Unsere Community-Autorin schreibt darüber, warum das Alleinreisen regelmäßig sie selbst und ihren Blick auf das Leben verändert.
Alleinreisen hat ein schlechtes Image – zu Unrecht
In unterschiedlichen Phasen meines Lebens bin ich alleine auf verschiedenen Kontinenten unterwegs gewesen – mit Rucksack, in einer Gruppenreise, mit und ohne Ankerpunkte, an weißen Sandstränden, in Hochgebirgslagen und selbst in meinem Heimatland. Und genau deshalb bin ich dafür, dass wir mit den negativen Assoziationen, die wir mit dem Alleinreisen verbinden, endlich brechen. Nicht nur, weil mich die Gesichter, wenn ich Menschen in meinem Umfeld mitteile, dass ich alleine losziehe, an jene einer Trauergemeinschaft erinnern, sondern auch weil durch diese abwertende Haltung womöglich jemand davon abgehalten wird, es selbst auszuprobieren.
Ja, es stimmt, man kann seine Erlebnisse nicht unmittelbar mit einem seiner Lieben teilen. Ja, es stimmt, abends allein in einer Bar zu sitzen, kann in Einzelfällen ein unangenehmes Gefühl hervorrufen. Ja es stimmt, es braucht ein wenig Mut, um sich alleine loszutrauen. Und trotzdem, die Reisen mit mir selbst bereichern mein Leben. Ich sammle eine Fülle an aufregenden Erfahrungen. Ich verspreche euch: Wenn man sich überwindet und mit offenem vertrauensvollem Herzen losgeht, wird man nicht enttäuscht werden.
Auf Reisen allein lernt man sich neu kennen
Ich hüpfe gerade von einer griechischen Insel zur nächsten. Gestern habe ich spontan mit einem Griechen, einer Engländerin, einer Deutschen, einer Mexikanerin und einem Spanier gefeiert. Der Abend war sehr lustig und frei von Erwartungen. Er hätte mit meinen eigenen Freunden nicht entspannter sein können – falsch, der Abend hätte mit meinen eigenen Freunden wahrscheinlich nicht mal so ungezwungen werden können.
Man erlebt sich in solchen Situationen ganz bewusst. Manchmal hat man das Gefühl, dass man in seiner normalen Umgebung in eine gewisse Bahn gelenkt wird. Man entspricht dem Bild, das sich das eigene Umfeld von einem gemacht hat. Manchmal weiß man nicht, ob die Projektionen der anderen das eigene Ich überschatten. Begegnungen mit Menschen, die man davor nicht gekannt hat, erlauben einem das Gefühl, durch und durch man selbst sein zu können. Das gibt einem die Gelegenheit zu prüfen, ob die Person, die man selbst üblicherweise ist, auch die ist, die man sein möchte.
Auf dieser aktuellen Reise lerne ich mich von einer komplett anderen Seite kennen. Ich bin unorganisiert, habe meine Leben nur im Drei-Tages-Rhythmus geplant, bin abenteuerlustig und traue mir Dinge zu, die ich noch im Flugzeug hierher niemals erwartet hätte.
Man geht an seine Grenzen und entwickelt sich weiter
Alleine einen Jeep mieten, sich alleine verlaufen, alleine auf einen Gipfel klettern, alleine eine Stadt erobern, alleine ein Bier in einer Bar trinken – alleine genau das tun, worauf du Lust hast. Beim allein reisen wird dir klar, dass du auch im Leben oft auf dich alleine gestellt bist. Du bist für dein eigenes Glück verantwortlich. Damit etwas passiert, musst du etwas tun. Du kannst nicht darauf warten, dass jemand anderes deine Planung übernimmt. Und genau diese Erkenntnis wird mir beim Alleinreisen bewusst.
Außerdem wird mir klar, dass ich mich meinen Ängsten stellen muss, dass meine Ängste in den meisten Fällen abstrakt sind. Wenn ich alleine mit Taschenlampe in der Nacht über den Hügel wandere, passiert mir nichts. Wenn ich alleine am Strand übernachte, passiert mir nichts. Was mir passiert: neue Erfahrungen, die mich wachsen lassen und die meine selbst gezogenen Grenzen erweitern.
Man kann seinen eigenen Bedürfnissen folgen
Beim Alleinreisen bestimmst du dein Tempo und nur deine eigenen Bedürfnisse zählen. Die Freiheit, sich nicht mit jemandem anderen absprechen zu müssen, fühlt sich gut an. Das Alleinreisen ist eine Möglichkeit seine eigene Intuition wiederzuentdecken und ihr zu vertrauen.
Im Hamsterrad des Alltags und auch wenn ich mit jemandem anderen unterwegs bin, versuche ich viel zu oft, meine Begleitung zu entschlüsseln. Dann geht es darum, möglichst gute Kompromisse zu schließen. Das ist mit Sicherheit auch etwas, das man lernen muss. Beim Alleinreisen aber folgst du deiner eigenen Stimme. Wenn du die Menschen, die du gerade kennengelernt hast, magst, dann verbringst du den ganzen Tag mit ihnen. Und wenn nicht, dann nicht. Beim Alleinreisen zählt nur, was du möchtest, wann du Hunger hast, wann du eine Abwechslung, wann eine Ruhephase brauchst.
Man lernt andere Perspektiven kennen
Mein Freundeskreis zu Hause besteht aus Menschen in ihren 30ern, die alle sehr ähnlich „ticken“. Sie haben die gleiche Sichtweise auf die Welt, die sich um dieselben Themen dreht. Wenn man sich alleine auf eine Reise begibt, lernt man unterschiedliche Menschen kennen. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass man erheblich mehr Menschen kennenlernt, wenn man alleine reist als wenn man zu zweit unterwegs ist. Und ich denke auch, dass die Qualität der Kontakte, die man knüpft, eine andere ist.
Ich habe auf dieser Reise bereits viele unterschiedliche Lebenskonzepte kennengelernt. Lebenskonzepte, die ich bisher nicht gekannt habe und die meinen Horizont erweitert haben. Menschen, die mich inspirieren und die mir Unterschiede, aber auch Möglichkeiten, zeigen. Die mich dazu bringen, noch einmal neu über die Frage nachzudenken, wer ich bin und sein möchte. So kommt man sich selbst ein großes Stück näher und erweitert seinen Horizont.
Die Komfortzone zu verlassen wirkt Wunder
Worauf wartet ihr? Ja, immer noch ist Alleinsein negativ behaftet, obwohl es für viele Entwicklungsphasen in meinem Leben wahnsinnig wichtig war. Also hören wir auf, das Alleinsein mit einsam sein zu verwechseln. Und lassen wir uns das auch nicht von unserem Umfeld einreden.
Und um es klarzustellen: Alleinreisen ist auch keine Notlösung, die man zieht, nur weil man single ist oder weil gerade keine Freundin Zeit hat. Für mich ist es viel mehr. Es ist ein Weg, mich selbstbewusst zu erleben und wieder zu mir zu finden. Meine größte reale Angst? Dass ich einen Tag lang mit einem großen Schokofleck auf der Wange herumrenne und es mir keiner sagt. Aber damit kann ich leben.
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