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Detox für ein besseres Leben?

Frühlingszeit ist Detoxzeit. Abgesehen von allen gesundheitlichen Gründen, diesem Trend zu frönen, geht es schlicht darum, dass in der vor uns liegenden Jahreszeit die Kleidung wieder mehr preisgibt, was sich bedetoxt einfach besser zu zeigen anfühlt. Stichwort „Bikinifigur“. Für einen ganzheitlich denken Menschen soll die Bikinifigur natürlich auch gern noch supergesund aussehen. Es gibt ja in alternativen und Achtsamkeitskreisen so unausgesprochene Dos and Don’ts. Während das Avocadotoast auf der einen Seite steht (wobei es kippelt, wegen der Ökobilanz der Avocado), so steht die Currywurst mit Pommes und jeden Abend Rotwein eher konträr dazu. Ein Blick ins Branchenbuch zeigt Angebote von achtsamem Fasten, über schamanisches Abnehmen bis hin zu Lichtnahrung. Ich mag mir nicht anmaßen, über eine dieser Methoden zu urteilen, sie sind allesamt unbenommen, schon aus dem Grund, da ich sie nicht selbst ausprobierte und so keinerlei Erfahrungswerte vorweisen kann. Die Frage, die sich mir stellt: Was wird mein achtsames Superdetoxfrühlingsprogramm?

Die Qual der Wahl

Ich überlege zuerst, mich aufs Smartphone zu konzentrieren. Digital-Detox ist derzeit in aller Munde. Schnell fällt mir ein, dass das gar nicht in Frage kommt, denn ich lebe in der oberbayerischen Pampa. Es ist sehr ruhig hier. Ich bekomme die Absenz von Lärm quasi als Dauerzustand frei Haus. Ich sage mir, sowas ist dann doch eher etwas für gestresste Stadtmenschen. Außerdem sind wir noch nicht so lange hier und daher benötige ich das Ding dringendst, um Kontakt mit Freunden zu halten, welche über Deutschland, Österreich und die Schweiz verteilt leben. Wieso sollen die unter meinem Detoxwahn leiden?

Den morgendlichen Kaffee wegzulassen, verwerfe ich gleich wieder mit dem Argument, dass ich das schon mal versuchte und ziemliche Kopfschmerzen davon bekam. Zudem war ich ungenießbar. Wir konsumieren fair gehandelten Biokaffee. Ich finde, das wiegt die Sache wieder auf.

Rauchen tue ich zu selten, als dass es eine echte und ernstzunehmende Detoxmaßnahme wäre, es wegzulassen. Das Ganze soll nicht zur Alibiveranstaltung verkommen.

Vive la France

Das Glas Wein am Abend wäre ein weiteres Zielobjekt. Aber das Thema hatte ich erst kürzlich mit einer Freundin. Bei ihr läuft es ähnlich und wir befanden, dass in Frankreich, dem Wein Mutterland, die Menschen sehr viel mehr und bereit sehr viel früher am Tag trinken. Während hier zu Lande die Alarmglocken schellen, beschwöre man dort drüben – da bin ich mir sicher – vorrevolutionäre Zustände, nähme man den Franzosen ihren Wein weg.

Gut, nicht selten werden aus einem Glas zwei oder am Wochenende auch schon mal drei. Was soll ich sagen, eine Mutter liebt alle ihre Kinder. Abgesehen davon ist Wein ein Naturprodukt und wurde in der Menschheitsgeschichte auch schon als normales Alltagsgetränk gegen den Durst gebraucht, während Wasser wegen möglicher Verunreinigungen teils sehr viel skeptischer begegnet wurde. Wein steht nicht erst seit dem feierwütigem Bacchus für Lebensfreude, genau wieder der Frühling.

Überhaupt, ist nicht der Frühling die Zeit, in der die Natur wieder ausatmet, das Licht heller wird, wir wieder mehr draußen leben und alles bunter wird?!

Was ist bloß los mit Menschen, die genau dann auf die Idee kommen, sich dermaßen selbst zu kasteien? Ich jedenfalls mag nicht in einer Gesellschaft leben, welche sich keine Fehltritte, keine Übertreibungen, keine Exzesse und keine überbordende Leidenschaft mehr erlaubt, um sich dadurch vermutlich noch irgendwie elitär zu fühlen.

In ebendieser vorrevolutionären Stimmung beschließe ich, da nicht mitzumachen. Ich lasse mir gar nichts vorschreiben, beschließe ich als meine persönliche Unabhängigkeitserklärung. Sollen sich andere gern in ihren Freiheiten beschneiden, ich nicht. Vive la France – Es lebe das Leben.

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