann wenn eine scheinbar billige Anmachen, nicht mehr peinlich für das Gegenüber, sondern wahnsinnig unangenehm für einen selbst ist, ganz einfach weil Grenzen überschritten wurden – und doch reagieren viele uns von Frauen fast schulterzuckend darauf. Schließlich geschieht das immer und immer wieder. Es sind keine Geschichten, die Aufruhr verursachen. Es sind Geschichten die schon x mal erzählt wurden. Und mit #aufschrei endlich eine Plattform fanden. Doch die Debatte ist leider noch lange nicht zu Ende, sie muss weitergeführt werden.

Sexismus ist in Deutschland also schon lange echt kein Thema mehr? Man möchte lachen. Doch leider ist keine Pointe zu finden, die einem nicht im Halse stecken bleibt.

Sexismus: Es fehlt noch immer an Bewusstsein

Und natürlich muss sich hier auch die desaströse Gesetzeslage ändern, die für Frauen, denen sexuelle Gewalt angetan wurde, noch viel zu viele Lücken aufweist. Lücken, durch die ein Grapscher ungeschoren davon kommt. Und ein Nein, eben nicht reicht, um rechtfertigen zu können, warum eine Vergewaltigung anzeigen zu können. Es ist beschämend.

Aber auch wenn neue Gesetze essentiell sind, um hier weiterzukommen, müssen wir auch unseren gemeinsamen Blick für und auf Alltagssexismus schärfen. Müssen jene stigmatisieren, die sich dazu – noch viel zu oft unbescholten – berufen fühlen. Müssen aufstehen und füreinander einstehen. Und müssen klar machen, dass nicht wir es sind, die sich nun Pfefferspray in die Tasche tun und den nächsten Selbstverteidigungskurs buchen müssen. Nein, wir müssen alles dafür tun, dass die Männer, die das für OK halten, in Zukunft ganz genau überlegen werden, was sie sagen und was nicht. Was sie tunund was nicht.

Alltagssexismus ist kein Kavaliersdelikt, er ist nicht lustig und er ist nicht harmlos. Alltagssexismus öffnet die Tür für mehr. Und genau die müssen wir als allererstes schließen.

Und das können wir nur tun, wenn wir die Anfänge nicht mehr wegreden, es nicht mehr als harmlos abtun und selbstverständlich finden, dass Frauen permanent dumm von der Seite angequatscht werden. Denn eine in die Backe gedrückte Zunge mit Auf- und Abwärtsbewegung der Hand oder ein: „Du bist hübsch, lass mal ficken” ist keine Anmache. Und es ist kein Witz.

Mehr bei EDITION F

Warum Sexismus #ausnahmslos alle etwas angeht. Weiterlesen

Neues Sexualstrafrecht: Ein Nein heißt immer noch nicht nein. Weiterlesen

Gewalt in Köln – Welche Frage wir uns jetzt stellen sollten. Weiterlesen

Anzeige