Foto: Kira auf der Heide | Unsplash

Konsum statt Liebe: eine Abrechnung mit Weihnachten

Viel zu viel Plunder, der nur verschenkt wird, damit irgendwas unterm Baum liegt, teures Essen, das weggeschmissen wird: Unsere Community-Autorin Christine fragt sich, wie wir unser gerade an Weihnachten exzessives Konsumverhalten ändern können.

Kaufen, kaufen, kaufen

Neues Handy, neue Schuhe, neue Klamotten, neuen Schnickschnack für die Wohnung, neues Dies und neues Das. Oder zusammengefasst: Konsum. Das ganze Jahr über relevant, erreicht die Thematik pünktlich zur Weihnachtszeit ihr Absurdum. Los geht das Ganze schon einige Wochen vor dem 24. Dezember – bei mir jedenfalls. Da kommt von meinen Eltern nämlich die jährlich wiederkehrende Frage nach einem Wunschzettel. Und wie jedes Jahr kommt diese Frage nicht nur einmal, sondern irgendwann etwa jede Woche. Denn wie jedes Jahr fällt mir nicht ein, was ich darauf schreiben könnte. Wenn ich es genau nehme, bin ich doch recht glücklich und zufrieden und habe alles, was ich wirklich brauche.

Nun gut. Damit endlich Ruhe einkehrt, leiere ich mir eben ein paar Wünsche aus den Rippen. Über eine neue Vase, das ein oder andere Buch und einen neuen Rucksack (mein alter hatte vor wenigen Tagen endgültig den Geist aufgegeben) würde ich mich wohl tatsächlich freuen. Und damit auch wirklich jede*r etwas bekommt, womit er oder sie etwas anfangen kann, schicken meine Eltern und mein Bruder mir im Gegenzug ebenfalls ihre Wunschzettel.

Der Wahnsinn im Einkaufszentrum

Soweit so gut. Zeit, mich ins Weihnachtschaos zu stürzen. Nach wenigen Minuten im Einkaufszentrum werde ich nervös. Viel zu viele Menschen, die hysterisch nach Geschenken suchen und alles in den Einkaufskorb werfen, was nicht niet- und nagelfest ist. Überall Leuchtreklamen, Weihnachtsmänner und Deko, die die konsumfreudige und hektische Stimmung nur noch befeuern.

Meine Krönung dieses Jahr: dieses Geschäft, das von oben bis unten mit Kaffeekapseln für die hoch angepriesenen und ach so coolen Kaffeekapselmaschinen beladen ist. Obwohl das ganze ökologisch, gelinde gesagt, mehr als fragwürdig ist, ist der Laden voll und die Kund*innen kaufen haufenweise überteuerte Kapseln, anstatt für das gleiche Geld mal zur Abwechslung frische und fair gehandelte Kaffeebohnen aus nachhaltigem Anbau zu besorgen. In diesem Kontext wäre das Ganze sicherlich wieder viel zu teuer. Danke, Werbeindustrie.

Reizüberflutet, genervt und ohne ein einziges Geschenk verlasse ich das Einkaufszentrum. Zurück daheim setze ich mich an meinen PC und kaufe einen Teil der Geschenke über das Internet, obwohl ich weiß, dass einschlägige Versandunternehmen einfach ätzend sind und die Angestellten dort ziemlich ausgebeutet werden. Wieder bei vollem Bewusstsein und endlich ohne dauerhaftes Jingle-Bells-Wummern im Ohr (Nachwirkungen aus dem Kaufhaus), versuche ich die restlichen Sachen dann in Lädchen in meinem Viertel zu kaufen, um nicht noch mehr gegen meine eigentlichen Prinzipien zu verstoßen.

Plastikbaum, Geschenkehaufen und zu viel Essen

Ein paar Wochen später ist es dann so weit: Weihnachten. Unter dem Baum quellen die Geschenke wie jedes Jahr über. Apropos Weihnachtsbaum: unserer ist übrigens aus Plastik und schon seit weit über einem Jahrzehnt im Einsatz. Das ist zwar nicht so hübsch, dafür aber eigentlich ganz praktisch. Warum man Bäume Jahr für Jahr schön wachsen lässt, um sie dann ein paar Tage die heimischen Wohnzimmer zieren zu lassen und anschließend wegwirft, habe ich bis heute sowieso nicht wirklich verstanden. Das entzieht sich doch irgendwie jeder Logik. Sieht schön aus, ja. Aber in der Natur sieht er doch irgendwie noch schöner aus, oder?

Vor der Bescherung schlagen wir uns die Bäuche voll und wie jedes Jahr bleiben Unmengen an Essen übrig. Glücklicherweise tickt meine Familie da ähnlich wie ich. Anstatt die Tage nach Weihnachten wieder und wieder extravagantes Essen aufzutrumpfen, gönnen wir uns eben die Weihnachtsreste. Bis zum Besuch bei den Großeltern, wo sich natürlich auch wieder viel zu viel auf dem Tisch stapeln und die Hälfte wohl traurigerweise im Mülleimer landen wird – same procedure as every year.

Wer braucht das alles wirklich?

Kommen wir zur Bescherung: Da jede*r recht explizierte Wünsche hatte, freuen wir uns alle über die Geschenke und unsere neuen Errungenschaften. Genauso freue ich mich aber auch über unser soeben erfundenes Trinkspiel: Wer seine Geschenkverpackung nicht in einen extra dafür aufgestellten Karton trifft, muss trinken. Schon nach kurzer Zeit findet zwischen meinem Bruder und mir im Zuge dessen ein kleines Volleyballturnier im Wohnzimmer statt. Geschenkpapier? Wenn man genauer darüber nachdenkt, auch nicht so wirklich nachhaltig, oder? Aber gut, wollen wir mal nicht zu weit ausholen jetzt.

Was ich mit alldem sagen will: Ich finde es schön, wenn man Zeit mit seiner Familie verbringt, zusammen etwas Leckeres isst und einander ein paar schöne Dinge schenkt. Nur das richtige Maß sollte man nicht aus den Augen verlieren. Ich will hier auch nichts pauschalisieren und mich in dem ganzen Trallala sicher nicht rausnehmen.

Fest der Liebe oder doch Fest des Konsums?

Weihnachten. Überall betitelt und bekannt als das Fest der Liebe, erscheint es mir allzu häufig nur noch als Fest des Konsums, im absurdesten Ausmaß. Alles toller, neuer, besser, größer. Schon Monate vor dem großen Tag springen uns aus allen Ecken weihnachtliche Werbeanzeigen ins Auge und suggerieren uns, was wir noch nicht haben, aber unbedingt brauchen.

Wir kaufen Geschenke im Übermaß. Ob sie gefallen? Egal. Wie sie entstanden und produziert sind? Keine Ahnung. Hauptsache viel und teuer. Hauptsache gut vermarktet. Wir essen. Jeden Tag woanders. Woher die Speisen kommen? Die Weihnachtsgans oder das gute Stück Schweinefleisch? Auch egal. Hauptsache lecker und viel. Und wenn was davon im Müll landet, ist das halt so. Der Punkt ist: Lasst uns Weihnachten feiern, aber lasst uns dabei das in den Vordergrund rücken, was wirklich zählt: Liebe, Zusammenhalt und Gemeinschaft – nicht den Konsum. Lasst uns versuchen bewusster einzukaufen, mehr darauf zu achten, was wir schenken, was wir essen und was wir konsumieren. Weniger ist nun einfach oftmals mehr und unser Glück finden wir nicht im neuen 10er-Pack Kaffeekapseln.

Gut, Weihnachten ist vorbei und dieser Text somit gerade ja ohnehin nicht mehr aktuell? Falsch. Denn in meinen Augen ist Weihnachten nichts weniger als ein Vergrößerungsspiegel von dem, was jeden Tag in dieser Welt und in unserem Alltag geschieht. Und das sollten wir uns vielleicht alle etwas häufiger vor Augen halten, ganz egal zu welcher Jahreszeit.

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