Foto: Katja Ruge

Asmona Logan: „Ich brauche keine Kinder, um ein erfülltes Leben zu führen“

Das Frausein ist grundsätzlich mit der Mutterrolle verknüpft. Damit muss endlich Schluss sein, sagt Asmona Logan – die Journalistin hat kürzlich einen sehr persönlichen Text darüber veröffentlicht, warum sie keine Kinder bekommen wird und das nicht bedeutet, dass sie kein erfülltes Leben führt. Wir haben mit ihr gesprochen.

„Frauen, die sich bewusst gegen Kinder entscheiden, werden stigmatisiert“

Klassische Rollenbilder? Davon sind wir doch längst weg – zumindest sagen wir uns das gerne. Dabei erfahren gerade Frauen in ihrem Alltag häufig, wie sehr die tradierten Bilder noch in der Gesellschaft verankert sind. Insbesondere dann, wenn es um das Thema Mutterschaft geht.

Genau diese Erfahrungen hat auch die Journalistin Asmona Logan gemacht und hat deshalb einen Text auf ihrem Blogazine BeautyDelicious veröffentlicht, in dem sie darüber schreibt, warum sie keine Kinder bekommen wird – und warum das kein Manko ist. Wir haben dazu mit ihr gesprochen.

Asmona, du betreibst das Blogazine „BeautyDelicious“ – dort hast du vor kurzem einen Text von dir veröffentlicht, der sehr persönlich ist. Titel: „Kinderfrei und Spaß dabei“. Was war der ausschlaggebende Punkt, um das Thema jetzt mit deinen Lesern zu teilen?

„Einen ausschlaggebenden Punkt gab es nicht. Es waren mehrere. Es war im Zuge des Relaunches von BeautyDelicious, in dem ich mir über die Ausrichtung Gedanken machte und zu dem Entschluss kam, dass ich zukünftig nicht nur noch über Beauty, Spas und Reisen schreiben möchte, sondern auch über Dinge, die mich, besonders im Hinblick als Frau ohne Kind, betreffen. Denn uns gibt es, aber die Möglichkeiten uns zu äußern und auszutauschen sind überschaubar. Es gibt Magazine und Online-Publikationen für Mütter und ihre Probleme, aber nicht für kinderfreie Frauen. Denn das Thema Kinderfrei bzw. Kinderlosigkeit – wie es meiner Meinung fälschlicherweise genannt wird – wird gerne tabuisiert. Einerseits kann es schmerzhaft sein, wenn es eine ungewollte Kinderfreiheit ist, andererseits werden Frauen stigmatisiert, wenn sie sich bewusst gegen Kinder entscheiden, weil es nicht unserer tradierten Frauenrolle entspricht.

In Gesprächen mit anderen kinderfreien Frauen habe ich gemerkt, wie groß das Redebedürfnis in diesem Punkt ist und nicht zuletzt die Begegnung mit Maria Christina Gabriel (Anm. d. Red.: Autorin, u.a. von “A guide to self love”) hat mich ermutigt, diesen Text zu schreiben. Und natürlich meine Freunde.“

Warum ist es dir wichtig, dich als „kinderfrei“ statt als „kinderlos“ zu bezeichnen?

„Wenn man die Bedeutung von ‘los‘ nachschlägt, erhält man folgende Erläuterung:

1. -los : als Zweitglied zusammengesetzter Adjektive; drückt aus, dass es an dem mangelt, was mit dem Erstglied bezeichnet wird.

2. Mangel: das Fehlen von etwas, das man braucht.

Würde ich den Begriff kinderlos verwenden, würde ich damit ausdrücken, dass es mir im Leben an etwas mangelt und ich Kinder brauche. Aber weder empfinde ich mein Leben als mangelhaft noch brauche ich Kinder, um ein erfülltes Leben zu führen. Kinderlos hat etwas opferhaftes für mich. Aber ich habe mein Leben und wie es gestaltet wird selbst in der Hand.“

Kinderfrei zu leben war für dich überwiegend eine körperlich bedingte Entscheidung. Magst du davon erzählen?

„Durch die Myome auf meiner Gebärmutter durchlebte ich eine fast 20-jährige Odyssee aus sehr starken und unregelmäßigen Blutungen, Schmerzen, regelmäßiger Einnahme von hochdosierten Schmerzmitteln, Kreislaufproblemen, Hormontherapien, Anämien, Gewichtszunahmen und zwei Operationen. All das zusammen schränkte mich in meinem täglichen Leben stark ein und minderte erheblich meine Lebensqualität. Parallel sanken die Chancen auf natürlichem Weg schwanger zu werden. Nach der letzten Operation sagte mir mein Arzt, dass meine Chancen auf unter 15 Prozent gefallen seien. Irgendwann war ich einfach müde und wollte endlich leben, reisen und Sport machen. Nach meinem letzten Kreislaufkollaps habe ich dann den Schritt gewagt und mir die Gebärmutter entfernen lassen.“

Kannst du dich noch an den Moment erinnern, als dir nach bzw. vor der OP klar wurde, dass es von dieser Entscheidung keinen Weg zurückgibt? Hat das Ängste in dir ausgelöst – oder konntest du das recht entspannt sehen, weil du deinen körperlichen Leidensweg damit beenden konntest?

„Da nach der zweiten OP die Chancen so gering waren, dass ich auf natürlichem Weg schwanger werden könnte, fing ich an, mich von dem Gedanken zu verabschieden, Kinder selbst zur Welt zu bringen. Natürlich gab es noch die Möglichkeit einer künstlichen Befruchtung, aber wenn man sich etwas damit beschäftigt, was für eine emotionale Belastung das sein kann, war das keine wirkliche Option für mich. Ich hatte schon genug Stress, emotionale Tiefpunkte und körperliche Schmerzen in den letzten 20 Jahren durch die Myome durchlebt. Deshalb war ich klar und im Reinen mit mir als ich am Morgen ins Krankenhaus fuhr. Dem voraus ging allerdings eine intensive Körperarbeit mit Besuchen bei meiner Heilpraktikerin Julia Schuster , um mich emotional zu stabilisieren und mich in meiner Mitte zu wissen.“

Kinderlose Frauen? Hier fehlt es an positiven Vorbildern.

Du hast mit einigen Frauen in deinem Umkreis gesprochen, die sich ohne Kinder unvollständig fühlen. Entsteht dieses Gefühl mehr aus einem Selbstbild, oder der Rolle, welche die Gesellschaft Frauen zuschreibt – wie würdest du das einschätzen?

„Die meisten Frauen wachsen mit dem Bild auf, dass zu einer Frau bzw. einer festen Partnerschaft Kinder gehören. Dass sie erst als Mutter eine vollständige Frau sind und Kinder gebären ihre Aufgabe ist. Aber auch ohne Kinder bin ich eine vollwertige Frau! Und Gebären ist nicht eine Aufgabe, sondern eine Option. Und zu sagen, erst durch ein Kind bekommt das Leben einen Sinn, lässt mich erschaudern. Denn was für ein Leben hat man denn vor dem Kind geführt und Kinder sind nicht dazu da, die Leere in Inneren zu füllen. Es wird Zeit, dass die Gesellschaft – im Mikrokosmos Familie und Freunde – anfängt das tradierte Frauenbild zu hinterfragen und den Weg frei zu machen für alternative Lebensmodelle für Frauen ohne Kinder. Dazu gehört es auch, die Männer mit ins Boot zu nehmen, denn die haben auch oft dieses Bild einer Frau im Kopf.

Was ich mir wünsche ist, dass das erfüllte, kinderfreie Leben einer Frau endlich ein Thema im Kino, im Fernsehen oder in der Literatur wird. Es fehlt an positiven Vorbildern. Wenn überhaupt, hört, liest oder sieht man eher etwas von Frauen, die mit dem ‚Schicksal’ des unerfüllten Kinderwunsches kämpfen.“

Das Gefühl keine vollständige Frau zu sein, kam bei mir eher durch Männer.

Ist dir dieser Gedanke, dass das zum Frausein dazu gehört, auch schon einmal begegnet oder warst du davon immer frei? Und falls ja, hast du in diesen Momenten vielleicht auch über Adoption nachgedacht?

„Ich wurde von einer alleinerziehenden Mutter und meinen Großeltern großgezogen. Das was in den 1970ern noch kein konventionelles Lebensmodell. Das heißt, bei uns war vieles anders. Meine Mutter und meine Großeltern haben mir nie das Gefühl gegeben, dass Kinder zwingend zu einem erfüllten Leben gehören. Im Gegenteil. Ich hatte den Raum, so zu leben, wie ich es für richtig halte. Meine Mutter hat nie zu mir gesagt, wann kann ich mit Enkelkindern rechnen?

Das Gefühl keine vollständige Frau zu sein, kam bei mir eher durch Männer beim Dating hoch. Einer sagte mal zu mir, dass für ihn nur Frauen infrage kommen, die Kinder bekommen könnten bzw. schon welche haben, weil das eine Frau erst vollständig macht. Einer hat den Kontakt abgebrochen, weil er das mit meinen Myomen mitbekommen hatte. Oder aber wenn Frauen fragen, wann es bei mir so weit sei und ich mit ‚gar nicht’ geantwortet habe. Dieses Naserümpfen und dann: ‚Aber Du verpasst was im Leben.’ Konnte damals einen Stich im Herzen verursachen.

Natürlich habe ich schon über Adoption nachgedacht und nichts würde gegen eine Adoption sprechen. Im Gegenteil. Es gibt genügend Kinder auf der Welt, die ein Zuhause und Liebe bräuchten. Es ist schade, dass für viele nur eigener Nachwuchs infrage kommt. Allerdings genieße ich gerade meine neu gewonnenen Möglichkeiten, die sich mir seit der Gebärmutterentfernung eröffnet haben.“

Glücklich zu sein, auch wenn der eigene Lebensweg anders verläuft als man sich das vorgestellt hat, ist vor allem eine Entscheidung. Würdest du da zustimmen?

„Kann ich bejahen. Ein glückliches und erfülltes Leben kommt nicht von alleine. Dazu muss man sich immer wieder aufs Neue entschließen, flexibel sein und daran arbeiten. Dabei helfen auch ein entsprechend positives Umfeld und professionelle Unterstützung, um Enttäuschungen und Verletzung zu verarbeiten und gelegentliche Verirrungen zu erkennen.“

Ich könnte mir vorstellen, dass wenn du Menschen triffst und das Gespräch irgendwann auf Kinder kommt, die Frage nach dem Warum auftaucht. Wie gehst du damit um, dass man sich als Frau erklären muss, wenn man keine Kinder hat?

„Ich gehe damit offen um und sage meinem Gegenüber, dass ich keine Gebärmutter habe und deshalb keine Kinder bekommen kann. Dann herrscht oftmals betretenes Schweigen seitens meines Gegenübers. Manchmal sage ich dann: Und genau deshalb stellt man einer Frau so eine persönliche Frage nicht.

Kann aber auch sein, dass ich mit: ‚Würdest Du das auch einen Mann fragen oder warum interessiert es Dich?’ antworte, wenn es mich nervt, dass ich mich als Frau erklären soll. Ich habe keine Kinder. Punkt. Das hat etwas mit dem Respekt der Privatsphäre zu tun. Wobei das bei mir nun durch den Artikel nicht mehr gegeben ist. Aber ich hoffe, dass ich dadurch andere Menschen sensibilisiere, Frauen die nötige Achtung entgegenzubringen und den Impuls zu unterdrücken nach dem Warum zu fragen.“

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