Foto: Bryan Allison I flickr I CC BY-SA 2.0

Sexismus unter Olympia-Kommentatoren: Über Sport sprechen könnte helfen!

Die Olympischen Spiele in Rio sind in vollem Gange – und manche Sportkommentatoren überbieten sich jetzt schon mit sexistischen und unfreiwillig komischen Kommentaren über weibliche Athleten. Ein kleines Best-of, und Tipps, wie das besser geht. Ist nämlich gar nicht so schwer.

 

Ein bunter Strauß von Patzern

So schwer, möchte man meinen, kann das doch eigentlich nicht sein: Als Sportkommentator sexistische Fettnäpfchen auslassen und einfach über das reden, was da gerade passiert, nämlich: Sport, betrieben von Frauen?

Scheint aber sooo einfach dann doch nicht zu sein, anders ist es nicht zu erklären, dass die amerikanische Schriftstellerin und Feministin Lindy West schon nach wenigen Tagen Olympia in Rio für den britischen „Guardian“ eine beachtliche Liste von Absurditäten zusammenstellen konnte. Die Presse, schreibt sie sarkastisch, habe es bisher ganz hervorragend fertiggebracht, weibliche Athleten dank eines bunten Straußes von Patzern zu beleidigen und zu erniedrigen. Ein paar ihrer Beispiele:

– die Chicago Tribune verkündete, die Ehefrau eines Spielers der Chicago Bears (ein Football-Team) habe eine Bronze-Medaille im Schießwettbewerb gewonnen, kam aber nicht auf den Gedanken, womöglich mal den Namen der Athletin selbst zu erwähnen (Corey Cogdell-Unrein).

– nach dem Weltrekord der Schwimmerin Katinka Hosszu kommentierte der NBC-Sportreporter nach einem Kameraschwenk auf ihren Mann und Trainer: „Und das ist der Mann, der für diesen Erfolg verantwortlich ist“.

– West stört sich ebenfalls an einer Formulierung des „People“-Magazins, das die Ausnahmeturnerin Simone Biles als „Michael Jordan der Gymnastik“ titulierte – als ob, so West, es nicht möglich sei, ein weibliches Ausnahmetalent ohne eine männliche Vergleichsgröße zu begreifen.

– in einem Twitter-Feed schrieb die niederländische Radsportlerin Annemiek van Vleuten über ihre Verletzungen, die sie sich bei einem Sturz zugezogen hatte; was diverse Männer dazu veranlasste, ihr zu erklären, wie man eigentlich Rad fährt.

An und für sich, schreibt West, hätten die Olympischen Spiele und die Berichterstattung über sie grundsätzlich einen positiven Effekt: Olympia sei „eine der wenigen Fernsehshows, die die Stärke und die Exzellenz von Frauen feiern, ohne die weibliche Existenz dabei zu sexualisieren.“ Sie glaube auch nicht, dass die genannten Sportkommentatoren bösartige Frauenhasser seien, und die genannten Ausrutscher seien sicher nicht in böser Absicht passiert; vielmehr sei es so, dass wir uns nach wie vor in einer Kultur bewegen würden, die so gut wie keine Ahnung habe, wie man mit kompetenten Frauen umgehen solle.

„You can feel a faint confusion pulsing behind every word. A girl … doing things!?“

Bei diesen und weiteren Beispielen belässt es West aber nicht, sondern stellt einen kleine Guide für Sportreporter zusammen: „So kommentiert ihr über weiblichen Spitzensport, ohne als Widerlinge von vorgestern rüberzukommen“:

– Schreibe über den Sport, den die Athletinnen ausüben. Ganz einfach, oder? Einfaches Template:

NEWS REPORT: [Female Athlete] did [sports] today. [Describe sports.] THE END. Sportswriting accomplished!

– Berichte über weibliche Athleten ganz einfach so  wie über männliche. Und das Thema Geschlecht ganz einfach nicht groß beachten:

Can you imagine if we brought up gender every time we wrote about men? “Perky male point guard Isaiah Thomas, stepping out in a flattering terrycloth headwrap, proves that men really can play ball and look cool-summery-sexy doing it!” 

– Verwende nicht mehr Zeit darauf, über das Makeup, die Frisuren, kurze Hosen, Hidschab, Bitchy Resting Faces, Stimmlage, Unterschenkelumfang, Beziehungsstatus oder das Alter von Sportlerinnen zu diskutieren, als darauf, die bravourösen Leistungen zu analysieren, an denen olympische Sportlerinnen Zeit ihres Lebens mit übermenschlicher Disziplin und dem Verzicht auf vieles arbeiten.

– Sprich nicht über Frauen, indem du auf Männer verweist, die sie kennen, mit denen sie zusammen sind, mit denen sie arbeiten oder mit denen sie Sex haben. Frauen sind vollständige, autonome Leute, die ganz allein Dinge tun.

– Thematisiere das Geschlecht, wenn es relevant ist, zum Beispiel, wenn du über Geschlechterdiskriminierung sprechen willst – zum Beispiel über die schrottige Art, wie Medien über Frauensport berichten – oder eben auch nicht.

– Lass deine sexuellen Gefühle draußen! 

– und zu guter Letzt: Athleten sind Athleten. Wenn dir Sport etwas bedeutet, schreibe über Sport. Wenn dir Geschlechtergerechtigkeit etwas bedeutet – schreibe über Sport. 

Hier übrigens ein herrliches Video mit Zusammenschnitten der bisherigen Glanzpunkte des deutschen Olympia-Kommentators Carsten Sostmeier, der es auch schon geschafft hat, in Rio unangenehm aufzufallen. Unter anderem hatte er der deutschen Reiterin Julia Krajewski bei deren Geländeritt einen „braunen Strich in der Hose“ bescheinigt.

Bild: Bryan Allison I flickr I CC BY-SA 2.0


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