Foto: AIKYOU

„Es gibt das Vorurteil, kleine Brüste müssten vergrößert werden“

Kleine Brüste dürfen bleiben wie sie sind. Ein Gespräch mit Bianca und Gabriele vom Unterwäsche-Label AIKYOU über Schönheitsideale und Business.

 

Ihr habt 2011 gegründet. Woher kanntet ihr euch und wie kam es zu der Entscheidung, gemeinsam ein Label aufzuziehen?

Bianca: „Wir kennen uns nun bald 15 Jahre. Wir haben früher bereits mehrere Jahre zusammengearbeitet, gemeinsam im selben Bürozimmer gesessen. Wir wussten, was wir voneinander erwarten konnten, wo unsere jeweiligen Stärken und Schwächen liegen, und vor allem, dass wir uns aufeinander verlassen können. Die Geschichte mit der Unterwäsche, die wir uns immer wünschten, die es aber auf dem Markt nicht gab, ist also älter. 2011 war einfach der Zeitpunkt richtig, wir wollten beide etwas Neues machen, und in dem Moment war klar: Das ist unser Thema.“

Was habt ihr denn davor gemacht?

Gabriele: „Wir haben einen Hintergrund in Marketing, Werbung und der Kreativwirtschaft. Kennen- und schätzen gelernt haben wir uns auf Agenturseite.“

Aus der Agenturwelt dann der Schritt zum Label. Modelabels gibt es ja recht viele. Viele allerdings auch nur sehr kurz. Was habt ihr anders gemacht?

Gabriele: „Wir wollten von Anfang an nachhaltig handeln. Und dieser Anspruch gilt für alle Aspekte unseres Unternehmens. Deswegen haben wir in einem überschaubaren Rahmen begonnen, immer darauf geachtet, dass wir uns nicht übernehmen und dass wir alles selbst unter Kontrolle haben. Wir haben auch privat auf vieles verzichtet, zum Beispiel auf Zeit und Geld. Es hat sich aber gelohnt. Und wir haben natürlich Produkte, die ganz gezielt eine Marktlücke bedienen.“

In der Mode braucht man natürlich aber doch immer Geld. Wie finanziert ihr eure Kollektionen?

Bianca: „Wir haben nicht zweimal pro Jahr eine komplett neue Orderkollektion, die extra finanziert werden müsste. Wir ergänzen stattdessen unsere ganzjährig erhältliche Modellpalette saisonal um neue Teile oder Farben. Das schaffen wir mittlerweile aus eigenen Geldern, am Anfang haben wir einen Gründerkredit in Anspruch genommen.“

Neben dem finanziellen Aspekt, geht es bei euch natürlich um Krativität. Gibt es so etwas wie eine immer funktionierende Inspirationsquelle für euch? Einen Ort? Eine Person?

Gabriele: „Wir begegnen ständig dem Vorurteil, kleine Brüste müssten vergrößert, gepusht und gepaddet werden. Was uns deshalb inspiriert, sind Frauen, die zu Stilikonen wurden, die für Weiblichkeit an sich stehen, die von vielen bewundert werden – und die eine kleine Oberweite haben: Audrey Hepburn, Romy Schneider, Jackie Kennedy Onassis, Kate Moss oder Tilda Swinton zum Beispiel. Deshalb werden auch alle unsere Modelle nach solchen Frauen benannt. Sie beweisen, dass kleine Brüste feminin sind.“

Bianca: „Am meisten inspirieren uns aber unsere eigenen Kundinnen, von denen wir so viel Feedback und Bestätigung erhalten. Wir stehen hier in einem echten Austausch und lernen unglaublich viel von den Frauen, denen wir begegnen. Das bestärkt uns, groß zu denken und unser Thema mutig voranzutreiben.“

Wo lasst ihr produzieren?

Bianca: „Wir haben einen tollen Produzenten auf der Schwäbischen Alb. Regionale Nähe und kurze Abstimmungswege sind enorm wichtig für uns. Dort lassen wir auch unsere Stoffe aus Fairtrade-Biobaumwolle herstellen und nach GOTS-Richtlinien färben.“

Gabriele: „Und zwar mit schonenden Fertigungsverfahren und den aktuellsten Nachhaltigkeitsstandards entsprechend. Unsere Materialien werden hochwertig verarbeitet.“

Die Idee hinter AIKYOU soll ja mehr, als eine Marktlücke bedienen. Wie seid ihr auf die Idee gekommen und wie groß schätzt ihr die Zweifel im Punkt Selbstverständnis von Weiblichkeit bei Frauen mit kleinem Busen ein? Kann da ein BH helfen? Ihr sagt ja selbst, dass es eigentlich gar kein Problem gibt?

Bianca: „Zunächst gehören wir beide zur Zielgruppe der kleinen Oberweiten. Und wir finden unsere Brüste super. Es gibt damit kein Problem. Nicht die Brust ist falsch, sondern der BH, der diese nicht in ihrer eigenen Schönheit zur Geltung bringt, sondern versucht, sie zu verstecken.“

Gabriele: „Viele Frauen, trotz unseres scheinbar so liberalen Zeitgeists, fühlen sich unter Druck, sobald es um das Körperbild geht. Hier herrschen nach wie vor Klischees – die sich auf Nachfrage oft nicht bewahrheiten. Bestes Beispiel: Angeblich stehen Männer vor allem auf größere Busen. Wir hingegen stellen ständig im Gespräch mit Männern fest: Die Jungs mögen Frauen, die sich selbst toll finden und zu sich stehen – ganz unabhängig von der Cup-Größe.“

Was haltet ihr persönlich von Brustvergrößerungen und anderen Schönheits-OPs?

Gabriele: „Grundsätzlich ist das eine völlig intime, individuelle Entscheidung. Die Schönheitschirurgie ist wirklich ein Segen, wenn es medizinisch notwendig ist. Und so eine OP ist sicherlich auch gut, wenn es persönlich glücklich macht.“

Bianca: „Was uns eher befremdlich vorkommt, ist, wenn Frauen sich unter Druck fühlen, einem Schönheitsideal genügen zu müssen und nicht gut genug zu sein – statt nachzuspüren, was sie sich wirklich selbst wünschen und was ihnen entspricht.“

Der Schönheitsbegriff ist in unserer Gesellschaft noch immer zentraler Bestandteil. Dünn, groß, langhaarig. Auch eure Models treffen dieses Bild. Ist das eine bewusste Entscheidung?

Bianca: „Ganz im Gegenteil: Wir haben eben kein klassisches Unterwäsche-Model. Die Norm dabei ist üblicherweise ein C-Cup. Wir wollen aber ehrlich kleine Oberweiten zeigen – damit alle sehen, wie schön sie wirklich sind.“

Was ist eure persönliche Vision und wo soll es mit eurem Label hingehen?

Gabriele: „Wir haben uns mittlerweile als die Lingeriemarke für kleine Brüste etabliert und wollen weiter nachhaltig wachsen, in überschaubaren, vernünftigen Schritten. Ab 2015 sind wir mit unserem Unternehmen samt Showroom im Kreativpark „Alter Schlachthof“ in Karlsruhe Zuhause: mit mehr Raum für neue Mitarbeiter und neue Ideen.“

Bianca: „Wir würden uns gerne auch noch mit einer Kollektion für brustkrebskranke Frauen engagieren. Und natürlich wollen wir das Selbstverständnis, dass kleine Brüste wunderbar und genauso toll wie andere Größen sind, immer noch stärker im Bewusstsein der Öffentlichkeit verankern.“

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