Foto: Jomjakkapat Parrueng I Unsplash

Leben mit Kindern: Immer wenn es schön werden soll, läuft es besonders beschissen

In ihrer Kolumne „Familie und Gedöns“ schreibt Lisa über alles, womit sich Eltern so beschäftigen (müssen), diesmal: Warum geht ausgerechnet an den Tagen alles schief, die toll werden sollten?

Schlechte Noten in der Außenwahrnehmung

Was ich immer besser hinkriege, diesbezüglich habe ich in den vergangen sechs Jahren viel gelernt: Akzeptieren, dass die Außenwahrnehmung unserer Familie manchmal sehr schlecht ist, ohne groß damit zu hadern. Würde ich das jedes Mal tun, wäre ich ein sehr unglücklicher Mensch.

An manchen Orten ist es natürlich egal, in welchem Zustand wir sie verlassen; Autobahnraststätten, zum Beispiel. Bei anderen, wie das Lieblingsrestaurant, nahegelegener Spielplatz oder Stamm-Supermarkt, ist es schwieriger; es macht schließlich keinen Spaß, regelmäßig an Orte zurückzukehren, an denen sich viele Menschen aufhalten, deren sehnlichster Wunsch ein Hausverbot für die Chaos-Familie ist, von der sie unverdrossen jede Woche heimgesucht werden.

Die Stimmung kippt: kaputte Unterhaltungselektronik

Der vergangene Samstag war wieder so ein Übungstag: Üben, zu akzeptieren, dass manche Tage einfach ein Desaster sind. Interessanterweise sind das meiner Erfahrung nach oft die Tage, von denen man sich eigentlich eine Besserung der Gesamtsituation erhofft hatte. Diesmal: Die gesamte Familie hatte sich mit Mühe und Not und viel externer Unterstützung bis zum Freitag geschleppt, krank, angeschlagen, überreizt, unausgeschlafen. Und jetzt raus in die Natur, hurra!

Leider kippte die Stimmung bereits während der Autofahrt. Schlechte Laune im Auto hat bei uns in der Regel immer mit nicht optimal funktionierender Unterhaltungselektronik zu tun; zuletzt etwa sorgte der mp3-Player für Ärger, der aus unerfindlichen Gründen sämtliche Hörspiele in willkürlicher Reihenfolge abspielte. Das mittlere gab sich manchmal damit zufrieden, das älteste brüllte jedes Mal vor Wut, wenn nach dem Refrain vom kleinen Drachen Kokosnuss plötzlich Track 7 kam. Nun hatte mein Mann einen Musik-Streaming-Dienst aufs Handy geladen und das Problem schien gelöst – bis sich herausstellte, dass aus unerfindliche Gründen sämtliche Hörspiele nur in der Instrumental-Version zu hören waren.

Eine Viertelstunde Kreise drehen auf dem Parkplatz

Jedenfalls: im Auto auf allen Sitzen Gebrüll. Das Baby, mittlerweile fast eineinhalb, schaffte es trotzdem, einzuschlafen. Was ein Problem darstellte, denn wie auf Kommando beschloss es aufzuwachen, sobald wir auf dem Supermarktparkplatz einfuhren, was auf keinen Fall passieren durfte, um keinen von unfassbar schlechter Baby-Laune geprägten Nachmittag verleben zu müssen. Wir fuhren also auf dem Supermarktplatz etwa eine Viertelstunde im Kreis, bis allen schwindelig war und die anderen Kunden auf dem Parkplatz uns nervös hinterher starrten. Das Baby schlief natürlich trotzdem nicht mehr ein. Also musste es mit in den Supermarkt.

Eine Minute lang saß es triumphal wie ein kleiner dicker Diktator in seinem Sitz im Einkaufswagen, dann wies es uns an, aussteigen zu wollen.

Eine Viertelstunde lang entfaltete sich dann das übliche Horror-Panorama der einkaufenden Familie mit Kindern. Das Baby hinterließ eine Spur der Verwüstung, während ich versuchte, die Einkaufsliste abzuarbeiten. Ich mache das im Supermarkt mit freilaufendem Baby immer so: Wenn ich das Gefühl habe, keiner schaut, dann stopfe ich alles, was das Baby aus den Regalen gerissen und fallengelassen hat, in das nächstgelegene Regal; werde ich von Supermarkt-Personal beobachtet, so wie dieses Mal, schreite ich den kompletten Supermarkt nochmal rückwärts ab und räume Müslipackungen, Kaffee, Toastbrote, Keksschachteln und so weiter brav an den korrekten Platz.

Nicht ohne meine „Sport Bild“

Das Baby überließ ich derweil sich selbst, Entkommen konnte es schließlich nicht, und irgendwer musste ja den Einkauf erledigen, nachdem mein Mann damit beschäftigt war, sich am Zeitschriftenregal mit dem ältesten Kind zu streiten, das außer sich war, weil es nicht die aktuelle Ausgabe der „Sport Bild“ erwerben durfte.

An der Kasse fragte ich ausgelaugt und etwas nervös in der Kassenschlange herum, ob zufällig jemand das Baby gesehen hatte; ein Mann nickte vielsagend in Richtung einer Ecke hinter den Kassen, wo das Baby hochzufrieden saß und einen riesigen Brühwürfel zerkaute. Ich entwand ihm den vor Speichel triefenden Würfel, um ihn von der angeekelten Kassiererin scannen und dann verschwinden zu lassen, was einen Wutanfall bisher ungekannten Ausmaßes zur Folge hatte. Das älteste Kind wütete weiterhin wegen „Sport Bild“, und das mittlere, das sich eh immer ungerecht behandelt fühlt, beschloss, auch ausrasten zu dürfen, weil es keine „Tic Tacs“ haben durfte.

Aufarbeiten am Montag

Irgendwie gelangte ich mit dem meuternden Haufen auf den Parkplatz, wo ich von einer älteren Frau bemitleidet wurde. Wobei, Mitleid war es gar nicht so wirklich, es klang eher bestürzt: „Mensch, drei Jungs, dit is ja ooch wirklich nich leicht, wa?“

Ich behielt die tatsächliche Frauenquote (66,66 Prozent) des brüllenden, verdreckten und nachlässig gekleideten Terror-Trios für mich und nickte. Dann machte ich mich daran, das Auto mit riesigen Mengen Lebensmitteln und Widerstand leistenden Kindern zu befüllen.

Mit einem befreundeten Kita-Vater, ebenfalls drei Kinder, tausche ich mich regelmäßig, eigentlich jeden Montag, in unserer inoffiziellen Selbsthilfegruppe für desillusionierte Eltern zu Erlebnissen wie diesen aus.

Was wir jedes Mal herausarbeiten, ist ein Leitsatz, den ich eigentlich allen Leuten, die mit dem Gedanken spielen, mal Kinder zu kriegen, mit auf den Weg geben möchte, und er soll überhaupt nicht resigniert oder negativ oder anti klingen, sondern eher tröstlich: Immer dann, wenn man denkt, es könnte schön werden, dann läuft es besonders beschissen.

Aber umgekehrt gilt das natürlich auch.

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