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So fühlt sich mein Leben mit einer Depression an

Jede Depression ist anders. Jeder Mensch ist anders. Aber ich kann erklären, wie es sich für mich anfühlt, mit einer Depression zu leben.

Ein Leben mit einer Depression: Bitte versucht uns zu verstehen!

Gestern, sagte jemand zu mir: „Ich weiß was eine Depression ist, zumindest theoretisch. Aber durch deine Texte, kann ich es wesentlich besser verstehen.“ Es tat mir gut, diese Worte zu hören.

Und genau deshalb möchte ich versuchen, so einfach wie möglich meine Depression zu erklären, um es für mehr gesunde Menschen nachvollziehbar zu machen. Ich schreibe sehr bewusst, nachvollziehbar, denn ich glaube, gesunde Menschen können nicht wirklich verstehen, wie es sich mit Depressionen lebt. Was sie aber können ist, es in etwa nachzuvollziehen – und das anhand eigener Erfahrungen. Sie können respektieren und akzeptieren, dass diese Krankheit kompliziert ist. Sie können sich Kenntnisse über die Krankheit erwerben. Sie können wissen, dass wir Menschen mit Depressionen, wie viele andere auch, behindert bzw. beeinträchtigt sind.

Sie können respektieren, dass wir unsere ganze Kraft und unseren ganzen Willen dafür einsetzen, unsere Tage zu bestehen, zu leben und zu lernen wie wir mit der Krankheit umgehen können, in der Hoffnung, sie irgendwann zu besiegen. Das ist es, was uns treibt – die Hoffnung.

Wir Menschen mit Depressionen kämpfen jeden Tag

Wir sind weder faul, noch lebensfremd, noch dumm oder unwillig. Wir sind Menschen, die jeden Tag, mit sich selbst und ihren Alltagsaufgaben kämpfen, so gut wir es eben können. Wir sind Menschen wie du und jeder andere, die du lieb haben kannst, mit denen man sich unterhalten oder Meinungen austauschen kann, die Vertrauen und Wertschätzung brauchen, die lachen und die mit dir spielen können – und so vieles mehr. Und ja, wir brauchen auch Hilfe, wir brauchen Halt, wir brauchen Verständnis und ehrliches Mitgefühl, wir brauchen Interesse und Akzeptanz. Aber wer, in Gottes Namen, braucht das nicht? Nehmt uns als Mensch einfach so an wie wir sind. Mehr braucht es nicht.

Alle Menschen gehen ihren Weg durch das Leben, durch Höhen und Tiefen. Und alle lernen ganz natürlich aus diesen Erlebnisse und Erfahrungen. Sie verlieren aber dabei in der Regel nicht die ganze Freude am Leben und verlieren auch nicht für lange Zeit die Leichtigkeit. Eine Depression bringt jedoch genau diese Dinge aus dem Gleichgewicht. Ich möchte euch nun anhand eurer eigenen Erinnerungen und Erfahrungen, MEIN Leben mit der Depression erklären, so gut ich es eben kann.

Kennst du diese Gefühle?

Du warst sicherlich schon einmal krank, erkältet. Du bist am Morgen erwacht und fühltest dich so unendlich müde und schlapp. Nur mit Mühe bist du aus dem Bett gekommen. Du hast dich an den Tisch gesetzt und ohne Appetit ein klein wenig gegessen. Deine Gedanken kreisten nur um dein Bett. Du hattest das starke Bedürfnis, dich wieder zu verkriechen, zu schlafen und deine Ruhe zu haben.

Und nun stell dir vor, du wachst jeden Morgen so auf.

Erinnere dich weiter an diese Tage. Du legst dich wieder schlafen und irgendwann wirst du wach, aber fühlst dich immer noch zerschlagen und zu nichts in der Lage. Du rettest dich auf das Sofa. Dort verbringst du irgendwie den Tag, mit nichts Sinnvollem, eben einfach so, weil du keine Kraft und keinerlei Antrieb hast. Dir ist egal, wie es in deiner Wohnung heute aussieht, morgen ist ja auch noch ein Tag und dann wird es besser sein.

Und nun stell dir vor, das ist nicht nur sind viele Tage in der Woche, im Monat, im Jahr so und du hast eben nicht die Gewissheit, dass es besser wird.

Du bist sicher auch schon einmal krank geworden, so von einer Stunde auf die andere. Eben warst du noch fröhlich und voller Tatendrang – und dann mit einem Mal warst du schlapp, dein Kopf machte dicht und du warst mit deinem Tun völlig überfordert, eben krank.

Nun stell dir vor, das passiert dir an vielen Tagen, in vielen alltäglichen Situationen, bei Freunden, bei Familientreffen … Es passiert dir, immer und immer wieder.

Wenn die Angst dich täglich begleitet

Erinnere dich an deine Prüfungen in der Schule oder während deines Studiums. Sicher haben sie dich sehr beansprucht und Tage zuvor warst du aufgeregt, hast dir Gedanken gemacht, ob du es schaffst, hast Angst gehabt zu versagen, hast gedacht, du hast dich nicht gut genug vorbereitet …

Und nun stell dir vor, diese Angst, dieser Gedankenstrudel begleitet dich Tage und Nächte und holt ständig alle deine Unzulänglichkeiten, deine Fehler und Ängste hervor. Stell dir vor, es ergeht dir so bei den kleinsten Herausforderungen des Alltags. Du malst dir ständig in Gedanken aus, wie es sein wird, fragst dich, ob du es schaffen wirst, was die anderen von dir denken.

Oder sicher hattest du schon einmal ein Problem. Ein Problem, das dich verrückt gemacht hat. Du hast dich gedanklich im Kreis gedreht, deine Fehler, dein Verhalten, deine Gefühle (auch Schuldgefühle) und deinen Selbstwert angezweifelt, hast dich allein gelassen gefühlt und keinen Ausweg gefunden. Doch irgendwann hattest du die Lösung und konntest das Problem lösen sowie vergessen.

Nun stell dir vor, die Gedanken hören über Wochen nicht auf, obwohl die Probleme gelöst oder unveränderbar (weil Vergangenheit) sind. Du wirst sie nicht los, immer wieder fallen sie über dich her. Immer wieder stößt dich die Depression, dein Unterbewusstsein, auf Dinge, viele Dinge aus deinem Leben, die du nie wirklich bewältigt hast. Du bist in diesen Gedanken gefangen, Stunden, Tage, Wochen…. einfach immer und immer wieder.

Verletzungen, die dich nie loslassen

Oder sicherlich warst du schon einmal menschlich sehr enttäuscht, von einem guten Freund oder guten Kollegen. Es hat dir weh getan. Du hast dich vielleicht auch leer gefühlt. Du hast dir Gedanken gemacht. Dich gefragt, warum gerade du das erleben musst. Du hast dich abgewendet und hast dich vielleicht auch für ein paar Tage zurückgezogen, wolltest allein sein.

Und nun stell dir vor, dass die Depression dir solche Augenblicke, solche Situationen wieder hervor holt, dir deine Verletzungen zeigt, immer wieder. Deine Gedanken drehen sich um: warum, hätte, könnte, aber…. und diese furchtbare innere Leere bleibt in dir. Dein Rückzug, dein alleine sein, wird zu deiner Sicherheit im Leben.

Oder aber, du hast dich sicherlich schon einmal in einer Situation befunden, in der du deine alten Wegen verlassen und aus deiner Sicherheit, herausgehen musstest. Du hast dich nicht wohl gefühlt, wärst am liebsten in den Boden versunken, warst unsicher. Du hast überlegt: mache ich es oder lieber doch nicht, schaffe ich es oder doch nicht, bin ich bereit dafür oder lasse ich es lieber, will ich es wirklich oder will ich es nicht?

Und nun stell dir vor, diese Situation fällt immer über dich her, wenn du deine Wohnung, dein Zuhause verlassen willst. Dabei ist egal wofür. Ob du „nur“ einkaufen willst, zu den Kindern fährst, eine Freundin triffst – ganz egal, deine Gedanken fahren Achterbahn und springen zwischen einem Ja, einem Jain oder Nein.

Wenn man nie genug ist

Sicher warst du auch einmal sehr unzufrieden mit dir, hast dich nicht gut genug, vielleicht sogar als Versager gefühlt, weil du etwas nicht geschafft hast, oder viel später als andere getan hast. Trotzdem war es dein Weg und du hast es geschafft, damit glücklich zu sein.

Nun stell dir vor, diese Gedanken würden deine Gedankenwelt komplett bestimmen und deine Welt regieren. Du würdest immer und immer wieder auf sie stoßen. Du würdest dich, sehr oft, als nicht gut genug fühlen, obwohl du genau weißt oder gelernt hast, du hast dein Bestes gegeben.

Und ein letztes noch: Sicherlich gab es schon eine Situation, die unvorbereitet über dich herein gebrochen ist. Die dich überfordert und hilflos gemacht. Du hast sie gemeistert und wahrscheinlich wieder vergessen.

Nun stell dir vor, dass genau diese Überforderung und Hilflosigkeit, dich in vielen alltäglichen Dingen befällt – beim Einkaufen, beim Auto oder Straßenbahn fahren, bei einem Gespräch, bei einer Gruppenunterhaltung, bei Auseinandersetzungen, bei Streit oder einfach bei unvorbereiteten Dingen, die eben im Leben passieren. Nichts wirklich Schlimmes, aber du drehst dich sofort gedanklich im Kreis und findest da nicht heraus.

Ich denke, ich könnte noch weitere Situationen aufschreiben, die dir selbst bekannt vorkommen, die du schon einmal erlebt und gefühlt hast. Es gibt so vieles, was die Depression im Leben beeinflusst. Und das tut sie in einem gewaltigen Ausmaß, denn du hast dich jetzt von Absatz zu Absatz gehangelt, erinnert und gefühlt. Hast dir jede Situation einzeln angeschaut, doch die Depression bringt das alles zusammen in meine Lebenswelt.

Und doch sage ich dir: Ich will leben! Ich weiß noch, das Leben kann auch schön sein und an manchen Tagen kann ich es erleben. Ich werde weiter lernen, mich selbst weiter kennen lernen, lernen ich selbst zu sein, mich nicht zu verbiegen. Schritt für Schritt, mit unendlicher Geduld, immer in der Hoffnung, dass ich die Depression besiegen kann, eines Tages.

Hinweis: Solltet ihr selbst oder ein*e Angehörige*r von euch betroffen sein, findet ihr etwa Hilfe bei der Deutschen Depressionshilfe.

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