Ungewollte Kinderlosigkeit ist für viele Paare ein sehr schmerzhaftes Thema. Und eines, das tabuisiert wird. Franziska Ferber hat gemeinsam mit ihrem Partner genau das erlebt. Wie sie trotzdem glücklich wurden und es geschafft haben, sich von ihrem Traum von gemeinsamen Kindern zu verabschieden, hat sie uns erzählt.
Ungewollt kinderlos: Haben wir etwas falsch gemacht?
Es ist ja so: Die meisten von uns gehen erst einmal davon aus, dass wir, wenn wir uns Kinder wünschen, sie dann auch bekommen können. Doch manchmal mag das nicht sofort klappen – und manche Paare bleiben für immer ungewollt kinderlos. Eine Erfahrung, die hilflos macht, Zukunftspläne über den Haufen schmeißt und vor allem sehr schmerzhaft ist.
Wenn bei regelmäßigem Sex nach zwei Jahren immer noch keine Schwangerschaft eingetreten ist, gilt ein Paar nach einer Definition der Weltgesundheitsorganisation als unfruchtbar. In Deutschland ist etwa jede siebte Partnerschaft von ungewollter Kinderlosigkeit betroffen.
Genau so ging es auch Franziska Ferber, die mit Anfang 30 gemeinsam mit ihrem Partner das Thema Kinderplanung angehen wollte. Doch sie wurde einfach nicht schwanger. Es folgten Untersuchungen, medizinische Prozeduren, Schmerz, Wut und Trauer – denn irgendwann stand fest: Wir werden kinderlos bleiben. Über ihre Erfahrungen hat Franziska Ferber nun das Buch „Unsere Glückszahl ist die Zwei“ geschrieben, zudem coacht sie Paare, die sich auch von ihrem Kinderwunsch verabschieden müssen.
Wie sie trotzdem glücklich wurde und wie sie die Situation als Paar gemeistert haben, hat die Autorin uns erzählt.
Franziska, du warst Anfang 30, als du und dein Partner beschlossen habt, dass ihr nun Kinder wollt – doch dann wollte es einfach nicht klappen. Kannst du beschreiben, was du in der Situation gefühlt hast?
„Nun, es war ja nicht die eine Situation, sondern ein jahrelanger Prozess in der Kinderwunschklinik. Am Ende haben wir alles versucht, was medizinisch möglich ist und was wir verantworten konnten. Es hat nicht geklappt. Ich bin kein einziges Mal schwanger geworden. Und ich war verzweifelt – über Jahre hinweg. Ich fühlte mich einsam, weil ich das Gefühl hatte, das mich niemand versteht. Und ich litt sehr, weil scheinbar alle so problemlos das erreichten, was ich mir so sehnlichst wünschte: Eine Schwangerschaft, ein Kind, ein glückliches Familienleben. Es hat lange Jahre gedauert, bis ich mich wieder glücklich und zufrieden fühlen konnte.“
„Man probiert immer mehr aus, weit über die eigenen körperlichen und seelischen Grenzen hinweg“
Manche Paare haben ja in der Situation die Idee einer Art des Versagens im Kopf. Also: Wieso funktionieren wir nicht so, wie wir sollen? Oder sind wir am Ende selbst dran schuld? Kannst du das nachvollziehen?
„Ich glaube, das liegt auch ein bisschen an unserer Erziehung. Ich bin mit dem Satz aufgewachsen, dass ich alles schaffen kann, wenn ich mich nur genug anstrenge. Anstrengung wird belohnt – das ist tief in mir verankert. Und es hat Jahre gedauert, bis ich merkte, dass beim unerfüllten Kinderwunsch und den ICSI-Behandlungen (Anm. Intrazytoplasmatische Spermieninjektion) jegliche Anstrengung nicht hilfreich ist. Weil es ein Stück weit nicht in unserer menschlichen Macht steht, ob ein Kind kommt oder nicht – trotz allem, was wir medizinisch in unserem Land können. Ich selbst hatte nie das Gefühl, zu versagen, wohl aber dachte ich, ich hätte mich noch nicht genug angestrengt.
Und das ist die Krux, der Teufelskreis: Man probiert immer mehr aus, weit über die eigenen körperlichen, aber vor allem auch seelischen Grenzen hinweg. Weil sich die Anstrengung doch irgendwann einmal lohnen muss. Zu erkennen, dass ich keine Schuld trage, sondern anzuerkennen, dass es nicht sein soll und ich trotzdem glücklich leben darf, hat mich am Ende gerettet. Aber das war ein langer Weg, für den ich mir Unterstützung durch einen Kinderwunsch-Coach gewünscht hätte. Aber ich konnte damals niemanden finden, der zu mir gepasst hätte. Heute biete ich genau das an und helfe Betroffenen, besser mit ihrer unerfüllten Kindersehnsucht umzugehen.“
„Wir haben immer nur gelernt, wie man verhütet. Aber keiner hat darauf hingewiesen, wann ein guter Zeitpunkt für ein Kind ist.“
Habt ihr euch jemals einen Vorwurf daraus gemacht, dass ihr nicht früher mit der Kinderplanung angefangen habt?
„In Zeiten, in denen über ein Drittel der Paare in Kinderwunschzentren über 40 Jahre alt ist, fühlte ich mich mit Anfang 30 doch recht jung. Insofern trifft das auf mich nicht zu; da bin ich rational genug. Einen Vorwurf mache ich denjenigen, die den Biologieunterricht in den Schulen konzipieren: Wir haben immer nur gelernt, wie man verhütet – aber keiner hat darauf hingewiesen, wann aus Sicht der Fruchtbarkeit, also biologisch gesehen, ein guter Zeitpunkt für ein Kind ist. Wenn dieses Wissen, aber auch der passende Partner fehlt, und sich das Studium erst mal in Form einer Karriere auszahlen soll, ist schnell dieser Zeitpunkt um Jahre überschritten und Paare sehen sich einer rapide abnehmenden Fruchtbarkeit ausgesetzt. Wir sehen heute alle deutlich jünger aus; aber die Eizellen behalten ihr biologisches Alter.“
„Überall waren Schwangere oder junge Familien, die uns unseren Mangel vor Augen hielten“
Was hat diese Zeit mit euch als Paar gemacht?
„Es war eine sehr schwierige Zeit, weil wir die Leichtigkeit des Miteinanders verloren haben. Je länger der Kinderwunsch andauerte, desto mehr beherrschte dieses schwere Thema die freie, gemeinsame Zeit. Wir erlebten nur noch wenige Freuden, unternahmen immer weniger – auch, weil überall Schwangere oder junge Familien waren, die uns unseren Mangel vor Augen hielten. Es kam vor, dass wir frühstücken gehen wollten und wir kurz nach der Ankunft im Café wieder nach Hause fuhren, weil ich das Glück der anderen nicht ertragen konnte. Die Vereinsamung und das stille, tiefe Leid, das – anders als bei vielen anderen Lebenskrisen – uns beide betraf, hat uns eine große Schwere beschert. Gott sei Dank haben wir uns diese zurückerkämpft und leben heute wieder ein erfülltes Leben.“
Was würdest du, als Coach aber auch anhand deiner persönlichen Erfahrung, sagen, kann man einem Paar in dieser Situation an die Hand geben? Vielleicht, sich nicht voneinander abzukapseln?
„Der Kinderwunsch ist sehr individuell – und so arbeite ich als Kinderwunsch-Coach auch. Ich blicke immer auf die individuelle Situation, versuche Gutes herauszuarbeiten und für den Umgang mit dem Kinderwunsch zu nutzen. Ich mag keine gut gemeinten, aber oft schlecht gemachten Ratschläge, denn das hören die Betroffenen oft genug. Mein ‚Favorit’ ist nach wie vor: „Entspannt euch mal – ihr arbeitet aber auch wirklich zu viel“. Das ist Quatsch und streut Salz in die Wunden der Betroffenen. Wenn ich also einen Rat geben darf: Kapselt euch ab von den Ratschlägen anderer; haltet euch an das, von dem ihr konkret merkt, dass es euch gut tut. Und schafft euch Paarzeit – nicht nur Paarungszeit. Es ist wichtig, miteinander auch Gutes zu erleben; gerade, wenn die Wolken den Himmel verdunkeln und man sich emotional so schwer beladen fühlt.“
„Es hilft in einer Freundschaft, sich nicht ungefragt sein Schicksal aufs Brot zu schmieren“
Viele Paare fühlen sich auch von ihrer Umgebung unter Druck gesetzt. Die Freundinnen sind alle schwanger und die Schwiegereltern wünschen sich doch auch schon so lange Enkel – wie kann man sich davon lösen? Direkt ansprechen? Oder wird die Sorge dann nicht nur realer?
„In der Tat erlebe ich es häufig, dass viele meiner Kundinnen, übrigens unabhängig davon, wo sie wohnen und über welchen (digitalen) Kanal ich mit ihnen arbeite, diesem Druck ausgesetzt sind: Im Leben vor dem Kinderwunsch war es so, dass beispielsweise die beste Freundin oder die Familie einem in schwierigen Situationen mit Rat und Tat zur Seite standen. Der Kinderwunsch ist da anders und geht auch viel tiefer. Wenn die beste Freundin selbst schwanger ist oder Kinder hat, verändert sich deren Lebenswirklichkeit. Hier droht der echte Kontakt auseinanderzubrechen, weil die Tiefe des Gemeinsamen oftmals auf der Strecke bleibt. Und wenn die eigenen Eltern oder Schwiegereltern sich Enkel wünschen, sind auch sie direkt betroffen; auch wenn viele von ihnen das nie sagen würden.
Ich persönlich habe mich dafür entschieden, innerhalb der Familie offen darüber zu sprechen und gleichzeitig darum gebeten, dass nicht ständig nachgefragt wird. Das hat mir Luft gegeben und auch so manches Familienfest entspannt. Mit meiner Freundin habe ich eine Vereinbarung getroffen: Wir fragen gegenseitig vorher, ob die andere es gerade ertragen kann, beispielsweise von den Schwierigkeiten des Mutterseins nach einer durchgespuckten Nacht zu hören, während die andere sich das genau wünschen würde (lacht) – also, zumindest für ein Kind sorgen zu dürfen. Das gilt aber auch andersherum: Will die junge, aber übermüdete Mutter gerade hören, wie herrlich entspannt man die Seele bei einem Kaffee in der Sonne am See baumeln lassen kann? Kurz: Wir schmieren uns nicht ungefragt unser Schicksal aufs Brot – das hat unsere Freundschaft gerettet und vertieft.“
Und wie kann man als Freund oder Freundin damit umgehen, wenn ein lieber Mensch aus dem eigenen Umfeld sich mit ungewollter Kinderlosigkeit auseinandersetzen muss?
„Ich erlebe leider viel zu oft, dass Menschen es gut meinen, wenn sie auf das, was ein anderer sagt, mit einem ‚geht mir auch so’ oder der Darlegung ihrer eigenen Erlebnisse reagieren. Sie wollen damit zeigen, dass sie einen verstehen. Klappt aber selten. Denn das Einzige, was da passiert, ist, dass die Aufmerksamkeit von demjenigen, der sich endlich entschlossen hat, Farbe zu bekennen und eine Schwäche, ein Leid zu offenbaren, entzogen wird. Das hinterlässt einen schalen Geschmack und ist zudem oftmals wenig hilfreich. Besser wäre es, wenn man dem anderen Menschen zuhört, anerkennt, was gesagt wurde und dann fragt, was derjenige gerade braucht; was ihm guttun würde. Das gilt aus meiner Sicht übrigens für alle Lebensthemen; nicht nur – aber ganz besonders – für den unerfüllten Kinderwunsch.“
Wie kann das konkret aussehen?
„Danke deiner Freundin, dass sie dich einbindet. Erkenne an, dass sie es gerade schwer hat. Gib keine Ratschläge; mach keine Vorschläge. Sondern frag sie doch, was ihr jetzt guttun würde – sie ist die Expertin für sich selbst. Wenn sie es gerade nicht weiß, dann hilf ihr, genau das herauszufinden. Das ist der größte Liebesdienst. Und der zweite gute Freundschaftsdienst ist, auch einen schlechten Tag hinzunehmen – ohne es persönlich zu nehmen. Der unerfüllte Kinderwunsch geht emotional sehr tief und tut wirklich weh; da brauchen die Betroffenen jemanden an der Seite, der an sie glaubt und da ist – auch wenn die Stimmung mal im Keller ist oder die Teilnahme an einer Party abgesagt wurde. Es hat nichts mit dir zu tun; es ist vielleicht ‚nur’ gerade eine schwere Zeit. Hab’ Gnade und Nachsicht mit den Mitmenschen, das denke ich oft.“
„Ich fühlte mich des letzten Mittels beraubt und damit starb die Hoffnung auf die Erfüllung meiner Kindersehnsucht.“
Bei euch haben auch reproduktionsmedizinische Mittel nichts geholfen. Wie hilflos macht das, wenn auch ein Arzt nicht mehr eingreifen kann?
„Für alles engagieren wir Experten. Wenn das Auto streikt, suchen wir uns eine gute Werkstatt. Wenn wir zu Hause ein Problem mit dem Wasser haben, rufen wir den Klempner. Und beim Kinderwunsch – da sourct man eines der intimsten, privatesten Themen an einen Kinderwunscharzt aus. Ich dachte lange Zeit, dass die es schon hinbekommen werden, weil sie doch Experten sind. Es ist niederschmetternd, wenn dieser Glaube irgendwann erschüttert wird; nicht, weil die Ärzte nicht gut waren, sondern weil auch sie es nicht vollends in der Hand haben, ob eine Schwangerschaft eintritt. Ich fühlte mich des letzten Mittels beraubt und damit starb die Hoffnung auf die Erfüllung meiner Kindersehnsucht. Ich denke, Menschen sind nicht dafür gemacht, ohne nachvollziehbare Gründe etwas akzeptieren zu können. Das war auch für mich sehr schwer, dass es am Ende keinen wirklichen Grund gibt, weshalb das medizinische Know-how uns nicht geholfen hat. Es hat mich viele Tränen gekostet, das zu akzeptieren. Widerstand gegen etwas erzeugt Leid, Akzeptanz hilft, in ein neues kinderloses, aber glückliches Leben zu finden.“
Dein Buch trägt den Titel „Unsere Glückszahl ist die Zwei“. Hast du beziehungsweise habt ihr also den Frieden mit dieser Sache gefunden?
„Diese schwere Zeit hat meinen Mann und mich einander noch nähergebracht. Wir mussten ein Leben außerhalb der gesellschaftlichen Norm – Heirat, Hausbau, Kinder – entwerfen und Wege finden, wie wir das für uns gut finden und leben können. Wir sind keine ‚Revoluzzer’ – leben aber nun viel unabhängiger von dem, was ‚man erwartet’. Wir leben nun so, wie es uns gefällt. Für mich persönlich brachte die Kinderwunschzeit noch etwas Gutes hervor: Ich habe eine mehrjährige Coaching-Ausbildung absolviert und mich als Kinderwunsch-Coach selbstständig gemacht – weil ich ein psycho-soziales Angebot schaffen will, das ich mir für mich damals so gewünscht habe. Ich konnte für die Jahre dauernden, seelischen Qualen keine zu mir passende Hilfe bekommen; aber ich will nicht, dass sich andere Frauen so einsam fühlen müssen wie ich damals. Ursprünglich dachte ich, dass ich nur im Raum München arbeite; es kam anders: Ich unterstütze viele Frauen im deutschsprachigen Raum auch über Telefon, Skype und E-Mail und erziele gute Erfolge. Das macht mich dankbar – und ich habe das Gefühl, dass mein erlittenes Leid für etwas gut ist. Meine Kundinnen sind dankbar dafür. Und ich auch.“
Hast du vielleicht einen Tipp für alle Paare, die gerade versuchen, sich ihren Kinderwunsch zu erfüllen – bei denen es aber (noch) nicht klappen mag?
„Was für eine Herausforderung. Das Erleben des unerfüllten Kinderwunsches ist so individuell wie die Menschen, die dies aushalten müssen. Einen pauschalen Rat mag ich nicht geben. Aber was ich als Gedankenanstoß mitgeben kann, ist ein Satz, der bei mir vieles in Bewegung gebracht hat: ‚Erfolg bedeutet, dass man bekommt, was man sich wünscht. Glück bedeutet, das zu schätzen, was man hat.’ Jeder von uns hat immer wieder aufs Neue die Wahl: Schaue ich auf das, was gut und ‚reich’ ist – oder konzentriere ich mich darauf, was schlecht ist in meinem Leben und was fehlt? Ich glaube fest an die Kraft der Gedanken – und die lassen sich, mit etwas Übung, steuern. Und das ist das Gute an uns Menschen: Wir haben trotz allem Schicksal eine Wahl, wie wir über uns und unser Leben denken wollen. Ich glaube, das ist die wahre Kraft, die in uns steckt. Ich helfe als Coach gerne mit, dass ungewollt Kinderlose dies für sich entdecken dürfen und nutzen können.“
Franziska Ferber: „Unsere Glückszahl ist die Zwei: Wie wir uns von unserem Kinderwunsch verabschiedeten und unser neues, wunderbares Leben fanden“, Eden Books, Juni 2016, 240 Seiten, 14,95 Euro.
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