Foto: Ellevant

Milena Glimbovski: „Zuletzt habe ich meine Termine aussortiert!“

Milena Glimbovski reduziert, wo sie kann: Müll vermeiden, wenig besitzen, weniger machen. Wie funktioniert Minimalismus in ihrem Alltag?

Mit weniger glücklich werden

Milena Glimbovski ist für ihre Idee bekannt geworden, Müll zu reduzieren. Gemeinsam mit ihrer Co-Gründerin Sara Wolf hat sie 2014 den ersten verpackungsfreien Supermarkt in Berlin eröffnet „Original Unverpackt“. Den Verzicht auf Überflüssiges praktiziert sie mittlerweile auch privat und hat Prinzipien des Minimalismus und der Achtsamkeit fest in ihrem Alltag verankert, unter anderem deswegen, weil sie mit ADHS lebt.

Wir haben Milena dazu befragt, wie man Minimalismus praktisch leben kann, wie man am besten ausmistet und Müll vermeidet und wie sich ihr Leben verändert hat, seitdem sie nur noch wenige Dinge besitzt.

Was hast du zuletzt aussortiert?

„Meine Termine. Ich war letzte Woche krank und wollte mich diese Woche nicht wieder in die Arbeit hineinstürzen mit 60 Stunden in der Woche und habe daher fast alle Termine diese Woche abgesagt.“

Gab es eigentlich ein Erweckungserlebnis, ab dem du Minimalistin werden wolltest?

„Das gab es tatsächlich! Ich wollte damals nicht Minimalistin werden, aber ich habe meine Liebe fürs Ausmisten und fürs weniger Besitzen entdeckt. Ich war gerade von Zuhause ausgezogen und habe mit Hilfe einer Freundin Kiste um Kiste in die neue Wohnung geschleppt. Als wir dann fertig waren, fragte sie mich: ,Das kann doch nicht dein Ernst sein, dass du soviel Zeug hast!‘ Und sie hatte recht. Wir fingen gemeinsam an auszusortieren und ich konnte den ganzen Ballast, der sich so über 17 Jahre angesammelt hatte, loswerden. Die Idee des Ausmistens und Reduzierens war mir vorher nicht bekannt. Es kam in meinem Leben einfach nicht vor. Am Ende der Aktion hatten wir rund die Hälfte der Kisten aussortiert und meine Freundin war erleichtert aber auch wütend, dass ich das nicht schon vorher gemacht hatte. Denn wir haben ja alles zu zweit rüber geschleppt.“

Ziehst du den minimalistischen Lebensstil denn eiskalt durch oder gibt es Ausnahmen?

„Nee, ich glaube nicht an Perfektion. Ich glaube auch daran, dass ich mir mal ein quatschiges Dekostück für die Wohnung holen kann. Es bringt mir zeitweise Freude und irgendwann, wenn es das nicht mehr tut, wird es halt aussortiert, verschenkt oder verkauft. Minimalismus des Trends oder Wortes wegen ist Quatsch. Aber sinnvoll reduzieren und nicht sinnlos konsumieren, also jedem Wohn- und Modetrend folgen wollen, das gehört tatsächlich zu meinen Prinzipien. Nur weil ich etwas schön finde, auch gerade bei anderen, dann muss ich es ja nicht sofort selbst besitzen. Sobald ich mich von diesem Gedanken trenne, lebe ich entspannter. Und sparsamer. Dafür kann ich das Geld in Erinnerungen stecken. Zum Beispiel spontan und natürlich völlig ironisch ins Tropical Island fahren und da auch übernachten unterm falschen Sternenhimmel. Gleichzeitig ist das Leben zu kurz, um mir Dinge zu verbieten, die mir Freude bereiten. Aber in eine aufgeräumte und nicht vollgestopfte Wohnung nach Hause zu kommen, ist für mich wertvoller als der kurze Kick beim Kauf.“

Hast du einen ganz konkreten Tipp für uns, wie wir sofort mehr Weniger in unser Leben bringen können?

„Au ja! Es kann überall anfangen. Zum Beispiel in der Handtasche. Was habe ich da eigentlich alles drin, was ich täglich so mit mir rumschleppe? Zwei Lippenflegestifte, rumfliegendes Kleingeld, ein Handschuh, Kondome, brauch ich das alles? Dann mein Schreibtisch: Je mehr da rumliegt, desto mehr werde ich abgelenkt. Der Trick ist, alle Bereiche und Dinge, die man so hat, in Frage zu stellen. Brauche ich das, bereitet es mir Freude? Und wenn nicht – weg damit.“

Mit Original Unverpackt hast du das erste verpackungsfreie Geschäft Deutschlands entwickelt und gegründet. Ein weiteres Projekt ist der besondere Terminkalender „Ein guter Plan“, gerade läuft die Crowdfunding-Kampagne für Ein guter Plan pro – du hast doch sicher schon Pläne für noch mehr Projekte – verrätst du sie uns?

„Mein aktueller Plan ist, weniger zu machen. Das ist schwierig, weil mein Kopf voller Ideen ist. Am Liebsten würde ich nebenbei einen Online-Shop mit feministischem Merchandise umsetzen und dabei um die Welt reisen und meinen CO2-Abdruck ruinieren. Aber bei der Arbeit an „Ein guter Plan“ habe ich auch gelernt, dass weniger mehr ist. Lieber die zwei Firmen richtig und mit vollem Einsatz machen, als alle Ideen verfolgen und mich verlaufen. Wenn ich wieder mit Freunden trinke und eine Schnapsidee nach der anderen ausbrüte, erinnere ich mich: Wohin will ich eigentlich hin im Leben, so langfristig, und bringt mich dieses Projekt dem Ziel näher oder lenkt es mich eher ab? Was mir auch hilft: ich kann die  zusätzlichen Ideen, die ich habe, in die bestehenden Firmen einfließen lassen.

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