Foto: RosaMag

Ciani-Sophia Höder: „Ich möchte Schwarze Frauen informieren, inspirieren und empowern“

Ciani-Sophia Höder hat im Januar 2019 „RosaMag“ gegründet, das erste Onlinemagazin für Schwarze Frauen in Deutschland. Wir haben uns mit ihr unterhalten.

Mehr Sichtbarkeit für Schwarze Frauen

Wer sich die Zeitschriftenauslagen in Supermärkten oder Buchhandlungen einmal genauer anschaut, wird schnell bemerken, dass die meisten an eine ganz bestimmte Zielgruppe gerichtet sind: weiße Menschen. Von Haar- über Beziehungs- zu Karrieretipps, alles dreht sich um die Lebensrealitäten der weißen Mehrheitsgesellschaft. Schwarze Menschen kommen dabei so gut wie nicht vor oder ihnen wird nur eine kleine Rolle am Rand eingeräumt.

Ciani-Sophia Höder möchte das ändern. Weil sie es leid war, in Magazinen immer wieder die gleichen Gesichter zu sehen, entschied sie sich 2018 dazu, selbst zu gründen. Im Januar 2019 ging „RosaMag“ online, ein Lifestylemagazin für Schwarze Frauen & Freund*innen in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Das Magazin steht im Namen des Empowerments, der Sichtbarkeit und der Blackspiration. Ciani-Sophia Höder möchte mit RosaMag vor allem das „Schwarzsein zelebrieren“, wie sie erzählt. Gleichzeitig will sie auch auf die Probleme aufmerksam machen, mit denen sich Schwarze Frauen in Deutschland tagtäglich konfrontiert sehen. RosaMag soll ein Ort sein, an dem sie ihre Erfahrungen, Wünsche und Ängste austauschen können.

Im Interview spricht sie darüber, wie sie auf den Namen für ihr Magazin gekommen ist, was sie von dem neuen Diversitätstrend in den Medien hält und warum sie sich, trotz der Schwierigkeiten, die viele Online- und Printmedien haben, dazu entschieden hat jetzt in dieser Branche zu gründen.

Warum hast du dich gerade jetzt dazu entschieden dein eigenes Onlinemagazin zu gründen?

„Ich habe RosaMag gegründet, weil ich mir schon immer einen Ort gewünscht habe, an dem ich mich sehe, meine Locken, meine Hautfarbe, meine Interessen, meine Fragen und Antworten – und das für Deutschland in deutsch und nicht für die USA oder Großbritannien. Zudem war ich müde, von der weißen heteronormativen Perspektive, die mehrheitlich in den deutschen Medien abgebildet wird. Jede*r vierte Deutsche hat einen Migrationshintergrund – doch in den Redaktionen sitzen nur zwei bis drei Prozent an Journalist*innen mit migrantischem Background. Viele Themen, die für Schwarze Frauen relevant sind, werden nicht gesehen oder herausgefiltert. ‚Warum haben Schwarze Frauen ein höheres Brustkrebsrisiko?‘ Oder: ‚Was ist in den Produkten enthalten, die wir uns täglich auf die Afrolocken schmieren?‘ Diese Themen haben keinen ‚Newswert‘, sind aber für Schwarze Frauen in Deutschland teilweise lebensnotwendig.“

Wie kamst du zu dem Namen RosaMag?

„Ich wollte das Magazin nach einer starken weiblichen Persönlichkeit benennen: Rosa Parks. In der US-Bürgerrechtsbewegung konnte sie mit einer ‚kleinen’ Handlung Großes in Gang setzen. In den 50er Jahren, in Alabama, weigerte sie sich auf der Busfahrt nach Hause ihren Platz für einen weißen Menschen zu räumen. Dieser symbolische Akt führte zu einer großen Bewegung in der gesamten afroamerikanischen Community und veränderte die US-Gesellschaft. Es klingt pathetisch, aber das möchte ich mit dem RosaMag auch schaffen: Ich möchte in kleinen Schritten, Stück für Stück, die deutsche Medienwelt verändern und zeigen: Schwarze Frauen sind Teil dieser Gesellschaft und unsere Themen sind genauso wichtig.“

Was für Themen gehst du bei RosaMag an?

„Von einem Do-it-yourself-Tutorial für einen Leave-In-Leinensamgel-Conditioner bis hin zu der Frage, warum Schwarze Frauen ein höheres Brustkrebsrisiko haben – RosaMag ist ein Lifestylemagazin. Es gibt auch Beiträge zum Thema Rassismus, denn als Schwarze Frau in Deutschland ist so ziemlich alles politisch, was wir machen. Mein Wunsch ist es, dass das auf RosaMag zu Wort kommt. Gleichzeitig kann es ziemlich frustrierend sein, jeden Tag über Rassismus zu sprechen, lesen und zu schreiben. Daher gibt es auf der anderen Seite Interviews mit Schwarzen Frauen, die inspirieren und empowern sowie die bereits erwähnten Pflegetipps. Ich möchte Schwarze Frauen feiern.“

Was für Reaktionen hast du bisher zu RosaMag bekommen?

„Von Begeisterung, Verwirrung bis hin zu herber Kritik war so ziemlich alles dabei. Doch die Mehrheit ist begeistert. Nachrichten, Telefonate und Gespräche mit jungenchwarzen Frauen, die sich von RosaMag empowert fühlen, geben mir Kraft und erinnern mich, sobald ich vor einer Zahlenkolonne sitze daran, dass ich es genau deshalb mache: Ich möchte Schwarze Frauen informieren, inspirieren und empowern. Sie zelebrieren und einen Ort schaffen, an dem sie stolz auf sich sind.“

Wie steht es deiner Meinung nach, um die Repräsentation von Schwarzen Frauen in der deutschen Medienlandschaft?

„Wo soll ich anfangen? Dadurch, dass viele Themen aus dieser weißen, heteronormativen Sicht behandelt werden oder überhaupt nicht als relevant gesehen werden, verpassen deutsche Medien eine essenzielle Zielgruppe. Schwarze Frauen können sich nicht mehr mit der monotonen Film-, Fernseh-, Magazin-, Zeitschrift- und Radiowelt identifizieren. Daher lesen und schauen sie Formate aus den USA, UK und sind lieber bei Netflix oder auf Youtube, Blogs und Podcasts unterwegs. Das sind die neuen deutschen Medienmacher*innen. Divers, authentisch, gesellschaftskritisch, feministisch und intersektionell – sie bekennen Farbe und RosaMag auch. Das Magazin schafft Identität über Kreativität. Ich möchte irgendwann
ein Verlagshaus daraus machen, von Schwarzen Menschen für Schwarze
Menschen, um zu einer authentischen Darstellung von Schwarzen Personen in Deutschland beizutragen.“

Diversität ist gerade das neuste Buzzword. Immer mehr Magazine setzen inzwischen auch auf Themen, die Minderheiten und marginalisierte Personen betreffen. Wie siehst du diese Entwicklung?

„Zwiegespalten. Ich freue mich, ehrlich, doch frage mich, wie nachhaltig das ist. Ein gutes Beispiel ist die Vogue. Unter dem Motto ‚Weil Sichtbarkeit das Wichtigste ist‘ startet Vogue.de letzten Monat mit einem Novum: Aminata Belli, Fabienne Sand, Sandra Lambeck, Hadnet Tesfai, Nikeata Thompson, Mo Asumang und 22 weitere People of Color zieren die Startseite von Vogue.de, mit der Frage: ‚Wie können wir in einer Serie über People of Color das nachholen, was schon längst hätte stattfinden sollen?’ Eine großartige Frage: Wie können sie das? So problematisch die Vogue ist, müssen wir auch anerkennen, dass ehrliche Sichtbarkeit nicht nur auf den Hinterhöfen oder auf Instagram-Kanälen mit einer Follower*innenschaft von 2.000 erreicht werden kann. Die Bilder und Themen für People of Color zirkulieren
letztendlich immer wieder im gleichen Dunstkreis. Vogue.de setzt, als Leitmedium der Fashionwelt, ein wichtiges Signal. Diese Pionierleistung kann weitere Medien dazu bewegen, sich selbst kritisch zu hinterfragen.“

Unter dem Oberbegriff „Schwarze Frauen“ oder „Afrodeutsche Frauen“ finden sich unglaublich diverse Gruppen. Wie schaffst du es, Themen für alle zu konzipieren?

„Gute Frage. Ich schaffe es natürlich nicht. Aktuell arbeite ich alleine an RosaMag. Das umfasst eine 70-Stunden-Woche. Deshalb sind die Thematiken sehr stark aus der Sicht einer light-skinned, cis-Frau geprägt. Bedeutet: Es gibt einen sehr hohen Verbesserungsbedarf. Ich kann natürlich an meinem Schreibtisch sitzen und darüber sinnieren, wie es denn ist, eine dark-skinned queere Frau zu sein. Oder, und das ist mein eigentliches Ziel, am RosaMag Redaktionstisch sitzen alle diversen Stimmen aus der Schwarzen Community: Trans, non-binary, queer, dick, dünn, light-skinned, white-passing – alle. Und es wird diskutiert und gestritten und geschaffen und verändert. Der Weg dorthin, ist aber ein Prozess.“

Immer mehr Online- und auch Printmagazine schaffen es nicht, sich weiter auf dem Markt zu behaupten. Jetzt ein Onlinemagazin zu gründen ist also sehr mutig. Du hast dafür eine geregelte Beschäftigung aufgegeben und bist ins kalte Wasser gesprungen. Hattest du auch Angst, dass es schiefgehen könnte?

„Natürlich. Ich wünschte ich könnte dir sagen, dass diese Angst vergeht, aber sie begleitet mich wie ein Schatten, wird in schwierigen Zeiten präsenter und flüstert mir zu: ‚Warum so ein Medium, während große Institutionen ihre halben Belegschaft kündigen?’.
Gleichzeitig kommen jetzt immer mehr neue Formate auf, die neue Möglichkeiten für Medienmacher*innen eröffnen, wie das Abomodell Steady, Crowdfunding und weitere – es gibt also ziemlich viele Alternativen und ich bin gerade dran, sie alle auszuprobieren. Frag mich dazu gern noch einmal in einem Jahr, vielleicht habe ich dann eine vielversprechende Antwort.”

Was würdest du anderen Menschen raten, die über denselben Schritt nachdenken?

„Denkt wirklich ernsthaft und ehrlich darüber nach. Es ist kein Zuckerschlecken. Es bedarf einiges an Aufklärungsarbeit für Menschen, die überhaupt keine Ahnung von den Herausforderungen von Schwarzen Menschen in Deutschland haben. Gleichzeitig sind die Erwartungen in der Schwarzen Community groß und, Überraschung, wir sind nicht alle gleich: Es gibt konservative, liberale, kommunistische, hedonistische Schwarze und und und – sie alle abzuholen ist schier utopisch, aber ich bin eine Träumerin, die davon überzeugt ist, allen eine kleine Heimatinsel zu schaffen.“

Was wünschst du dir für die Zukunft von RosaMag?

„Ich wünsche mir, dass RosaMag einen festen Platz in der Medienwelt einnimmt: Gehälter bezahlt, Schwarze Künstler*innen honoriert und unterstützt. Mein Ziel ist es Schwarze Frauen dort draußen zu empowern, ihnen zu zeigen, wie divers unsere Community ist und wie großartig wir sind. Ich möchte auch auf Missstände in Deutschland aufmerksam machen: Warum gibt es so wenig Forschungen über die mentale Gesundheit von Schwarzen Menschen in Deutschland, die Rassismusvorfälle, die hohen Frühgeburten und Krebsraten? Es gibt viele wichtige Themen, die ich angehen möchte, aber erst einmal freue ich mich, wenn das Team um RosaMag wächst!“

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