In ihrer Kolumne „Familie und Gedöns“ schreibt Lisa über alles, womit sich Eltern so beschäftigen (müssen), diesmal: Pflege der Paarbeziehung
Zurück um halb zehn? Notfall?
Neulich gab es einen peinlichen Moment mit dem Babysitter. Er hatte unsere Ankündigung, es würde heute „bestimmt nicht spät“ werden, wohl als Standard-Elternverabschiedung abgetan, jedenfalls offenbar nicht ernst genommen. Als wir dann um kurz nach neun (!) wieder die Wohnung betraten, erledigte der Babysitter gerade sein Geschäft bei offener Badezimmertür und trat mit hochrotem Kopf auf den Flur.
Was denn passiert sei, fragte er verunsichert: Notfall? Magen-Darm? Habe die Polizei die Bevölkerung wegen des Brandes einer Chemiefabrik angewiesen, in ihre Wohnungen zurückzukehren? Er schien ehrlich verstört, nicht nur wegen der sehr gering ausfallenden Menge seines Honorars.
Die wenig glamouröse Antwort, eigentlich fast noch unglamouröser als Magen-Darm: Wir waren einfach fix und fertig und wollten nur noch ins Bett. Essen bestellen, runter damit, ab nach Hause. Das ist dann also die „Quality Time“, die sich Paare mit Kindern nach Ansicht von Experten möglichst oft gönnen sollten, um die Paarbeziehung zu pflegen und „sich immer wieder gegenseitig zu entdecken“, wie es so schön heißt. Nicht nur der „Spiegel“ schreibt vom „Beziehungskiller Baby“.
Was raten Experten noch? „Es kann hilfreich sein, verschiedene Ebenen auseinanderzuhalten. Vater und Mutter sind Eltern, sie sind aber auch Partner – ein Liebespaar – und sie sind Mann und Frau – eigenständige Individuen. Keine dieser Ebenen darf gänzlich vernachlässigt werden. Jeder Mensch braucht in irgendeiner Form Zeit für sich selbst, um sich als eigenständiges Wesen wahrzunehmen und zu entwickeln.“ Zeit zu zweit sei so wichtig, denn da „dürfen sie sich ohne die Notwendigkeiten des Alltags und der Kinderbetreuung als Mann und Frau begegnen.“ Für mich klingt das ein wenig realitätsfern.
Babysitter? Teuer und umständlich – und ständig ausgebucht
Wir sind nicht die einzigen im Freundeskreis, die daran ständig scheitern und an einem Samstagabend spätestens dann nach Hause kehren, wenn die Teenagerkinder befreundeter Eltern gerade damit beginnen, sich für den Abend fertigzumachen. Wer keine Verwandten in der Stadt wohnen hat, die man unkompliziert einspannen könnte, und das sind die meisten, dann gilt es, einigermaßen umständlich (freitags und samstags auf Wochen ausgebucht) einen Babysitter zu engagieren, der zehn Euro die Stunde aufwärts dafür nimmt, mehrere Stunden lang Chips mümmelnd vor der Glotze zu hängen und „Game of Thrones“-Bingewatching zu betreiben.
Um nur mal eben zu zweit ins Kino oder Essen zu gehen, scheut man diesen Aufwand dann doch, es muss schon der Hochzeitstag oder irgendein anderer Jubeltag sein, der Kosten und Aufwand rechtfertigt. Denn wer nicht schon um kurz nach neun wieder auf der Matte steht, sondern in der Lage ist, mal richtig zu feiern, der ist zwischen 50 und 100 Euro für den Babysitter los und muss ja auch noch irgendwie den Abend bestreiten. Auf Dauer geht man als Normalverdiener bankrott. Trotz „Übernachtungspauschale“, die manche Babysitter immerhin im Angebot haben.
Ein anderes Problem: Irgendwas ist immer. Fieber, Klammerei, Zähne. Selbst bei älteren Kindern, immer ist irgendwas. Fünfer in Mathe, Streit mit der BFF, was weiß denn ich. Insofern erstarre ich in Ehrfurcht vor Leuten, beziehungsweise finde Leute suspekt, die es immer noch schaffen, regelmäßig in seltsamen Schuppen „Rage Against The Machine“ zu hören.
Ein unvorhergesehenes Hindernis für die Paarbeziehungspflege, von dem Freunde berichten, die in einer Patchwork-Konstellation leben: Da kommt es nicht selten vor, dass der Partner gar nicht so gern zu zweit ausgehen will, „weil die Zeit, die wir alle zusammen haben“ doch so schön und rar sei und es doch ein Jammer sei, sich da zu zweit abzusetzen.
Stimmungskiller schlechthin: Kinder
Und um noch einen draufzusetzen: Selbst wenn es einem gelingt, tatsächlich zu zweit irgendwo außerhalb der eigenen Wohnung zu enden, dann kommt unvermeidlich der Moment, in dem einer von beiden nicht anders kann, als das Gespräch auf den Stimmungskiller schlechthin zu bringen: die Kinder. Von wegen Paarbeziehungspflege, sondern: „Meinst du, wir sollten uns nicht doch nochmal die Waldorfschule für Wilhelm angucken?“, „Hast du nicht auch das Gefühl, in der Kita wird zu wenig mit Naturmaterialien gearbeitet?“, „Ich könnte mir vorstellen, Capoeira würde Luise wirklich guttun“….Gähn! Wie sollen derart kontaminierte Abendgespräche der Paarbeziehungspflege dienen?
Und überhaupt: Wie soll man einen richtigen Ausgehabend genießen, also einen echten, so wie früher, mit allem, was so dazugehört, wenn man weiß, dass sich spätestens zwei Stunden nach dem volltrunkenen Zubettgehen ein wirklich ekelhaft gut gelauntes Kleinkind mit Anlauf und R-Sprachfehler auf den eigenen Körper wirft und befiehlt: „Sollst mir Flüstück machen!“
Es gibt doch solche Einrichtungen, an die die man Angehörige, die man zu Hause pflegt, für eine gewisse Zeit abgeben kann, wenn man dringend eine Auszeit braucht und nicht mehr kann. Kurzzeit- oder Tagespflege nennt sich das, glaube ich. Warum gibt es das nicht für Kinder? Wer weiß, dass er mal wieder einen Abend, eine Nacht und womöglich den nächsten Morgen richtig feiern will, der könnte die Kinder für zwei Tage in Kurzzeitpflege geben. Selbstverständlich sollten die Krankenkassen die Kosten übernehmen. Denn auf lange Sicht, da muss ich gar kein Gesundheitsökonom sein, würde sich das auf jeden Fall rechnen. Glückliche Eltern, glückliche Kinder, nicht wahr?
Bild: Evil Erin I flickr I CC BY 2.0
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