Foto: Alex Lazara

Mit Crowdfunding gegen Sexismus

Anita Sarkeesian setzt sich für eine Änderung des Frauenbildes in Videospielen ein. Dafür wurde sie jetzt von der Spieleindustrie ausgezeichnet.

Videospiele sind das am schnellsten wachsende Massenmedium

Im Jahr 1999 wurde für die Nintendo 64-Konsole ein Spiel namens „Dinosaur Planet“ entwickelt, dessen Protagonistin, die Katze Krystal, mit Zauberspeer und Trapperstiefeln durch Zeit und Raum reiste, um die Welt zu retten. Das Spiel schaffte es nie in den Handel. Krstyal schon – allerdings als hilfeflehendes Bikini-Catgirl in „Starfox Adventures“, das vom Haudegen Fox McCloud aus einem Kristall befreit werden musste. Immerhin, verglichen mit dem Nintendo-Klassiker „Metroid“ ein geradezu galanter Umgang mit Frauen: Dort verlor die weibliche Protagonistin mit steigendem Punktestand ihre Kleidungsstücke.

Solche Beispiele führt die kanadische Medienkritikerin und Videobloggerin Anita Sarkeesian in ihrem Projekt „Tropes vs. Women in Video Games“ an, das sie seit 2012 auf ihrem Youtube-Channel „Feminist Frequency“ veröffentlicht. „Videospiele haben mich besonders interessiert, weil sie das am schnellsten wachsende Massenmedium unserer Tage sind. Und in keinem anderen Medium werden Frauen so stereotyp und sexistisch dargestellt“, so die 30-jährige – obwohl immerhin 38 Prozent aller Videospieler weiblich sind. Laut einer Studie von PricewaterhouseCoopers setzte der globale Videospielmarkt im Jahr 2011 56 Milliarden US-Dollar um, was doppelt so viel ist wie die Musikindustrie. 2015 sollen die Einnahmen auf 82 Milliarden steigen.

Crowdfunding übertraf alle Erwartungen

Als Sarkeesian 2012 ihr Projekt auf der Crowdfunding-Plattform „Kickstarter“ vorstellte, fanden das einige Gamer so empörend, dass sie Sarkeesians Vlog bei Youtube wegen Terrorismus anzeigten. Das war aber noch relativ harmlos im Vergleich zu dem beispiellosen Shitstorm, den Sarkeesian erfuhr, bevor auch nur eine Folge von „Tropes vs. Women“ online ging: Ihre private Adresse und Telefonnummer wurden im Web veröffentlicht, und Sarkeesian wurde mit Mord- und Vergewaltigungsdrohungen überflutet. In dem Onlinespiel „Beat up Anita Sarkeesian“ konnte man ihr Gesicht mit Hämatomen und anderen Gewaltspuren verunstalten. Die Argumentation ihrer Gegner: „It’s a game.“ Doch Sarkeesian ließ sich nicht mundtot mobben und ging offensiv mit dem Shitstorm um. Ergebnis: Statt der erhofften 6.000 Dollar zur Finanzierung von „Tropes vs. Women“ solidarisierten sich fast 7.000 Sponsoren mit dem Projekt und spendeten knapp 159.000 Dollar.

„Wir sind Zeuge einer langsamen und sehr schmerzhaften kulturellen Veränderung, in der Frauen auch in Männerdomänen zunehmend ihre Stimme erheben“, so Sarkeesian im Interview mit dem Politikmagazin Mother Jones. Die Reaktionen auf „Tropes of Women“ sei kein Randphänomen halbstarker, pickliger Nerds und auch kein Internetphänomen, sondern Ausdruck einer tiefverwurzelten gesellschaftlichen Frauenfeindlichkeit und einer Angst vor Veränderung.

Die Hälfte aller Gamer ist weiblich

Videospiele an sich sind nicht schädlich, betont Sarkeesian, und stellt sich damit gegen Kritiker, die Gaming mitverantwortlich für eine Zunahme an Gewalt und Mangel an Sozialverhalten machen. Im Gegenteil: Videospiele förderten lösungsorientiertes Denken, Teamfähigkeit und Kreativität. Sie selbst hat für „Tropes vs. Women“ mehrere hundert Spiele getestet. Anita Sarkeesians Vlog hat Wirkung gezeigt: Im März wurde sie mit dem „Ambassador Award“ der „Game Developer’s Choice Awards“ ausgezeichnet – als erste Frau überhaupt. In ihrer Dankesrede sagte sie, sie nehme Spiele sehr ernst: Als Kunstform und als Medium mit massivem Einfluss, das jedoch Frauen in den letzten Jahren sehr unglücklich repräsentiert hätte. Es bleibt zu hoffen, dass Sarkeesians Engagement Anstoß ist für Entwickler und User, Videospiele in Zukunft ebenso ernst nehmen. Als Nutzergruppe werden Frauen zudem immer wichtiger: Laut einer Studie der Entertainment Software Association lag der Anteil weiblicher Gamer schon 2012 bei 47 Prozent.

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