Eltern haben keine Lobby. Dabei haben sie viele Ideen und mögliche Lösungsansätze zur aktuellen Corona-Krise. Ein Kommentar von Susann Hoffmann, Co-Gründerin und -Geschäftsführerin von EDITION F.
Irgendwie wird es gehen. Ich kann diesen Satz nicht mehr hören. Und doch bohrt er sich immer wieder in meinen Kopf, springt aus meinem Mund – am Telefon, im Teammeeting, im Gespräch mit meinem Mann oder zur Beruhigung meiner Mutter. Dabei scheint sich die Grenze der Belastbarkeit mit jedem mal weiter zu verschieben.
So sehr wir Eltern und die Kleinkinder unter sechs Jahren uns in der Corona-Krise auch bemühen: Die letzten fünfeinhalb Wochen haben Spuren hinterlassen. Körperlich. Mental. In unserer Partnerschaft. In der Beziehung zu unseren Kindern. Zu Freund*innen. Zur Familie. Zur Arbeit. Für ganz viele Momente bin ich dankbar. Etliches habe ich stoisch hingenommen und einiges brachte mich fast zum Platzen. Vielleicht wiegt die Aussage der Bundesregierung zum Thema Kitaschließungen deshalb so schwer.
Wir haben uns bemüht. Wir waren still. Wir haben alles mitgemacht. Den Mund gehalten. Und jetzt scheinen wir uns im Vergleich zu den großen Lobbys nicht behaupten zu können. Wir, die Generation, die die Wirtschaft braucht. Wir, die den Generationenvertrag mit unseren Kindern am Laufen halten. Wir, die mit unseren Ideen und Erfahrungen Teil einer Lösung sein könnten. Wir werden nicht gesehen, gehört und gefragt.
Wir wollen Teil der Lösung sein
Während ich diesen Text schreibe, ruft mein Sohn aus seinem Zimmer aufgeregt, dass er eine Hängematte bauen möchte. Und um den Druck etwas zu erhöhen, sitzt er keine zwei Minuten später auf meinen Schultern und trommelt mit den Fingern leicht auf meinem Kopf. Massage? Nein. Denn dieses Trommeln veranschaulicht, wie es in mir aussieht. Immer auf Trab. Ein Dauerlauf. Mit schlechtem Gewissen. Und mit großer Liebe. Mit abnehmender Geduld und steter Hoffnung.
Die Kanzlerin mahnte: Wir sind noch nicht über den Berg. Und jetzt kommt es wieder. Das schlechte Gewissen. Aber natürlich: Wir wollen die Risikogruppen schützen, Masken tragen und unseren Beitrag leisten. Wir wollen aber auch die Chance haben, uns und unseren Kindern in Corona-Zeiten ein Leben zu ermöglichen, das von Freiheit, Freizeit, Freude und Spielräumen für Arbeit und Lohnerwerb erfüllt ist.
Ob Einkaufen oder ein Abi ungefährlicher ist, vermag ich nicht zu bewerten, wohl aber die Tatsache, dass Eltern aktuell alleingelassen werden. Finanziell. Aber auch weit über diese messbare Tatsache hinaus. Es mangelt an Rahmenbedingungen, die Alternativen möglich machen. Die sind jedoch dringend gefragt. Deshalb wollen wir nicht mehr abwarten bis zur nächsten offiziellen Hiobsbotschaft, sondern selbst vorausgehen mit Ideen, Gedanken und Möglichkeiten für die Vereinbarkeit von Kind, Beruf und dem Schutz der Gesellschaft.
Idee 1 – die Bedarfsgemeinschaft
Wie schön wäre es, wenn wir Eltern die Bedarfsgemeinschaft, die qua Definition als wirtschaftliche Allianz angelegt ist, als eine soziale Gemeinschaft möglich machen dürften. Kinder brauchen Kinder, um altersgerecht spielen und sich austauschen zu können. Sie brauchen gewohnte Umfelder und Sicherheit. Sie brauchen Leichtigkeit. Dafür wären rechtliche Bedingungen notwendig, die es Familien erlauben, gemeinsame Betreuungslösungen möglich zu machen – beispielsweise die Betreuung von bis zu drei oder fünf Kindern in privaten Räumen. Wenn wir verlässliche Gruppen und Kontakte definieren, schaffen wir einen überschaubaren und nachvollziehbaren Rahmen – der Sicherheit geben könnte.
Idee 2 – gleiche Freiheit für alle
800 Quadratmeter Ladenfläche reichen, um sich über hygienische Konzepte Gedanken machen zu dürfen, wie Kund*innen nun endlich wieder kaufen dürfen. Ich will nicht darüber richten, ob Konsum nun wichtiger sei für die Wirtschaft und das Land als Kinderbetreuung und der Lohnerwerb von den Eltern der 3,7 Millionen Kinder unter sechs Jahren. Jedoch mangelt es mir an Verständnis dafür, dass Kindereinrichtungen nicht ebenso über Konzepte nachdenken dürfen. Wechselmodelle, Neueinteilung von Gruppen nach Risiko, „Frischluft“-Betreuung und viele weitere Ideen liegen bereits vor. Nur eines fehlt: Die Freiheit, sie prüfen zu lassen und umsetzen zu dürfen.
Idee 3 – das Corona-Elterngeld
Geld heilt nicht alle Wunden. Aber es kann ein guter Weg sein, um die finanziellen Ängste, die Sorge um einen Arbeitsplatzverlust und den Brückenschlag von Arbeit und Kinderbetreuung möglich zu machen. Dabei sollten wir beim Corona-Elterngeld über Lösungen nachdenken, die nicht nur einen Fall abdecken: Müssen Eltern auf die Arbeit gänzlich verzichten oder können Gelder auch – wenn als Lockerung möglich – für eine stundenweise externe Betreuung genutzt werden? Denn wenn z.B. Freiberufler*innen oder Unternehmer*innen monatelang aussetzen, sind Kund*innen weg und die Existenz langfristig noch bedrohter. Gibt es finanziell unterschiedliche Modalitäten für allein- und gemeinsam Erziehende? Denn wir müssen die stärken, die in dieser Zeit auch unter den Eltern die größte Last tragen, wie Alleinerziehende. Ist der Arbeitsplatz gesichert, auch wenn mein*e Arbeitgeber*in wenig Verständnis hat oder mich sogar in den unbezahlten Urlaub gedrängt hat?
Es gibt nicht die eine Lösung. Aber es gibt viele kleine Lösungen, die Erleichterung für uns alle in dieser schweren Zeit bringen könnten. Ich wünsche mir von der Politik: Offenheit. Kontakt mit denen, die betroffen sind. Neugier, um zu verstehen, welche Bedürfnisse massiv vernachlässigt werden. Und die Bereitschaft, jene Personen in abgesteckten Rahmenbedingungen mitmachen zu lassen, die an einer fairen Lösung für Eltern arbeiten wollen.
#CoronaEltern – Politik, es liegt an euch. Und wir machen mit, wenn ihr uns zuhört.