Am Samstag eröffnet in Berlin der erste Laden von „Original Unverpackt“. Milena Glimbovski und Sara Wolf wollen überflüssige Verpackung abschaffen.
Crowdfunding ermöglicht den Laden
Kein Wirtschaftsstudium, keine Branchenkenntnisse, nur eine Idee, für die Milena Glimbovski (24) und Sara Wolf (31) brannten: ein Einkauftskonzept, das Müll vermeidet und Lebensmittelverschwendung reduziert. Seit November 2012 arbeiten die beiden in Berlin an ihrer Idee „Original Unverpackt“. Mit dem Stipendium des Social Impact Labs und einer erfolgreichen Crowdfunding-Kampagne, die über 100.000 Euro eingesammelt hat, konnte das siebenköpfige Team des Startups seine Ideen konkret planen. Der erste Laden des Supermarkts, der nur mit Mehrwegverpackungen arbeiten wird, eröffnet an diesem Samstag in Berlin-Kreuzberg in der Wienerstraße. Es ist das erste Geschäft in Berlin, das den Verzicht auf Verpackung zum Konzept gemacht hat.
Er ist zunächst kleiner geworden als geplant. Auf 100 Quadratmetern können die Kunden in den nächsten Wochen zunächst aus etwa 350 verschiedenen Produkten wählen. Obst und Gemüse zählen selbstverständlich dazu, Marmeladen und Säfte, Trockenprodukte wie Bohnen, Reis und Gewürze, aber auch Biere und Wodka sowie Kosmetikprodukte. Besonders stolz ist das Team auf verschiedene Dinge: Pressesprecherin Sarah Boeck auf den Ruby Cup, eine nachhaltige Alternative zu Tampons, Milena Glimbovski auf Zahnpasta-Tabletten und Sara Wolf auf Tofu, der in den gewünschten Portionen frisch im Laden verkauft wird.
Weniger Verpackung reduziert Verschwendung
Valentin Thurn, der Regisseur, der vor allem aufgrund seines Dokumentarfilms „Taste the Waste“ bekannt ist, erklärt auf dem Pressegespräch von Original Unverpackt, warum weniger Verpackung nicht nur aufgrund der Müllproduktion wichtig ist: „Salat schwitzt in Plastikverpackung und wird dann schlecht. So werden Lebensmittel schon im Laden verschwendet.“ Laut einer Studie des Fraunhofer Institutes für Materialfluss und Logistik gehen Einwegverpackungen auf dem Transport zudem sehr viel häufiger kaputt. Die Bruchquote liegt bei 4,2 Prozent, bei Mehrwegverpackungen nur bei 0,12 Prozent. So erreichen Lebensmittel zum Teil erst gar nicht ihren Bestimmungsort und müssen vorher weggeworfen werden.
Bei der Shopentwicklung machten die Gründerinnen auch Erfahrung mit den strengen Hygieneauflagen für Lebensmittelgeschäfte, die aktuell verhindern, dass Kunden selbst ihre Behältnisse für Aufschnitt und andere frische Produkte mitbringen. Fremdes darf nämlich nicht hinter die Ladentheke wandern. Doch Milena Glimbovski leitet vor allem ein Satz durch ihre Selbstständigkeit: „Es gibt für jedes Problem eine Lösung. Die kann auch sein, dass wir es dann selbst machen.“
Für Käse soll es in der Anfangsphase nun einen „Käsesamstag“ geben, an dem ein externer Händler in den Laden kommt und seine Produkte anbietet. Um die Hygienevorschriften einzuhalten, führt Original Unverpackt ein eigenes Pfandsystem mit Mehrwegverpackungen ein, die wieder zurückgenommen werden. Die Vorschrift sieht vor, dass Behältnisse im Laden selbst gereinigt werden müssen, bevor der Kunde darin seine Ware mit nach Hause nehmen kann. Zum Selbermachen zählen für das Team nicht nur Ideen für umweltfreundliche Verpackungen, sondern auch Produkte selbst. Glimbovski nennt Tomatenmark und Mandelmilch als Beispiele.
Vor allem regionale Produkte
Um in Abstimmung mit den Lieferanten die Verpackung der Produkte so umzustellen, dass sie wiederverwendet werden kann und kein Müll entsteht, sind vor allem die Transportwege entscheidend: Sie müssen kurz sein, Produkte nach Möglichkeit aus der Region stammen. Sollte Original Unverpackt also Läden in anderen Städten eröffnen oder dies Franchise-Nehmer tun, werden dort wieder neue Lieferanten ausgewählt. Vincent Veltjens von der Marmeladenmanufaktur „Rosenrot & Feengrün“ erzählt, dass er auf Bestellanfragen aus Süddeutschland mit der Anwort reagiere: „Ihr werdet auch bei euch eine Oma finden, die Marmelade kochen kann.“ Die kleine Produktionsstätte, die er mit Mutter und Großmutter betreibt, liegt im Spreewald und ist laut Veltjens nun an die eigene Produktionsgrenze gestoßen. Mehr geht nicht. Original Unverpackt zählt jetzt zu seinen Kunden.
Die Produkte sollen „nicht wesentlich teuer als bei Rewe“ sein, sagen die Gründerinnen. Dass keine Kosten für Verpackung und Marketing anfallen, senke den Preis deutlich. Auch werden nicht nur Dinge in Bio-Qualität angeboten, etwa 20 Prozent des Sortiments sind reguläre Produkte.
Noch bevor der erste Laden tatsächlich seine Türen öffnet, war das Interesse an der Idee der Berlinerinnen überwältigend. Nicht nur aus Deutschland, aus der ganzen Welt meldeten sich Interessenten, die sich nach Franchise-Möglichkeiten erkundigten. „Der Bedarf besteht nicht nur in Berlin, wo alles hip und neu ist, sondern überall in Deutschland“, so Milena Glimbovski. Riaan Stipp hat nun für das Startup die Entwicklung eines Konzeptes übernommen und spricht mit möglichen Partnern.
Die Community trägt die Idee
Für die Eröffnung wird das Team des Startups nun um drei weitere Angestellte ergänzt, die vorrangig im Verkauf arbeiten. In den ersten Monaten wird aber jedes Teammitglied auch im Laden beraten und verkaufen, die Aufgaben im Büro strukturieren sich neu. Für die Entwicklung einer Community steht für Original Unverpackt nun zunächst die Nachbarschaftsvernetzung im Fokus. Für Community-Events als Teil des Shopkonzepts ist die Fläche im Laden aktuell zu klein.
Von der Unterstützung der Menschen, die ihre Idee gut finden, ist Milena Glimbovski immer noch überwältigt. 100.00 Euro beim Crowdfunding, fast 40.000 Facebook-Fans, und als sie twitterte, dass sie noch Hilfe beim Streichen des Ladens benötigt, bekam sie zahllose Rückmeldungen. Sogar spät am Dienstagabend, als der Eröffnungstermin wieder ein Stück näher gerückt war, kamen spontan Leute vorbei, die den Aufruf in sozialen Netzwerken gelesen hatten und blieben die Nachtstunden über, damit der Laden mit dem Motto „Klein aber OU“ am Wochenende starten kann. „Mit einem Supermarkt ist noch nicht die Welt gerettet”, sagt die Gründerin, „aber jede Plastikverpackung, die nicht benötigt wird, ist ein Anfang.“