Foto: Nursultan Rakysh

Eine Auszeit vom Job: „Ich war an dem Punkt, an dem ich gesagt habe: Ich kann nicht mehr“

David Noël fühlte sich ausgebrannt und dachte darüber nach, seinen Job zu kündigen. Mit seiner Managerin kam er aber zu einer anderen Lösung: ein Sabbatical. Uns hat er erzählt, warum er eine Auszeit brauchte und wie er sie organisiert hat.

„Der Druck, den man sich selbst macht, ist der schlimmste“

David Noël war sechs Jahre bei der Musikplattform SoundCloud, als er an den Punkt kam, über eine Kündigung nachzudenken. Aber nicht, weil er seinen Job nicht mehr mochte. In seiner Rolle als Head of Internal Communications hatte er normale Arbeitszeiten, denn das Startup hat sich über die Jahre zunehmend professionalisiert und mittlerweile etwa 300 Mitarbeiter – an zu vielen Überstunden lag es nicht, dass er Burnout-Symptome zeigte. Wie er zu dem Entschluss kam, als erster Mitarbeiter des Unternehmens ein Sabbatical zu machen, hat er uns im Interview erzählt.

Wann hast du das erste Mal darüber nachgedacht, eine längere Auszeit vom Job zu nehmen?

„Das Wort ,Sabbatical’ fiel das erste Mal im Gespräch mit meiner Managerin im Dezember 2013 im Jahresabschlussgespräch, in dem ich mein Arbeitsjahr reflektiert habe und auch ein wenig müde war. In dem Gespräch ging es eigentlich um ganz andere Dinge, aber das Sabbatical tauchte als eine Option auf und wir sprachen darüber, dass es bei langjährigen Mitarbeitern eine beliebte Option sei.“

Sind Sabbaticals bei SoundCloud mittlerweile ein fester Bestandteil des Angebots für Mitarbeiter?

„Mittlerweile sind sie das. Ich war der erste, der eins genommen hat. Für das Jahr 2014 war es eigentlich kein Thema mehr für mich, aber so im März, April 2015 wurde es konkreter. Da ging es noch weniger darum,  dass ich eins machen wollte und von SoundCloud forderte, mir eines zu geben. Es war eher eine Annäherung über einen Zeitraum zwischen meiner Managerin und mir, bis wir zu dem Punkt kamen, an dem wir die Idee beide gut fanden. In einem Startup ist es ja so, dass es viele Strukturen und Prozesse einfach noch nicht gibt, und das war ein Aspekt davon. Wie ein Sabbatical aussehen könnte, war noch nicht durchdacht. Deswegen hat es ein wenig länger gedauert, es für mich zu machen. Wir haben dann aber gleich gesagt: Wenn wir es machen, wollen wir daraus ein Programm machen, das allen zur Verfügung steht.“

Wie seid ihr dabei vorgegangen?

„Wir haben erst einmal mit der Philosophie angefangen: Warum machen wir das? Was erhoffen wir uns davon? Wie würde es ablaufen? Wer kommt dafür in Frage? Wie ist die Vorbereitung darauf? Das sind recht einfache Fragen, das war also kein komplexer Prozess, eher ein leichter.“

Was muss man erfüllen, um ein Sabbatical bei euch machen zu können?

„Jemand muss fünf Jahre oder mehr im Unternehmen sein, der Beginn muss einen Vorlauf von mindestens sechs Monaten haben, besser sind zwölf, und es sind drei Monate unbezahlte Auszeit. Also ganz simpel.“

Über welche anderen Optionen hast du nachgedacht?

„Ich war schon an dem Punkt, an dem ich gesagt habe: Ich kann nicht mehr. Und der einzige Ausweg wäre für mich gewesen, zu kündigen – nach sechs Jahren im Unternehmen. Ich wusste, egal was ich mache, ich brauche eine Pause.“

Was hat dazu geführt, dass du an diesen Punkt gekommen bist?

„Es war ein merkwürdiges und heftiges Jahr. Bei mir kamen verschiedene Dinge beruflich und privat zusammen, die zu einer Spirale geworden sind, die mich runtergezogen hat. Wir haben sowieso für viele Jahre sehr intensiv und auf hohem Niveau gearbeitet, die ersten zwei, drei Jahre waren extrem stressig. Das betraf Überstunden, Wochenenden, E-Mails links und rechts und Reisen. Sehr viel Druck, vor allem Druck, den man sich selbst macht, der eigentlich am schlimmsten ist. Wir haben natürlich Glück, dass wir uns mittlerweile professionalisiert haben und jetzt alles organisierter ist, was auch mehr Zeit bedeutet. Für mich war es zuletzt überhaupt kein Problem, zeitig nach Hause zu gehen, aber trotzdem hab ich gespürt, dass einfach keine Energie mehr da war. Die Kritiker von Sabbaticals sagen ja immer: ,Stellt euch nicht so an, andere Leute haben drei Kinder.’ Das ist auch richtig. Was man dennoch verstehen muss ist, ist der Kontext: In einem Startup hast du selbst andere Erwartungen an dich, das Unternehmen auch, es gibt ein viel größeres Risiko und viel mehr Druck. Es kann viel schiefgehen, und es geht auch viel schief. “

Haben deine Freunde dir angemerkt, dass du eine Pause brauchtest?

„Von außen betrachtet ging’s mir eigentlich wirklich gut, aber sobald ich Zuhause ankam, bin ich gecrasht. Ich hatte keinen sozialen Kontakt mehr, ich habe keinen Sport mehr getrieben, zu viel Alkohol getrunken, meine Fernbeziehung war gerade zu Ende gegangen, Depressionen, den Tod meiner Mutter hatte ich nicht richtig verarbeitet – alle Themen haben mich eingeholt. Der einzige Weg für mich da raus war zu sagen: Ich muss mich um mich selbst kümmern. Das heißt, ich muss das Unternehmen verlassen.“

Warum hast du nicht gekündigt?

„Im Gespräch mit meiner Managerin kam dann die Option für ein Sabbatical auf, denn sie wollten, dass ich bei ihnen bleibe und haben mit mir nach einer Lösung gesucht.“

Braucht es dafür ein gutes Vertrauensverhältnis zu Vorgesetzten?

„Ja, definitiv. Ich hoffe, dass die Kultur eines Unternehmens ermöglicht, offene Kommunikation zwischen Managern und Mitarbeitern zu haben – so sollte es sein und in vielen Unternehmen ist es auch so. Das ist eine Voraussetzung für unsere Generation, überhaupt da sein zu wollen. Aber natürlich weiß ich auch, dass es oft nicht der Fall ist. Bei SoundCloud ist der Anspruch an die Manager, diese Kultur zu schaffen und den Mitarbeitern zu signalisieren, dass sie mit allen Themen offen umgehen können. Ich bin generell ein sehr offener Mensch und habe kein Problem damit. Ich kann total verstehen, dass andere das nicht können. Meine Chefin und ich haben ein sehr gutes Verhältnis – ich kann ihr jedes Thema anvertrauen. Aber natürlich weiß ich auch, dass das bei vielen anderen nicht der Fall ist.“

Wie hat dein Team reagiert?

„Sehr gut. Also das Allerwichtigste ist natürlich, dass man den Impact auf das Team minimiert. Was sind die Dinge, die weiterlaufen müssen? Was sind die Dinge, die pausieren können? Im Team haben wir also geschaut, wie wir das umorganisieren. Aber das Feedback vom Team war super. Meine Chefin war dann bei großen Themen im Team Ansprechpartnerin. Auch das Senior-Management-Team, in dem ich Mitglied bin, hat mich unterstützt. Ich hab mich ein wenig schlecht gefühlt, weil ich der erste war. Ich fühlte mich privilegiert, dass ich ein Sabbatical machen durfte. Ich hatte Angst, dass es komisch aufgenommen wird. Die Angst war aber völlig unbegründet. Es war totaler Support da und die Reaktionen eher so: ,Ey der Typ ist seit sechs Jahren hier, der soll mal ne Pause machen. Der soll mal weg’ (lacht).“

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