Wenn Frauen Mütter werden, haben sie plötzlich sehr viel weniger Zeit für Freundschaften. Wenn sie dann noch alleinerziehend sind, bekommt man sie als kinderlose Freundin kaum noch zu Gesicht. Was können wir tun, damit die Freundschaft nicht verloren geht?, fragt sich unsere Community-Autorin Cora.
Meine Party hört auf, wenn ihr Tag anfängt
Ich habe mich gestern mit einer Freundin getroffen. Wir haben uns schon lange nicht mehr gesehen. Denn sie ist Mutter. Alleinerziehend. Und ich nicht. Ein Treffen mit ihr zu vereinbaren ist immer schwierig. Diesen Sonntag haben wir es geschafft. Wir trafen uns, unendlich früh, um 12 Uhr mittags im Café. Ich war um sechs Uhr im Bett, sie seitdem auf den Beinen. Da dachte ich mir ganz frech. „Man bin ich froh, nicht in deiner Haut zu stecken“. Sie sah mir meinen frevelhaften Gedanken selbstverständlich an. Nicht nur, weil wir Freundinnen sind, sondern auch, weil ich in diesem Moment ihr fleischgewordenes Déjà-vu geworden bin.
Die bedauernden, betroffenen, auch mal ermutigenden, meist aber despektierlichen Blicke von allen sind ihr sicher. Die Single Mom:verstoßen, verlassen, gedemütigt. Zweifelhafte Lebensentscheidungen stehen ihr ins Gesicht geschrieben. Denn wer sonst endet allein mit Kind? Das erzählte sie mir als Antwort auf meinen Blick.
Ich war erstmal baff. Das hatte ich nicht gewusst. Und obwohl ich das so natürlich auch gar nicht gemeint hatte, war ich mir meiner Schuld bewusst. Mir wurde klar, dass auch ich Vorurteile über ihr neues Leben – sau anstrengend und na, so war das auf jeden Fall nicht geplant – hatte und über sie urteilte.
Die Welt denkt: Alleinerziehende haben versagt
Deshalb konnte ich sie mir richtig gut vorstellen: Diese Blicke von alten Lehrern und den Arbeitskollegen der Eltern, die man zufällig auf der Straße trifft. Die sprachen natürlich ihre Glückwünsche aus, aber es war kein Geheimnis, dass sie eigentlich dachten: „Aus ihr hätte noch so viel werden können!“ Na super, und Ich war keinen Deut besser. Tolle Freundin.
Aus dem Trübsinn der Enttarnten holte sie mich so schnell wieder heraus, wie sie mich hineinkatapultiert hatte. Wir nippten an unseren Kaffees und redeten Tacheles. Offensichtlich war unser Gespräch mächtig überfällig. Denn mir sind öfter, als es unwissenden Zuhörern zusteht, ein gedehntes „eeeecht“ und mehrere „im Ernst?“ entfahren.
Schluss mit fiesen Vorurteilen: Die tollen Seiten am Alleinerziehen
Meine Freundin, die Arme, ständig müde, erzählt mir, wie glücklich sie als Alleinerziehende ist. Wie ihr nichts fehlt. Wie sie niemanden vermisst. Sie hat zwar wenig Zeit, war lange nicht mehr feiern und ist nicht mehr ganz auf dem Laufenden was Kino, Bücher und Co. betrifft, aber das wars auch schon.
Im Tausch für das tägliche Single-Entertainment, hat sie eine neue Welt mit Kind bekommen. Tolle neue Freundinnen und Freunde inklusive. Mit im Gepäck: neue Gespräche, neue Herausforderungen. Klingt eigentlich richtig gut, dachte ich. Doch dann ertappte ich mich schon wieder bei meinem nächsten Zweifel: Das roch mir alles zu sehr nach Friede, Freude, Eierkuchen. War nicht doch etwas faul an der Geschichte?
Die Karten lagen ohnehin schon auf dem Tisch, es hieß also fragen, fragen, fragen – jetzt oder nie. Ich wollte natürlich alles wissen: Hatte sie gar keine Angst bei der Erziehung etwas falsch zu machen und danach der einzige Sündenbock zu sein? Kostete es nicht viel zu viel Kraft immer allein die ganze Verantwortung für den Kleinen zu übernehmen? Hatte sie wirklich so richtig Lust auf dieses Leben, das jetzt vor ihr lag und liegt?
Alleinerziehende genießen auch eine gewisse Freiheit
Ihre Antwort: Ein bisschen Angst hatte sie schon immer vor der Zukunft. Der Kleine hat daran nichts verändert. Bei den Entscheidungen und der Verantwortung sah die Sache anders aus. Sie hat mir gestanden, heilfroh zu sein, dass ihr niemand bei Erziehungsfragen dazwischenquatscht.
Soweit so gut, dachte ich mir. Doch ganz hatte sie mich noch nicht. Das konnte nicht alles so einfach sein, wie sie behauptete. Was war mit ihren Finanzen? Was mit ihrer Karriere? Ich war immer noch nicht überzeugt, dass sie sich genauso nochmal entscheiden würde.
Doch schon erlöste sie mich von meinen Gedanken: Natürlich war es anstrengend, alleinerziehend zu sein. Ihr Terminkalender sieht aus wie der ihrer Schwester (Unternehmensberaterin) und ja, auch im Urlaub war sie lange nicht. Und wenn sie dann mal an Ferien dachte, dann ans Haus ihrer Eltern statt an die Malediven. Finanziell lief es zwar schon mal besser, aber eben auch schon schlechter. So wie bei den meisten Generation Y-lern halt.
„Ich bereue nichts“ sagte sie ein wenig theatralisch und wir müssen beide schmunzeln, weil wir erst an die Piaf- und dann an die Rocher-Werbung denken müssen. Im Rückblick auf dieses Gespräch wird mir klar: Ja, Alleinerziehende haben es schwer, aber, oft sind sie einfach trotzdem sehr glücklich. Sie verdienen unsere Bewunderung, aber nicht unser Mitleid – damit es eine Freundschaft auf Augenhöhe bleibt und wir weiter für sie da sein können.
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