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Provinziell? Warum die Kleinstadt mehr als nur eine Notlösung ist

Die Heimat unserer Community-Autorin Lisa: eine Kleinstadt. Genau genommen eine kleine Studentenstadt. Nennt man das dann kleinstädtische Studentenstadt oder hat das gleich einen negativen Touch? Berlin? München? Warum muss es immer die Großstadt sein? Über die Vorzüge einer kleineren Stadt.

In 10 Minuten bei dir? Kein Problem!

Hast du schonmal in München jemanden gefragt, ob er sich in zehn Minuten mit dir treffen will? Befindet ihr euch nicht zufällig zwei Straßen auseinander, ist das schier unmöglich. In einer Kleinstadt ist das kein Problem. Rad oder Füße sind das Fortbewegungsmittel. Wenn man ausnahmsweise mal ganz bequem ist, kann es auch mal das Auto sein, aber dann schafft man es auch kürzer. Also wenn man pünktlich ist – aber das  ist eine andere Geschichte. Ich bin nicht der spontanste Mensch, aber in einer Stadt der kurzen Wege kann man das durchaus lernen. In München? Habe ich ein halbes Jahr gelebt – da wartet man an schlechten Tagen auch mal zehn Minuten auf die Tram.

Kennst du eigentlich..? Na klar, die war doch mit…

Okay, dieses jeder-kennt-jeden kann Fluch oder Segen sein. Kann man in der Großstadt in der scheinbaren Anonymität auch mal untertauchen, ist das in einer Kleinstadt eher nicht möglich oder nennen wir es schier unmöglich. Das Positive? Es gibt keinen Abend, an dem man etwas machen möchte und keiner hat Zeit oder einen zu langen Weg. (siehe: In 10 Minuten bei dir? Ich bin da!) Man kennt eben immer jemanden, der wieder jemanden kennt, der jemanden kennt..naja ihr wisst schon, irgendwann wird dann aus einem gemütlichen Abend zu viert eine kleine Party zu  10,15,20…Was mich zum nächsten Punkt kommen lässt:

WG-Feiern haben ihren eigenen Charme

In den meisten Stadtteilen von München gibt es vermutlich mehr Clubs und Kneipen als in manch einer Kleinstadt. Na und? Irgendwann werdet ihr auch in der Großstadt euren Lieblingsclub oder eure Lieblingsbar gefunden haben und immer wieder dieselbe Adresse ansteuern. Was ich festgestellt habe, ist, dass man in Kleinstädten einfach viel öfters selbst zum Club- oder Barbetreiber wird: WG-Feiern haben ihren eigenen Charme. Bier? Wein? Oder die altbewährte Bowle? Ist für jeden etwas dabei. Irgendein Freund aus dem Freundeskreis wird DJ sein und schon hat man eine super Alternative. Man kann tanzen, sich wirklich unterhalten – und das alles in einer lockeren Umgebung. Und gab es schon mal eine  bessere Party als die in der WG-Küche?

Warum es uns wieder zurückzieht

Die Tage habe ich einen Artikel auf ze:tt gelesen: Ein Plädoyer fürs Heimatkaff: Danke, ihr Daheimgebliebenen!  Warum es gut ist, dass es nicht jeden in die Ferne zieht, sondern dass es wichtig ist, dass viele in der Heimatstadt bleiben, um – wie der Autor  es nennt – alles „am Laufen zu halten“. Zudem spricht er an, dass es uns alle irgendwann vermutlich wieder in Richtung Heimat ziehen wird, sei es aus finanziellen oder familiären Gründen. Ich kann dem nur zustimmen. Möchte ich mein Kind nicht lieber ganz klassisch und vielleicht auch etwas klischeehaft mitten im Grünen, am besten auf dem Land, aber zumindest in der Kleinstadt aufwachsen sehen, in der man sich kennt? Ja. Oder möchte auch nicht ich meinen kleinen festen Kreis um mich haben? Ja. Natürlich geht das auch in der Großstadt und sicherlich ergeben sich hier mehr Möglichkeiten, aber das Leben in der Kleinstadt hat durchaus seine Vorteile. Und ich möchte sogar behaupten, dass es erstrebenswert ist.

Hier noch eine klein(städtisch)e Liste mit den Vorzügen, die sicher jedes Kleinstadtkind nur mit einem kräftigen, zustimmendem „Ja, genau“  bestätigen kann:

– Kennt ihr noch die Dorffeiern? Gehören zu der Kategorie: Keiner-gibt-es-zu-alle-gehen-hin.

– Gibt es ein schöneres Gefühl, als sich alle gemeinsam auf dem Weihnachtsmarkt zu treffen und die alten Geschichten von früher
rauszuholen?

– Kindergarten – Grundschule – Gymnasium: Meistens sind es dieselben Leute, die diesen Weg mit dir gehen.

– Dein Lieblingsbäcker kennt dich nicht beim Namen, sondern weiß auch  schon, was du brauchst und der Barista stellt dir deinen Cappucchino
wortlos auf den Tisch.

– Man interessiert sich für den anderen (gut okay, manche vielleicht zu sehr), aber Klatsch und Tratsch gehören irgendwie auch dazu

– Parkplatzsuche? Easy.

Und wenn sich irgendwann wieder alle in ihrer Heimatstadt treffen? Dann sind wir nicht nur reicher an Erfahrungen, sondern manch einer weiß die Vorzüge seiner Kleinstadt dann vielleicht noch mehr zu schätzen.

Dieser Text erschien zuerst auf Lisas Blog. Wir freuen uns, dass sie ihn auch bei uns veröffentlicht.

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