In ihrer Kolumne „Familie und Gedöns“ schreibt Lisa über alles, womit sich Eltern so beschäftigen (müssen), diesmal: Kinder, die sich bedienen lassen.
Einfach nie ausziehen?
Neulich las ich diesen Text über einen 30-jährigen Mann, der von seinen Eltern per Gerichtsbeschluss vor die Tür gesetzt wurde – er hatte sich beharrlich geweigert, von zu Hause auszuziehen. Nähere Details wurden nicht erwähnt, etwa ob vor allem der hauseigene Wäscheservice oder die Versorgung mit warmen Mahlzeiten die entscheidende Rolle spielten, jedenfalls ist „Hotel Mama“ offenbar nicht nur in italienischen Familien eine beliebte Alternative.
Das Ganze hat auch eine politische Dimension – wer keine berufliche Perspektive hat oder einfach nicht genug Geld verdient, sich, womöglich in einer Großstadt, eine Wohnung leisten zu können, für den ist das Ausharren im Elternhaus natürlich eine ernstzunehmende Alternative.
Wenn ich solche Artikel lese, dann entstehen vor meinem geistigen Auge stets Horrorszenarien, wie meine eigenen Kinder mit Vierzig und vollen Backen auf der Couch liegen und mich anbellen, ihnen noch ein Glas Limonade zu bringen.
Es fällt zumindest auf, dass es ihnen 35 Jahre vor dieser Vision bereits große Freude bereitet, andere machen zu lassen – andere, damit meine ich mich. „Ich will, dass du mein Diener bist“, oder: „Wir tun jetzt so, dass du die Kellnerin bist und du musst mir alles bringen“. Darauf lassen ich mich meinetwegen mal ein – anstrengender Kita- und Schultag, etwas Entspannung auch mal nötig, aber gern …
Woher nur dieser Befehlston?
Aber mir ist nicht entgangen, dass auch jenseits solcher Spielchen ein etwas schärferer Kasernenton Einzug gehalten hat. Manchmal funktioniert zwar das seit Jahren praktizierte ewige Anmahnen guter Sprechmanieren („Wie heißt das Zauberwort?“), und der Befehl lautet korrekt: „Bring mir bitte einen Obstteller mit Apfel- und Bananenscheiben“), das ist aber auch schon alles; zwei Minuten später heißt es dann schon „Ich hatte nach einem Apfel-Bananenteller gefragt!“ oder „Wo bleibt mein Apfel-Bananen-Teller?“.
Das vierjährige Kind bricht wutheulend zusammen, wenn die Kellnerin (ich) das Brot trotz vermeintlich präziser Anleitung nicht richtig geschmiert hat: „Du bist so dumm. Ich hatte gesagt, die Toaste sollen dreieckig und nicht viereckig geschnitten werden! Ich liebe nur Papa! Aaaaaaargh!“
Wo sie diesen Befehlston wohl herhaben?
Und diese konstante Weigerung, bei alltäglichen Dingen im Haushalt mitzuhelfen? Dieses Gefühl, schikaniert zu werden, wenn sie gebeten werden, außer dem eigenen Teller womöglich noch eine weitere Sache vom Tisch wegzuräumen?
Mithelfen nur, wenn sonst alles zusammenbricht?
Ich habe dazu neulich einen interessanten Text in der Rubrik „Wissen“ der Süddeutschen Zeitung gelesen, ich krieg nicht mehr alles zusammen, aber die Essenz lautete: Das Problem mit Kindern heute ist, dass es keine wirkliche Notwendigkeit mehr gibt, sie an den täglichen Aufgaben im Haushalt zu beteiligen. Früher spielten auch die Kinder eine essentielle Rolle, damit Haushalt, Hof, was auch immer funktionierten – heute würden Kinder merken, dass es nicht wirklich notwendig ist, die Aufgaben, um die sie gebeten werden, auch auszuführen – vielmehr geht es ums Prinzip, nämlich: Kinder haben im Haushalt mitzuhelfen. Und dieses Spielchen wollen sie nicht mitspielen.
Und da habe ich den Autor des Textes nicht ganz verstanden: Na und? Natürlich geht es ums Prinzip! Natürlich wird unsere Familie nicht Hunger leiden, wenn das Kind sich weigert, den Parmesan zu reiben und es dann eben ich mache – aber dieses Prinzip, dass Kinder ihren Eltern im Haushalt helfen, egal ob das nun überlebenswichtig ist oder nicht, das ist doch irgendwie sinnvoll, oder nicht?
Und jetzt erzählt mir bitte nicht, dass eure Kinder jeden Abend die Spülmaschine aus- und einräumen und dann fragen, ob sie vielleicht noch schnell den Rasen mähen sollen. Falls doch: Dann sagt mir aber bitte auch noch, wie ihr das gemacht habt (ohne einen Euro pro ausgeräumte Spülmaschine in Aussicht zu stellen, da bin ich natürlich auch schon drauf gekommen).
Bild: depositphotos
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