Foto: Lydia Harper | Unsplash

Millennials: Die Party ist vorbei!

In ihrer Thirtysomething-Kolumne schreibt Silvia über alles, was ihr gerade durch den Kopf geht. Und diese Woche darüber, dass es zuhause einfach am Schönsten ist.

Ausgehen? Gott, bewahre!

Sagen wir doch, wie es ist: Wir wollen keine Party machen. Wir wollen Pizza essen und Netflix schauen. Alleinsein, in unseren vier Wänden. Wir wollen unsere Ruhe. Das zumindest, scheint das Lebensgefühl eines Durchschnitts-Millennials gerade zu beschreiben, wenn man sich so durch die Netzwerke pflügt. Oder um es weniger hochtrabend zu machen, es beschreibt ganz gut meine eigene Gefühlslage in Sachen wildes Leben. Statt Yolo heißt es jetzt Domo (The Desire of Missing Out).

In mir hat sich eine Urgemütlichkeit breitgemacht, die ich früher bei anderen mit hochgezogenen Augenbrauen und einem angedeuteten Gähnen kommentiert hätte. Ich erinnere mich noch gut, wie mein großer Bruder früher gerne an Wochenenden mit strahlenden Augen verkündet hat, dass er keine Partypläne hat, sondern einfach nur auf der Couch bleibt. Das war für ihn nur zu toppen mit: auf der Couch bleiben, ganz alleine. Ich hatte keinen Schimmer, was das an einem Freitagabend soll. Das ist doch grotesk, außer man ist noch verkatert von Donnerstagnacht. Tja.

Tschüß Welt, ich bin jetzt Hikikomori

Heute schert es gefühlt keinen mehr und mich sowieso nicht, ob Freitag, Sonntag oder Donnerstag ist, heute ist jeder Tag ein guter Tag, um zuhause zu bleiben. Um dicke Socken anzuziehen, Serien durchzuballern, aus einem Karton zu essen. Wir wollen Netflix und Chill. Wir sind Dirty Eater. Faul. Und lustlos, was die soziale Interaktion (in real life) angeht. Dafür gibt es übrigens im Japanischen ein Wort: Hikikomori beschreibt Menschen, die aus Überforderung durch den sozialen Druck nichts, einfach nichts mit ihrer Außenwelt zutun haben wollen und gerade mal noch die Anwesenheit ihrer Familie ertragen. Statt der wilden Weltenbürger, die mit den ganz vielen Möglichkeiten, sind wir Millennials also in gewisserweise zu Hikikomorianern mutiert. Wow, das kann eben auch die Reaktion auf alle Möglichkeiten der Welt sein – auf einmal will man gar nichts mehr.

Naja, aber wir sind eben auch nicht alle Dirty Eater, und ganz besonders im jungen Lager hat sich in Sachen Gesundheit was getan: Rauchen ist out, Flatrate-Saufen  passé, Sport ist für viele keine Option, sondern gehört zu einem Leben, das man unter Kontrolle hat, vielmehr einem Körper, den man unter Kontrolle hat. Ist es also das, ist Feiern gehen einfach zu ungesund für ein modernes Leben geworden? Sind durchmachte Nächte einfach nicht mehr toll, weil mit einem Kater ein Smoothie einfach nur eklig schmeckt und ein Lauf vor der Arbeit nicht mehr drin ist?

Ich will Tindern im Hygge-Traum!

Mmh. Vielleicht liegt es auch daran, dass wir gar nicht mehr rausgehen müssen, um Freunde zu treffen. Mit der Freundin einen Film sehen und sich gemeinsam darüber amüsieren? Geht auch in getrennten Wohnungen per Whatsapp. Flirten? Tinder! Essengehen? Lieferservice! Mit Fremden quatschen? Twitter! Das neue Outfit mit der Welt teilen? Instagram! Wer sollte da noch rausgehen wollen? Draußen ist es sowieso zu ungemütlich geworden, da bleiben wir lieber in unserem Hygge-Traum und rollen uns wie eine Wurst in die Decke ein. Mal ehrlich, wer heute von einer Party einen polnischen Abgang machen will, macht eben einfach das Handy aus.

Vielleicht ist es aber auch simpler und wir sind einfach erwachsen geworden. Ist nicht so schlimm, dieses Schicksal ereilt irgendwann jede Generation, egal welche fetzigen Beinamen man ihr gibt. Vielleicht haben wir im Zuge unserer beginnenden Greisenhaftigkeit einfach den Luxus dessen erkannt, die Welt mal in Ruhe zu lassen und von ihr in Ruhe gelassen zu werden. So oder so, ich klemm mich jetzt erstmal mit Pizza vor den Laptop und schaue einen Film.

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